"Die Coachees sind unterschiedlich – und so soll es auch bleiben"
Haufe Online Redaktion: Wo sehen Sie den größten Unterschied zwischen virtuellen und persönlichen Coachingformen?
Dr. Melanie Hasenbein: Virtuelles Coaching ermöglicht in vielen Bereichen eine andere Fokussierung als Face-to-face-Coaching. Wenn Coach und Coachee etwa beim Telefon-Coaching nur die Stimme einsetzen, können beide sich anders auf den Inhalt konzentrieren, als wenn sie sich dabei sehen. Gleiches gilt für das Online-Coaching mit einem webbasierten Programm: Dort sind strukturiert aufgebaute Fragen für den Coachee hinterlegt, die der Coach auch telefonisch begleiten kann. Diese Form des Coachings ermöglicht ein sehr strukturiertes Arbeiten und bietet sich deshalb vor allem bei Zielerreichungscoachings an.
Haufe Online Redaktion: Beim rein virtuellen Coaching treffen sich Coach und Coachee nie persönlich. Eine Studie der Ashridge Business School aus dem vergangenen Jahr hat jedoch gezeigt, dass der Coaching-Erfolg stark von der Beziehung zwischen Coach und Coachee abhängt. Kann das dafür nötige Vertrauen denn auf die Distanz entstehen?
Hasenbein: Vertrauen kann tatsächlich entstehen, ohne dass Coach und Coachee sich sehen. Das hat eine Studie gezeigt, die ich zusammen mit Professor Harald Geißler von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und Robert Wegener von der Fachhochschule Nordwestschweiz durchgeführt habe. Dafür wurden 14 Probanden, die virtuell zum Thema "berufliche Zielerreichung" gecoacht wurden, ein Jahr lang in regelmäßigen Abständen von den Forschern interviewt. 86 Prozent von ihnen haben weitgehend oder vollkommen zugestimmt, dass sie eine vertrauensvolle Beziehung zum Coach aufbauen konnten. Auch die Wirksamkeit von Online-Coachings konnten wir zeigen: Die Zielerreichungsgrade lagen im Durchschnitt beim Ergebnisziel bei 60 Prozent und beim Lern- und Entwicklungsziel bei 70 Prozent.
Haufe Online Redaktion: Wie gelingt es dem Coach denn, über die Distanz Vertrauen aufzubauen?
Hasenbein: Bei einem Online-Coaching muss der Coach sich zurückhalten und den Klienten kommen lassen. Gerade bei emotionalen Themen muss er wissen, wie weit er gehen kann, wann er nachbohren sollte und wann es besser ist, erst im nächsten Gespräch einen Schritt weiterzugehen. Bei einem rein auditiven Coaching muss der Coach zudem noch besser fragen und nachhaken, als wenn er den Coachee per Video oder persönlich sehen kann. Dafür muss er in der Lage sein, kleinste Schwankungen in der Stimme des Klienten wahrzunehmen.
Haufe Online Redaktion: Und was muss der Coachee mitbringen, damit ein virtuelles Coaching gelingt?
Hasenbein: Der Coachee muss zunächst dazu in der Lage sein, zwischen den Medien hin und her zu wechseln, die bei virtuellem Coaching zum Einsatz kommen. Zudem braucht er eine gewisse Offenheit, um sich auf so eine Art des Coachings einzulassen – sonst gefährdet der Widerstand des Coachees den Coaching-Erfolg. Meist legt sich jedoch die Skepsis, die manche Klienten dieser Form des Coachings zunächst entgegenbringen.
Haufe Online Redaktion: Gibt es Coachees, für die virtuelles Coaching gar nicht geeignet ist?
Hasenbein: Ich habe noch keinen Coachee erlebt, bei dem das Format gar nicht funktioniert hat. Doch manche kommen nach einem Online-Coaching zu dem Fazit, dass sie lieber face-to-face gecoacht werden. Da sind die Klienten unterschiedlich – und so soll es auch bleiben. Die Bereitschaft, sich virtuell coachen zu lassen, kann aber auch vom Thema abhängen: Wenn es um sehr emotionale Dinge geht, bevorzugen manche ein virtuelles Coaching, gerade weil es Distanz schafft. Andere möchten emotionale Themen lieber persönlich besprechen. Aber auch praktische Gründe – wie etwa eine räumliche Distanz zwischen Coach und Coachee – können für eine virtuelle Variante sprechen.
Haufe Online Redaktion: Sie coachen sowohl persönlich als auch virtuell. Für welches Format sprechen Sie sich aus?
Hasenbein: Unsere Studien zeigen zwar, dass auch ein rein virtuelles Coaching möglich ist – aber es empfiehlt sich, dass Coach und Coachee sich zwischendurch persönlich treffen. Hier kann ein Blended-Format ein guter Weg sein: Dabei beginnt das Coaching mit einem oder mehreren persönlichen Gesprächen, auf die virtuelle Coaching-Sessions folgen. Wenn möglich sollte das Coaching face-to-face abschließen. Denn letztlich soll das virtuelle Coaching nicht das Live-Format ersetzen, sondern sinnvoll und professionell ergänzen.
Dr. Melanie Hasenbein ist Inhaberin des Coaching- und Trainingsanbieters Change Format und forscht zum Thema "Online-Coaching".
Das Interview führte Andrea Sattler, Redaktion Personal.
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