Gesetzliche Änderungen durch das "Kroatiengesetz"

Die Finanzverwaltung nimmt durch das BMF-Schreiben v. 26.9.2014 Stellung zu den gesetzlichen Änderungen beim Reverse-Charge-Verfahren, die zum 1.10.2014 in Kraft getreten sind.

Durch das sog. „Kroatiengesetz“ sind mit Wirkung zum 1.10.2014 die Vorschriften zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger („Reverse-Charge-Verfahren“) im Bereich der an einen bauleistenden Unternehmer ausgeführten Bauleistungen verändert worden. Außerdem sind die Regelungen ergänzt worden um die Lieferung von Tablet-Computern und Spielekonsolen (ab einem Gesamtentgelt von 5.000 EUR) sowie um die Lieferung von edlen und unedlen Metallen.

Um für die Praxis das Reverse-Charge-Verfahrens besser anwendbar zu machen, wurde außerdem gesetzlich geregelt, dass auch in den Fällen, in denen die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, die Vertragsparteien aber davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger Steuerschuldner wird, dies nicht zu beanstanden ist. Da die Berechnung der geschuldeten USt durch den Leistungsempfänger regelmäßig nicht möglich ist, wenn die Lieferung der Differenzbesteuerung unterliegt, wurde für diese Fälle die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens gesetzlich ausgeschlossen.

Insbesondere die Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger bei den Bauleistungen war in den vergangenen Monaten ständigen Änderungen unterworfen. Nachdem der BFH (Urteil v. 22.8.2013, V R 37/10) festgestellt hatte, dass die bisher von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, unter welchen Voraussetzungen der Leistungsempfänger als ein „bauleistender Unternehmer“ anzusehen sei, keine rechtssichere Anwendung der Regelung ermögliche, musste die Finanzverwaltung ihre Auffassung (vorübergehend) aufgeben (BMF, Schreiben v. 5.2.2014, BStBl 2014 I S. 233 und BMF, Schreiben v. 8.5.2014, BStBl 2014 I S. 823).

Hinweis: Die Finanzverwaltung ging früher im Wesentlichen davon aus, dass der Leistungsempfänger dann als bauleistender Unternehmer anzusehen sei, wenn er selbst im vorangegangenem Kalenderjahr mehr als 10 % seiner weltweit erbrachten Umsätze als Bauleistungen ausgeführt hat. Als rechtsichere Voraussetzung zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens sah der BFH es dagegen nur an, wenn eine vom leistenden Unternehmer ausgeführte Bauleistung bei dem Leistungsempfänger selbst unmittelbar in eine Bauleistung eingeht. Zwar würde es hier auch Schwierigkeiten für den leistenden Unternehmer geben, diese Voraussetzung zu erkennen und nachzuweisen, dennoch hielt der BFH dies für die einzig umsetzbare Auslegung der gesetzlichen Vorgaben. Unerheblich ist dabei, in welchem Umfang der Leistungsempfänger selbst Bauleistungen ausführt.

Die Verknüpfung der Eingangsbauleistung unmittelbar mit einer Ausgangsbauleistung ist allerdings von Finanzverwaltung/Gesetzgeber nicht als praxisgerechte Lösung angesehen worden. Durch das „Kroatiengesetz“ ist aus deshalb mit Wirkung zum 1.10.2014 eine Neufassung in § 13b Abs. 5 UStG zu den Bauleistungen aufgenommen worden.

Wichtig: Im Wesentlichen ist damit der Zustand wieder hergestellt worden, der bis zum 14.2.2014 (bzw. vor dem Urteil des BFH) herrschte. Allerdings wurde der Plan aufgegeben, die Bauträger ausdrücklich in die gesetzliche Regelung mit einzubeziehen. Ursprünglich war angedacht, auch die Lieferung von Grundstücken als Bauleistung zu definieren.

Grundsätzlich sind an der allgemeinen Voraussetzung – der Bauleistung als solcher – in § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG keine Änderungen vorgenommen worden. Lediglich in § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG ist gesetzlich klargestellt worden, dass der Leistungsempfänger dann zum Steuerschuldner für eine ihm gegenüber ausgeführte Bauleistung wird, wenn er selbst solche Leistungen nachhaltig ausführt. Ob die Leistung unmittelbar für eine Bauleistung verwendet wird, ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung unerheblich.

Das Gesetz enthält aber unmittelbar keine Aussage, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der nachhaltig Bauleistungen ausführt. Allerdings wird gesetzlich festgeschrieben, dass davon auszugehen ist, wenn er eine von der Finanzverwaltung ausgestellte Bescheinigung (USt 1 TG) besitzt, die ihm diese Eigenschaft bestätigt.

Im Gesetz ist nicht ausdrücklich geregelt, unter welchen Voraussetzungen diese Bescheinigung durch die Finanzverwaltung erteilt werden soll. Allerdings wird in der Gesetzesbegründung vorgegeben, dass die Bescheinigung dann auszustellen ist, wenn der Leistungsempfänger im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 10 % seiner weltweit ausgeführten Leistungen als Bauleistungen ausgeführt hat.

