Gesetzestext

 

(1) 1Wird auf Räumung von Wohnraum erkannt, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. 2Der Antrag ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht. 3Ist der Antrag bei der Entscheidung übergangen, so gilt § 321; bis zur Entscheidung kann das Gericht auf Antrag die Zwangsvollstreckung wegen des Räumungsanspruchs einstweilen einstellen.

(2) 1Ist auf künftige Räumung erkannt und über eine Räumungsfrist noch nicht entschieden, so kann dem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewährt werden, wenn er spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Urteil zu räumen ist, einen Antrag stellt. 2§§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.

(3) 1Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. 2Der Antrag auf Verlängerung ist spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist zu stellen. 3§§ 233 bis 238 gelten sinngemäß.

(4) 1Über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3 entscheidet das Gericht erster Instanz, solange die Sache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht. 2Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. 3Vor der Entscheidung ist der Gegner zu hören. 4Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.

(5) 1Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen. 2Die Jahresfrist rechnet vom Tage der Rechtskraft des Urteils oder, wenn nach einem Urteil auf künftige Räumung an einem späteren Tage zu räumen ist, von diesem Tage an.

(6) Die sofortige Beschwerde findet statt

1. gegen Urteile, durch die auf Räumung von Wohnraum erkannt ist, wenn sich das Rechtsmittel lediglich gegen die Versagung, Gewährung oder Bemessung einer Räumungsfrist richtet;
2. gegen Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 2 oder 3.

(7) 1Die Absätze 1 bis 6 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden.

A. Ratio.

 

Rn 1

Die Vorschrift gewährt dem Schuldner, der zur Räumung seiner Wohnung verurteilt wurde, dadurch vollstreckungsrechtlichen Schutz, dass sie dem Gericht die Befugnis einräumt, ihm eine angemessene, jedoch nicht über ein Jahr hinausgehende Räumungsfrist zu gewähren. § 721 liegt daher die ratio zugrunde, dass der Verlust des Wohnraums für den Schuldner von lebenswichtiger (›vitaler‹: MüKoZPO/Götz § 721 Rz 1) Bedeutung ist. Die Regelung flankiert den materiell-rechtlichen Schutz des auf Räumung in Anspruch genommenen Schuldners in §§ 573, 574, 574a, 574b, 574c, 575, 577a BGB auf der vollstreckungsrechtlichen Ebene, in dem sie eine besondere Vollstreckungsvoraussetzung iSd § 751 I schafft, die zur zeitweiligen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung führt. Die Räumungsfrist ermöglicht es dem Schuldner, sich nach einer neuen Wohnung umzusehen, um so eine Obdachlosigkeit möglichst zu vermeiden. Auch nach dem Ablauf der Frist ist der Schuldner nicht zwingend schutzlos. Vielmehr kann er im Einzelfall zusätzlich um Vollstreckungsschutz nach § 765a nachsuchen. Im Gegensatz zu diesem nicht disponiblen Schutz kann der Schuldner nach Rechtshängigkeit in entsprechender Anwendung des § 295 von einem eigenen Antrag nach § 721 absehen. Dem öffentlichen Interesse ist dadurch Genüge getan, dass die Räumungsfrist auch vAw bewilligt werden kann (Musielak/Lackmann § 721 Rz 1).

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

§ 721 gilt für Urteile (auch Versäumnisurteile, LG Köln NJW-RR 87, 143 [LG Köln 14.03.1986 - 9 T 45/86], einschließlich der nach § 345), die die Räumung von Wohnraum aussprechen, unabhängig davon, auf welchen materiell-rechtlichen Ansprüchen (Miete, weitere Nutzungsrechte, Eigentümer-Besitzer-Verhältnis) diese beruhen (Zö/Seibel § 721 Rz 2). Voraussetzung ist jedoch stets, dass sich der Anspruch auf Räumung und Herausgabe richtet. Deshalb gilt § 721 nicht für Klagen auf Beseitigung der Störung des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe (sog Ehestörungsklage), weil hier ein weitergehender ehewidriger Zustand nach §§ 823 I, 1004 I BGB aus der Welt geschafft werden soll (Celle NJW 80, 711 [OLG Celle 29.11.1979 - 12 UF 153/79]). Auch bei folgenden weiteren Räumungstiteln kann § 721 nicht herangezogen werden: aus einstweiliger Verfügung nach § 940a (LG Hamburg NJW-RR 93, 1233), aus einem Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG (München OLGZ 69, 43, 45 f, einem Beschl über die Insolvenzeröffnung nach §§ 148, 159 InsO sowie der Zuweisung der ehelichen Wohnung in Ehewohnungs- und Gewaltschutzsachen (Schuschke NZM 10, 137, 139). Abs 7 nimmt Mietverhältnisse nach §§ 549 II Nr 3, 575 BGB wegen der weniger stark ausgeprägten Schutzbedürftigkeit des Schuldners von dem besonderen Vollstreckungsschutz der Vorschrift aus. Für den Räumungsvergleich enthält § 794a eine eigenständige Regelung (München OLGZ 69, 43)...

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