StVG § 3 Abs. 1 S. 1; FeV § 46; FeV Nr. 9.1 Anlage 4; VwGO § 146 Abs. 4 S. 3

Leitsatz

1. Gemäß § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO muss die Beschwerde einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Dem Erfordernis eines bestimmten Antrags ist bereits dann genüge getan, wenn sich das Rechtsschutzziel aus den Gründen eindeutig ermitteln lässt.

2. Schon die einmalige und bewusste Einnahme von Betäubungsmitteln i.S.d. BtMG (außer der gelegentlichen Einnahme von Cannabis) rechtfertigt nach der vom Verordnungsgeber in Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV vorgenommenen Bewertung im Regelfall die Annahme der Ungeeignetheit. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Auch eine nur einmalige Einnahme von Betäubungsmitteln (mit Ausnahme von Cannabis) ist jedenfalls dann ausreichend, um auf die mangelnde Eignung des Betroffenen zum Führen eines Kfz zu schließen, wenn sie in Verknüpfung mit dem Straßenverkehr steht.

3. Die fahreignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt jedoch den willentlichen Konsum des korrespondierenden Betäubungsmittels voraus. Dabei sind an die Plausibilität der Einlassungen des Betroffenen erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Fahrerlaubnisinhaber muss deswegen zumindest eine nachvollziehbare Schilderung abgeben. Dies setzt voraus, dass er einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Lichte der übrigen erkennbaren Umstände glaubhaften Sachverhalt vorträgt, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt. Notwendig ist damit der Vortrag von tatsächlichen Umständen in einer solchen Breite und Tiefe, aus denen die Rekonstruktion eines Geschehensablaufs möglich wird und welche gegebenenfalls die weitere Sachaufklärung durch die übrigen Beteiligten oder das Gericht ermöglichen.

4. Steht die Nichteignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen fest, ist nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG und § 46 Abs. 1 S. 1 FeV die Fahrerlaubnis (zwingend) zu entziehen; eine Auflage regelmäßiger Drogenscreenings oder die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als milderes Mittel sieht das Gesetz in diesem Fall nicht vor. Vielmehr obliegt es der Antragstellerin, die Wiedererlangung ihrer Fahreignung nachzuweisen.

5. Ärztliche Atteste über durchgeführte Drogenscreenings sind nur dann aussagefähig, wenn sich ihnen entnehmen lässt, dass der Betroffene im Rahmen einer entsprechenden Vereinbarung aufgrund einer kurzfristigen ärztlichen Einbestellung und nicht aus eigenem Entschluss zu einem ihm günstig erscheinenden Zeitpunkt zu den Substanzentnahmen erschienen ist. (Leitsätze der Schriftleitung)

Sächsisches OVG, Beschl. v. 19.1.2024 – 6 B 70/23

1 Aus den Gründen:

“Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht schon deswegen als unzulässig zu verwerfen, weil die Antragstellerin ihre Beschwerde gegen den ihrem Rechtsanwalt am 14.4.2023 zugestellten Beschl. bis zum Ablauf der Beschwerdefrist des § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses nicht mit einem konkreten Antrag verbunden hat. Gemäß § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO muss die Beschwerde einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Die am 27.4.2023 beim VG eingelegte und gleichzeitig begründete Beschwerde enthält keinen solchen Antrag. Das Fehlen eines ausdrücklich formulierten Antrags ist jedoch ausnahmsweise unschädlich, wenn sich das Rechtsschutzziel aus der Beschwerdebegründung klar ergibt. Denn das Antragserfordernis soll den Beschwerdeführer (nur) dazu veranlassen, sein Begehren eindeutig festzulegen, und das Gericht so in die Lage versetzen, eine das Begehren erschöpfende Entscheidung zu fällen. Der Antrag muss deutlich machen, inwieweit die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses erstrebt wird. Dem Erfordernis eines bestimmten Antrags ist bereits dann genüge getan, wenn sich das Rechtsschutzziel aus den Gründen eindeutig ermitteln lässt (SächsOVG, Beschl. v. 23.11.2016 – 3 B 249/16 –, juris Rn 4; Beschl. v. 2.8.2011 – 2 B 78/11 –, juris Rn 7, Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 146 Rn 41).

Danach ist das Fehlen eines ausdrücklichen Antrags hier unschädlich. Der Beschwerdebegründung lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, dass die Antragstellerin ihr erstinstanzlich verfolgtes Begehren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 9.3.2023 angeordnete Entziehung ihrer Fahrerlaubnis im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass zwischenz...

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