Das BVerfG hat in einer begründeten Nichtannahmeentscheidung vom 16.2.2023[5] darauf hingewiesen, dass der vorläufige Entzug der elterlichen Sorge und die Anordnung von Vormundschaft gerechtfertigt sein kann, wenn der Obhutselternteil über einen längeren Zeitraum den Umgang mit dem rechtlichen Vater verhindert, in der Gesamtschau Anhaltspunkte für eine deutlich eingeschränkte Erziehungsfähigkeit dieses Elternteils bestehen und er dem Kind altersadäquate soziale Kontakte vorenthält, zumal wenn der Aufenthalt des Obhutselternteils völlig unbekannt ist und dieser sich einer Sachverhaltsaufklärung nachweislich entzogen hat.[6]

Die Stattgabe des BVerfG vom 17.11.2023[7] ist für die Praxis von Interesse, weil es in dem Verfahren um die Frage der Geeignetheit eines vollständigen Sorgerechtsentzugs geht, wenn der elterliche Hochkonflikt der getrenntlebenden Eltern zu erheblichen Beeinträchtigungen der Kinder führt. Die Kammer zeigt einmal mehr die notwendige kleinteilige Prüfungs- und Begründungspflicht der Gerichte auf, wenn es um die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung und die Verhältnismäßigkeit eines Sorgerechtsentzugs geht. Der Entscheidung lag ein nach § 1671 BGB eingeleitetes Verfahren bzgl. der 2007, 2008 und 2014 geborenen Kinder zugrunde, das nach Einholung eines Gutachtens mit einem teilweisen Sorgerechtsentzug durch das AG und einem vollständigen durch das OLG endete. Das BVerfG betont im Hinblick auf die in einer Wohngruppe lebende jüngste Tochter zunächst, dass der strenge Prüfungsmaßstab des Art. 6 Abs. 3 GG auch dann gilt, wenn die Eltern der Fremdunterbringung zugestimmt haben. Die Kammer rügt, dass es im Hinblick auf die Tochter an der hinreichend konkreten Feststellung einer Kindeswohlgefährdung mangelt. Die auf die Einschätzung des Sachverständigen und das Ergebnis der Kindesanhörung gestützte Annahme einer deutlichen Parentifizierung unter Zurückstellung der eigenen Bedürfnisse zur Entlastung des "Familiensystems" reicht hierfür nicht aus, wenn gleichzeitig eine hohe Resilienz und eine besonders positive Entwicklung festgestellt wird. Bzgl. der Söhne sei eine Kindeswohlgefährdung zwar tragfähig angenommen worden, doch lasse die Entscheidung nicht hinreichend erkennen, dass der vollständige Entzug des Sorgerechts insoweit ein zur Überwindung der Schädigung verhältnismäßiger Eingriff in das Elternrecht sei. Die Annahme, ausschließlich die Übertragung des Sorgerechts auf die Vormünder könne verhindern, dass die Eltern bei Einzelentscheidungen der elterlichen Sorge ihren Hochkonflikt auf Kosten ihrer Kinder austrügen, reiche nicht aus. Denn es werde nicht klar, warum das OLG erwarte, dass sich der Konflikt hierdurch entschärfe, wenn er sich trotz des Teilentzugs des Sorgerechts durch das AG fortgesetzt habe. Die Eignung des vollständigen Sorgerechtsentzugs sei weiter auch deshalb nicht ersichtlich, weil der Vormund trotz entsprechender Rechtsmacht nach der Entscheidung des Familiengerichts keine – für notwendige erachtete – stationäre Unterbringung der Jungen initiiert habe und damit nicht ersichtlich sei, inwieweit er als Vormund die Schädigung des Kindeswohls der Söhne abwenden könne und was er anders machen würde als die Eltern. Hier hätte das OLG – ggf. durch Einholung eines jugendpsychiatrischen Gutachtens – näher prüfen müssen, inwieweit die fachlich als erforderlich eingeschätzte Therapie auch gegen den Willen der Söhne durchgesetzt werden könne. Schließlich rügt das BVerfG die für die Entscheidung nach §§ 1666, 1666a BGB gebotene hinreichend tragfähige Tatsachengrundlage, weil das Gutachten zu § 1671 BGB und nicht zu §§ 1666, 1666a BGB eingeholt worden war.

Der 1. Familiensenat des OLG Düsseldorf hat die Beschwerde der Mutter gegen die amtsgerichtlich nach Einholung eines Sachverständigengutachtens gem. § 1666 Abs. 1, 3 Nr. 1 BGB auferlegte Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt zurückgewiesen.[8] Hintergrund des vom AG eingeleiteten Verfahrens nach § 1666 BGB war ein "gescheitertes" vom Vater eingeleitetes Umgangsverfahren aufgrund einer massiven Blockadehaltung durch die Mutter. Der Senat hat unter Bezugnahme auf das eingeholte Gutachten angenommen, es sei mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass das seelische Wohl des Kindes bei der weiteren Entwicklung der Dinge erheblich geschädigt würde. Das Kind habe während der Kontakte mit dem Vater große Freude gezeigt und habe großen Spaß gehabt. Die Mutter zeichne sich durch ihre mangelnde Fähigkeit aus, diese Belange des Kindes in einer dessen Bedürfnissen entsprechenden Weise wahrzunehmen, indem sie eine manifestierte negative Haltung mit manipulativem und instrumentalisierendem Charakter an den Tag lege. Erforderlich für die Wiederaufnahme der Umgänge und eine Abwendung der Kindeswohlgefährdung sei eine Haltungsänderung der Mutter, die durch die angeordnete Beratung und Zusammenarbeit mit dem Jugendamt erreicht werden könne.

Auflagen nach § 1666 Abs. 1, 3 BGB gegenüber den getrennt lebenden gemeinsam sorgeberechtigten Eltern...

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