Freispruch für VW-Manager: Keine Untreue bei Betriebsratsbezügen

Zu viel Geld für die Betriebsräte - das war der Vorwurf der StA Braunschweig gegenüber 4 vor dem LG Braunschweig angeklagte VW-Manager. In den jährlichen Alimentierungen der Betriebsräte in Höhe von bis zu 750.000 EUR sah das LG laut Urteil aber kein strafbares Verhalten der 3 ehemaligen und des noch heute amtierenden VW-Managers.

Ca. 500.000 Euro Aufwandentschädigung plus Boni im Jahr für den Betriebsratsvorsitzenden von VW Bernd Osterloh und hohe sechsstellige Beträge auch für andere Betriebsräte. Das war nach Auffassung der StA des Guten zu viel.

Anklage wegen Untreue zu Lasten der VW-Firmengelder 

Die StA warf den Managern vor, durch Genehmigung von Aufwandsentschädigungen und Boni in dieser Höhe den VW-Konzern um mindestens 5 Millionen Euro geschädigt zu haben und klagte die Manager wegen Untreue, teilweise im besonders schweren Fall, an. Daneben stand der Verdacht im Raum, die Manager hätten die hohen Alimentierungen dazu benutzt, um sich den Betriebsrat bei schwierigen Entscheidungen gewogen zu machen.

StA plädierte auf Bewährungsstrafen

Nach Durchführung der Beweisaufnahme sah die StA ihre Vorwürfe bestätigt. In ihrem Schlussplädoyer forderte die StA für die Angeklagten die Verhängung von Bewährungsstrafen und spürbaren Geldauflagen. Die Verteidiger forderten sämtlich uneingeschränkt Freisprüche.

LG spricht sämtliche Angeklagten frei

Das LG hat sich dieser Beurteilung der StA nicht angeschlossen und hat die angeklagten Personalmanager nun freigesprochen. Der Vorwurf der Untreue hat sich nach Auffassung der Strafkammer nicht erhärtet.

Der rechtliche Hintergrund:

Eine der juristischen Kernfragen des Prozesses war die Angemessenheit der Vergütung von Betriebsräten. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist die Tätigkeit eines von der Arbeitsverpflichtung freigestellten Betriebsrates grundsätzlich ein Ehrenamt. Die Entlohnung der Betriebsräte ist im BetrVG dezidiert geregelt:

  • Gemäß § 37 Abs. 4 Satz eins BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats grundsätzlich nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer.
  • Hiermit soll sichergestellt werden, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit  betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden (BAG, Urteil v. 14.7.2010, 7 AZR 359/09)
  • Das Betriebsratsmitglied hat während der Dauer seiner Amtszeit Anspruch auf Gehaltserhöhungen in dem Umfang, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden (BAG, Urteil v. 18.5.2016, 7 AZR 401/14).
Sowohl eine Begünstigung des Betriebsratsmitglieds (§ 78 Satz 2 BetrVG) als auch eine Benachteiligung sollen verhindert werden (BAG, Urteil v. 19.1.2005, 7 AZR 208/04)

Erstaunliche fiktive Karrieren von Betriebsräten

Im Ergebnis erfolgt die Entlohnung Betriebsrates fiktiv nach der Karriere, die der betreffende Mitarbeiter ohne die Betriebsratsstellung im Betrieb voraussichtlich gemacht hätte.

Gerade in Großunternehmen kommt es auf dieser Grundlage manchmal zu erstaunlichen fiktiven Karrieren von Betriebsräten, die – was nicht vergessen werden darf – im Aufsichtsrat häufig über die Besetzung und Vergütung des Vorstandes mitentscheiden.

LG vermisst präzise rechtliche Vorgaben für die Betriebsratsvergütung

Nach Einschätzung des LG sind die vom BetrVG vorgegebenen Vergütungskorridore mehr oder weniger unbestimmt. Eindeutige Vorgaben, welche beruflichen Vergleichsgruppen bei der Einstufung eines Betriebsrates oder Betriebsratsvorsitzenden heranzuziehen sind, ließen sich daraus nicht ableiten. Die von den Angeklagten genehmigten, teils sehr hohen sechsstelligen Betriebsratsvergütungen bewegten sich nicht so eindeutig außerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens, dass hierauf der strafrechtliche Vorwurf der Untreue gestützt werden könnte.

(LG Braunschweig, Urteil v. 28.9.2021, 16 KLs 85/19)

Hintergrund:

Auch politisch ist die Frage der Angemessenheit der Höhe der Alimentierung von Betriebsräten umstritten und führt zu immer neuen Diskussionen auch im Bundestag.

Ehemalige BAG-Vorsitzende plädiert für Augenhöhe-Entlohnung

Der Sachverständige und ehemalige Vorsitzende Richter am BAG Franz Josefl Düwell hatte bei einer Anhörung im Bundestag die Politik aufgefordert zu handeln.

  • Habe sich ein Mitarbeiter im Betriebsrat empor gearbeitet, so habe er das Recht und die Pflicht, auf Augenhöhe mit dem Vorstand zu verhandeln.
  • Es könne nicht sein, dass er dabei auf das Gehalt eines einfachen Maschinenschlossers zurückfällt.
  • Die Qualifikationen und Erfahrungen, die der Beschäftigte im Betriebsrat erworben habe, müssten bei der Alimentierung berücksichtigt werden. 

Eine Frage der Relationen

Bei aller Kritik darf auch nicht aus dem Fokus geraten, was Vorstandsmitglieder und nicht zuletzt der Vorstandsvorsitzende bei VW verdienen. In Relation dazu dürfte die Bewertung der Verdienste um Unternehmen und Belegschaft eines Betriebsratsvorsitzenden nicht um ein Vielfaches unter der Bewertung der Verdienste von Vorstandsmitgliedern anzusetzen sein. Möglicherweise wäre es ja angemessen, für die Entlohnung von Betriebsratsmitgliedern als Mittler zwischen Management und Belegschaft einen Wert irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Positionen zu finden. Dies ist allerdings nach der derzeit geltenden Gesetzeslage eher schwierig. Insoweit wäre dann möglicherweise doch der Gesetzgeber gefragt.

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Hinweis: Wie weit die Pflicht des Arbeitgebers geht, die "Schattenkarriere" eines Betriebsrats im Auge zu behalten und auch außergewöhnliche Karrieresprünge – vielleicht sogar wohlwollend – anzunehmen, lesen Sie im gesamten Beitrag "Dem Schatten folgen" im Personalmagazin Heft 07/2017. Hier gehts zur kostenlosen Personalmagazin-App.