Unter dem Motto "Sustainability must have the same high priority as financial data" stellte Pradela die zentrale These seines Vortrags auf: Nur wenn Nachhaltigkeit messbar, steuerbar und planbar wird, kann sie auch Wirkung entfalten, nach innen wie nach außen.
Nachhaltigkeit als strukturelles Wachstumsziel
Die DHL Group hat Nachhaltigkeit frühzeitig mit der "ESG Roadmap 2030" sowie dem langfristigen Ziel der CO₂-Neutralität bis 2050 strategisch und steuerungsseitig verankert. Ein wesentlicher Meilenstein war die Veröffentlichung der neuen Konzernstrategie im Jahr 2024: "Strategy 2030 – Accelerate Sustainable Growth". Diese Strategie bringt zentrale globale Megatrends Klimawandel, Digitalisierung und E-Commerce in eine integrierte Steuerungslogik. Im Fokus steht dabei nicht die isolierte Betrachtung von Nachhaltigkeit, sondern sie stellt einen integralen Bestandteil der Konzernentwicklung dar ökonomisch, ökologisch und gesellschaftlich.
Finance im Driver’s Seat der Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist längst keine Domäne der Unternehmenskommunikation mehr, sie hat sich zu einer strategischen Steuerungsaufgabe im Finanzbereich entwickelt. Gefragt sind belastbare KPIs, digitale Tools sowie ein Reporting, das den Anforderungen der ESRS-Standards gerecht wird. Seit 2024 veröffentlicht die DHL Group einen vollumfänglichen Nachhaltigkeitsbericht.
Die Finanzfunktion übernimmt dabei eine zentrale Rolle: von der Materialitätsanalyse bis zur operativen Steuerung. Besonders bedeutend sind zehn sogenannte "Steering KPIs", etwa zu Emissionen, E-Fahrzeugen oder Mitarbeiterbindung. Sie sind vollständig in das Managementreporting und die variable Vergütung integriert. Das klare Signal: Nachhaltigkeit wird mit dem gleichen Steuerungsanspruch behandelt wie finanzielle Kennzahlen
Von der Wesentlichkeit zur Steuerung
Das Herzstück der ESG-Steuerungslogik bei DHL bildet eine strukturierte doppelte Wesentlichkeitsanalyse, die auf dem IRO-Modell (Impact, Risk & Opportunity) basiert. Die Methodik verknüpft interne Workshops mit Fachbereichen und Experten mit dem gezielten Einbezug externer Stakeholder. Im Rahmen dieses Prozesses werden relevante Themen systematisch identifiziert, priorisiert und validiert. Die daraus abgeleiteten zentralen ESG-Felder werden in konkrete, messbare Kennzahlen überführt. Diese KPIs bilden heute einen festen Bestandteil von Reporting, Steuerung und Vergütungssystemen. ESG ist damit nicht nur dokumentiert, sondern als verbindlicher Teil unternehmerischer Entscheidungsprozesse aktiv verankert.
Forecasts mit Wirkung: ESG trifft Finanzplanung
Ein zentrales Element der ESG-Integration bei DHL ist die Verknüpfung von Nachhaltigkeitszielen mit der finanziellen Planung. Mithilfe eines strukturierten Gap-Analysis-Modells wird der Top-down-Strategiepfad zur CO₂-Neutralität bis 2050 in konkrete Zwischenziele und operative Maßnahmen übersetzt. Der CO₂-Absenkpfad wird dabei bis auf Divisionsebene heruntergebrochen und fließt direkt in Forecasts, Investitionsbedarfe und Reduktionsszenarien ein.
Maßnahmen wie der Hochlauf elektrischer Fahrzeugflotten oder der Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe werden dabei quantitativ erfasst und integriert, nicht als Einzelprojekte, sondern als fester Bestandteil der Planungslogik. Auf diese Weise wird ESG nicht nur strategisch mitgedacht, sondern auch operativ quantifiziert – und als Teil der mittelfristigen Unternehmensplanung wirksam verankert.
Auditierbare Nachhaltigkeit: Prozesse, Systeme, Kontrolle
Die DHL Group hat ESG vollständig in ihr bestehendes Internal Control System (ICS) integriert. Nachhaltigkeitsdaten werden dort nach denselben Prüf- und Kontrollstandards erfasst wie finanzielle Kennzahlen, ein klares Bekenntnis zur Gleichbehandlung beider Steuerungsperspektiven.
Der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht der DHL Group umfasst mehr als 125 ESG-Kennzahlen, von denen 31 einer externen Prüfung mit "reasonable assurance" unterzogen werden. Durch diese systematische Einbettung wird ESG zu einem festen Bestandteil der unternehmensweiten Governance-Struktur – auditierbar, vergleichbar und steuerungsfähig.
Green Logistics als Marktversprechen
DHL richtet den ESG-Fokus nicht nur nach innen. Mit dem Zielbild "Green Logistics of Choice" positioniert sich das Unternehmen aktiv im Markt. Nachhaltige Produkte, CO₂-arme Logistiklösungen und digitale Transparenzangebote schaffen Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb. Damit wird ESG auch kundenrelevant: Nicht nur regulatorische Anforderungen, sondern auch Kundenerwartungen bestimmen die Dynamik. Nachhaltigkeit wird zum Teil des Markenversprechens.
Fazit: ESG braucht Steuerungskraft – und CFO-Mindset
Adam Pradelas Vortrag zeigte eindrucksvoll: Wer Nachhaltigkeit glaubwürdig und wirksam verankern will, muss sie systematisch mit Zahlen, Prozessen, Zielen und Verantwortung steuern. Die Finanzfunktion übernimmt dabei eine zentrale Rolle, nicht als Erfüllungsgehilfe, sondern als Mitgestalter der Transformation.
Die DHL Group demonstriert, wie ESG vom Reportingprojekt zur echten Steuerungsdisziplin wird. Für Controller und Finanzverantwortliche entsteht daraus eine klare Botschaft: Nachhaltigkeit beginnt nicht mit der Vision, sondern mit der Steuerung.