Gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Zu differenzieren ist zunächst allerdings danach, ob Berufungen Altverfahren betreffen, die vor dem 1.12.2020 beim Amtsgericht anhängig wurden, oder aber Anfechtungsklagen, die seit dem 1.12.2020 rechtshängig wurden.

8.1 Übergangsrecht bei Altverfahren

Für Altverfahren, die bis zum 30.11.2020 anhängig wurden, gilt nach § 48 Abs. 5 WEG grundsätzlich das Verfahrensrecht des WEG vor Inkrafttreten des WEMoG weiter. Zunächst und grundsätzlich ist insoweit zu beachten, dass jeder einzelne unterlegene Wohnungseigentümer für sich Berufung einlegen kann. Hat etwa der klagende Wohnungseigentümer obsiegt, kann jeder der unterlegenen übrigen beklagten Wohnungseigentümer ohne Mitwirkung der übrigen unterlegenen Wohnungseigentümer Berufung einlegen.[1] Da die übrigen beklagten Wohnungseigentümer notwendige Streitgenossen nach § 62 ZPO sind, sind sie auch weiter am Berufungsverfahren beteiligt, wenn auch nicht als Rechtsmittelführer.[2] Wie bereits dargestellt, ist äußerst umstritten, ob den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz zur Beschlussfassung über eine Durchführung oder Weiterführung einer Berufung im Anfechtungsverfahren fehlt und ein dennoch gefasster Beschluss zur Weiterführung einer Berufung nichtig ist.[3]

Will der im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht unterlegene klagende Wohnungseigentümer Berufung einlegen, hat er zu beachten, dass sich die Berufung gegen sämtliche beklagten Wohnungseigentümer richten muss.[4]

[1] BGH, Beschluss v. 21.7.2015, II ZR 177/14.
[3] So AG Charlottenburg, Urteil v. 11.9.2015, 73 C 17/15; AG Erfurt, Urteil v. 19.9.2013, 2 C 46/12; a. A. LG Frankfurt a. M., Urteil v. 2.5.2019, 2-13 S 127/17; LG Düsseldorf, Urteil v. 13.4.2016, 25 S 123/14.
[4] LG Stuttgart, Urteil v. 20.3.2019, 19 S 17/18.

8.2 Anwaltszwang

Egal, ob es sich um ein Altverfahren oder ein solches handelt, das am 1.12.2020 oder danach anhängig wurde und der im Anfechtungsprozess unterlegene klagende Wohnungseigentümer Berufung einlegt oder aber die übrigen beklagten Wohnungseigentümer Berufungsführer sind bzw. die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Berufungsführerin ist, weil der klagende Wohnungseigentümer im Rechtsstreit obsiegt hat: Hat der Verwalter das Verfahren für die übrigen beklagten Wohnungseigentümer in Person geführt, ohne dass ein Rechtsanwalt die übrigen beklagten Wohnungseigentümer vertreten hat, besteht spätestens im Berufungsverfahren Anwaltszwang. Diese Erfordernis regelt die Bestimmung des § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach vor den Landgerichten Anwaltszwang herrscht.

8.3 Beschwer

So nicht bereits erstinstanzlich vor dem Amtsgericht ein Rechtsanwalt mit der Vertretung der übrigen beklagten Wohnungseigentümer bzw. der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beauftragt war, wird auch der nunmehr für das Berufungsverfahren zu beauftragende Rechtsanwalt vor Einlegung der Berufung prüfen müssen, ob die zur Einlegung der Berufung erforderliche Beschwer erreicht ist. Da die Berufung vom Amtsgericht nur in seltenen Fällen zugelassen wird, kommt es maßgeblich darauf an, dass die erforderliche Beschwer des rechtsmittelführenden Wohnungseigentümers den Schwellenwert von 600 EUR übersteigt. Ansonsten nämlich ist die Berufung unzulässig. Das Berufungsgericht darf die Berufung aber nicht allein deshalb als unzulässig verwerfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands nicht glaubhaft gemacht worden ist. Vielmehr hat es den Wert bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung aufgrund eigener Lebenserfahrung und Sachkenntnis nach freiem Ermessen zu schätzen und muss dabei den Akteninhalt von Amts wegen auswerten.[1]

Der Streitwert eines wohnungseigentumsrechtlichen Verfahrens und die Beschwer, die im Rahmen der Rechtsmittelinstanzen erreicht sein muss, stimmen nicht immer überein.

 
Praxis-Beispiel

Auf Grundlage der bis zum 30.11.2020 geltenden Rechtslage: Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung

Der Streitwert bemisst sich für den klagenden Wohnungseigentümer zunächst nach dem hälftigen Nennbetrag der Jahresabrechnung bzw. des Wirtschaftsplans, wobei die weiteren Grenzen des § 49a GKG a. F. zu beachten sind. Gewinnt der klagende Wohnungseigentümer und legen die übrigen beklagten Wohnungseigentümer Berufung ein, bemisst sich ihre Beschwer nach dem Nennbetrag der Jahresabrechnung bzw. des Wirtschaftsplans ohne den auf den klagenden Wohnungseigentümer entfallenden Anteil.

Die Wohnanlage besteht aus 75 Appartements. Nach Saldierung der Einnahmen und Ausgaben ergibt sich ein Nennbetrag der Jahresabrechnung in Höhe von 90.000 EUR. Der klagende Eigentümer ist Eigentümer von 7 Appartements. Auf diese entfallen anteilig insgesamt 8.400 EUR.

Ausgangspunkt für die Streitwertfestsetzung ist zunächst das Gesamtinteresse aller Wohnungseigentümer. Dieses beläuft sich auf 90.000 EUR. Nach der maßgeblichen Bestimmung des § 49a Abs. 1 GKG darf der Streitwert allerdings maximal auf 50 % dieses Betrags festgesetzt werden. Dies wären hier 45.00...

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