Damit lassen sich die folgenden Anwendungsregelungen unterscheiden (vgl. BMF, Schreiben v. 8.5.2014, BStBl 2014 II S. 823):

  • Bauleistungen bis zum 14.2.2014 (= Tag der Veröffentlichung des Urteil V R 37/10 im BStBl): Der Leistungsempfänger wird dann zum Steuerschuldner für eine ihm gegenüber ausgeführte Bauleistung, wenn er selbst im vorangegangenen Kalenderjahr mehr als 10 % seiner weltweit ausgeführten Leistungen als Bauleistungen i. S. d. Regelung ausgeführt hat. Ob er die Bauleistung für eine Ausgangsbauleistung, für eigene unternehmerische Zwecke oder auch für private Zwecke bezogen hatte, war nicht von Bedeutung.
  • Bauleistungen ab dem 15.2.2014 bis zum 30.9.2014: Der Leistungsempfänger wird nur dann zum Steuerschuldner für eine ihm gegenüber ausgeführte Bauleistung, wenn er die Bauleistung unmittelbar für eine Bauleistung einsetzt. In welchem Umfang er ansonsten selbst Bauleistungen ausführt, ist nicht von Bedeutung.
  • Bauleistungen ab dem 1.10.2014: Der Leistungsempfänger wird zum Steuerschuldner für eine ihm gegenüber ausgeführte Bauleistung, wenn er selbst nachhaltig solche Leistungen ausführt. Dies ist regelmäßig durch eine besondere Bescheinigung nachzuweisen (USt 1 TG). Es kommt nicht mehr darauf an, ob die Bauleistung unmittelbar für eine Bauleistung verwendet wird.

Wichtig: Unternehmer können sich für Bauleistungen, die vor dem 15.2.2014 ausgeführt worden sind und die nicht unmittelbar für eine Ausgangsbauleistung verwendet werden, auf die Rechtsprechung des BFH berufen. Zu den Erstattungsfällen und deren Abwicklung vgl. § 27 Abs. 19 UStG sowie BMF, Schreiben v. 31.7.2014, BStBl 2014 I S. 1073.

Hinweis: Vergleichbares wie bei den Bauleistungen hatte sich auch für die Gebäudereinigungsleistungen ergeben. Nach dem Urteil zu den Bauleistungen wurden von der Finanzverwaltung auch Änderungen für die Gebäudereinigungsleistungen vorgenommen. Auch hier wurde die 10 %-Grenze aufgehoben; es kam – vorübergehend bis zum 30.9.2014 – darauf an, ob der leistende Unternehmer eine Gebäudereinigungsleistung ausführt, die bei dem Leistungsempfänger unmittelbar in eine Gebäudereinigungsleistung eingeht. In welchem Umfang der Leistungsempfänger selbst Gebäudereinigungsleistungen am Markt ausführt, ist unbeachtlich. Durch das „Kroatiengesetz“ ist auch hier gesetzlich klargestellt worden, dass der Leistungsempfänger dann zum Steuerschuldner wird, wenn er nachhaltig solche Leistungen ausführt; nach der Gesetzesbegründung ist hier auch wieder die 10 %-Grenze eingeführt worden.

Das Reverse-Charge-Verfahren dient neben der Vereinfachung der Steuererhebung auch der Vermeidung von Steuerausfällen. Aus diesem Grund sind mit Wirkung zum 1.10.2014 weitere Anwendungsfälle in das Verfahren gesetzlich einbezogen worden:

  • Die Lieferung von Tablet-Computern sowie von Spielekonsolen wurde mit in die Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG aufgenommen. Damit wird der Leistungsempfänger zum Steuerschuldner, wenn er solche Gegenstände erwirbt, wenn die Summe der für sie in Rechnung gestellten Entgelte mindestens 5.000 EUR beträgt.
  • Die Lieferung von edlen und unedlen Metallen (z. B. Selen, Silber, Gold, Platin, Roheisen, Kupfer, Nickel, Aluminium, Blei, Zink, Zinn etc.) wurde neu in das Reverse-Charge-Verfahren in § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG aufgenommen.

Darüber hinaus ist eine neue gesetzliche Vertrauensschutzregelung mit Wirkung zum 1.10.2014 eingeführt worden. Durch diese Vertrauensschutzregelung wird im Ergebnis eine bisher (vor dem Urteil des BFH) von der Finanzverwaltung auch schon im Verwaltungswege getroffene Nichtbeanstandungsregelung nunmehr in das Gesetz mit aufgenommen. Liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nicht vor, sind die Vertragsparteien aber davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, wird es nicht beanstandet, wenn der Leistungsempfänger tatsächlich die Steuer angemeldet hat. Um Rechtssicherheit sowohl für den leistenden Unternehmer als auch für den Leistungsempfänger zu erlangen, war es erforderlich, die sich in Zweifelsfällen aus einer übereinstimmenden Handhabung und folgerichtigen Besteuerung ergebende Rechtsfolge einer Steuerschuld des Leistungsempfängers gesetzlich festzuschreiben.

Diese Vertrauensschutzregelung ist nicht nur auf Bauleistungen beschränkt, sondern betrifft auch die Lieferung von Erdgas und Elektrizität durch im Inland ansässige Unternehmer, die Lieferung von Schrott und Altmetall, die Gebäudereinigungsleistungen, die Lieferung von Gold, die Lieferung von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern und Spielekonsolen oder integrierten Schaltkreisen vor Einbau in einen zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeigneten Gegenstand sowie die Lieferung von Edelmetallen und unedlen Metallen.

Mit dem BMF-Schreiben v. 26.9.2014 nimmt die Finanzverwaltung auf insgesamt 20 Seiten umfassend Stellung zu den neuen Regelungen zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger und ändert insoweit den UStAE.