[…]

III. Das angefochtene Urteil unterliegt auf die Sachrüge hin der Aufhebung. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Das AG hat in dem festgestellten Verhalten einen Verstoß gegen §§ 30 Abs. 3, 49 StVO, § 24 StVG gesehen.

a) § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO verbietet, Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t sowie Anhänger hinter Lastkraftwagen an Sonntagen und Feiertagen in der Zeit von 0:00 Uhr bis 22:00 Uhr zur geschäftsmäßigen oder entgeltlichen Beförderung von Gütern einschließlich damit verbundener Leerfahrten zu führen. Satz 2 der Vorschrift sieht Ausnahmen des Verbotes vor, u.a. gem. Ziff. 2 lit. b) für die Beförderung von frischem Fleisch und frischen Fleischerzeugnissen sowie gem. lit. d) für die Beförderung von leicht verderblichem Obst und Gemüse und gem. Ziff. 6 für Leerfahrten, u.a. im Zusammenhang mit den genannten Fahrten gem. Ziff. 2.

b) Zur Frage, wie der Begriff des "Zusammenhangs" mit privilegierten Fahrten auszulegen ist, hat das OLG Celle entschieden, dass der Begriff weit auszulegen sei. Eine einschränkende Auslegung der Norm dehne den bußgeldrechtlich bewehrten Bereich des Fehlverhaltens zum Nachteil der Betroffenen aus, weswegen Zurückhaltung geboten sei. Eindeutig überwiegende Gründe für eine einschränkende Auslegung seien nicht vorhanden (Beschl. v. 26.7.2016 – 1 Ss (OWi) 129/16, BeckRS 2016, 15154). Begründet hat das Gericht seine Ansicht u.a. damit, dass vom Sinn der Ausnahmeregelungen des § 30 Abs. 3 StVO ausgehend, nämlich der Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten dort genannten Gütern (vgl. BeckOK StVR/Ritter, 21. Ed. 15.10.2023, StVO § 30 Rn 17), kaum jemals eine zwingende Veranlassung dafür bestehen dürfte, nach der Transportfahrt im unmittelbaren Anschluss auch noch die Leerfahrt durchzuführen. Mit der Ablieferung der privilegierten Ware am Bestimmungsort sei der Zweck der Ausnahmeregelung nämlich bereits erreicht worden. Der Speditionsunternehmer könnte daher durchaus darauf verwiesen werden, die Rückfahrt erst am folgenden Werktag anzutreten.

Dies wäre bei Bereitstellung genügender Fahrzeuge und Fahrer problemlos möglich. Ein zwingender Grund, diese am Sonntag durchzuführen, dürfte kaum jemals bestehen. Trotzdem seien die mit den privilegierten Lastfahrten im Zusammenhang stehenden Leerfahrten von dem Sonntagsfahrverbot ausgenommen. Daran zeige sich, dass wirtschaftliche oder wettbewerbliche Gründe bei der Beurteilung des Zusammenhanges der Leerfahrten nicht völlig aus dem Blick bleiben können. Da die einschränkende Auslegung der Norm nicht zuletzt erheblichen Einfluss auf das gesamte Transportgewerbe habe, sei es Sache des Verordnungsgebers der Straßenverkehrsordnung, erforderlichenfalls eine dahingehende klare Regelung zu schaffen.

Diesen Erwägungen schließt sich der Senat auch für den vorliegenden Fall an. Da im Bußgeldrecht, ebenso wie im Strafrecht der Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot gelten (§ 3 OWiG i.V.m. Art. 103 Abs. 2 GG; hier: nulla poena sine lex certa et stricta, vgl. LG Zweibrücken, Beschl. v. 24.11.2020 – 1 OWi 2 Ss 107/20, juris Rn 12), kommt eine einschränkende Auslegung des ohnehin gesetzlich nur schwach konturierten Begriffs des Zusammenhangs vorliegend nicht in Frage. Die sich unmittelbar vom Abladeort der privilegierten Ware abschließende Fahrt steht immer (zumindest auch) im Zusammenhang mit der vorangegangenen privilegierten Fahrt. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn zugleich ein weiterer Folgeauftrag besteht. Ob diese Leerfahrt zum ursprünglichen Ausgangspunkt zurückgeht oder zu dem nächsten Abholort zur Beladung anderer Ware ist für die Frage des ursprünglichen Zusammenhangs unerheblich. Die Weiterfahrt steht immer auch im Zusammenhang mit einem weiteren Grund, sei es etwa die Rückfahrt zum Ausgangspunkt oder auch zu einem nächstgelegenen Ruheort. Das Sonntagsfahrverbot dient dem Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Personenverkehrs und des gleichmäßigen Verkehrsflusses sowie der Einschränkung der Lärm- und Abgasbelastung (vgl. OVG Münster NZV 95, 43). Die Leerfahrt zu einem in der Nähe befindlichen weiteren Abholort, statt einer Leerfahrt zu einem weiter entfernt gelegenen Ausgangspunkt der privilegierten Fahrt und einer zusätzlichen Neuanfahrt trägt gerade dem Sinn und Zweck des Gesetzes Rechnung, Lärm und Abgase zu reduzieren.

IV. Der Senat macht, da weitere Feststellung nicht zu erwarten sind, von der Möglichkeit Gebrauch gemäß § 79 Abs. 6 OWiG nach Aufhebung des angefochtenen Urteils in der Sache selbst zu entscheiden, was zum Freispruch des Betroffenen aus rechtlichen Gründen führt (vgl. BeckOK StVR/Lay, 21. Ed. 15.10.2023, OWiG § 79 Rn 340 m.w.N.; BeckOK OWiG/Bär, 40. Ed. 1.10.2023, OWiG § 79 Rn 135).

V. Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 467 StPO (vgl. KK-OWiG/Hadamitzky, 5. Aufl. 2018, OWiG § 79 Rn 165).

zfs 4/2024, S. 231 - 232

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