Leitsatz

Bei anonymisierten Kapitaltransfers ins Ausland setzt die Feststellung einer Steuerhinterziehung voraus, dass der jeweilige Inhaber des ins Ausland transferierten Kapitals daraus in der Folge Erträge erzielt hat, die der Besteuerung im Inland unterlagen, dass er unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung gemacht, dadurch Steuern hinterzogen und dabei vorsätzlich gehandelt hat.

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige hat als Leiter der Wertpapieradministration bei einem großen deutschen Kreditinstitut daran mitgewirkt, dass Kunden des Kreditinstituts Wertpapiere unter Verschleierung ihrer Identität nach Luxemburg und in die Schweiz transferieren konnten, um der deutschen Zinsabschlagsteuer zu entgehen.

Steuerstrafrechtliche Ermittlungen brachten zwar den Umfang des in das Ausland transferierten Vermögens zu Tage. Es gelang allerdings nicht, sämtliche dahinterstehenden Kunden namentlich zu enttarnen. Von den enttarnten Kunden hatte nahezu keiner die im Ausland erzielten Kapitalerträge in seiner Steuererklärung angegeben.

Das Finanzamt übertrug die Erkenntnisse aus der Gruppe der enttarnten Anleger auf die Gruppe der nicht enttarnten Kunden und nahm den Steuerpflichtigen für die von den nicht enttarnten Bankkunden mutmaßlich hinterzogene Einkommensteuer auf im Ausland erzielte Kapitalerträge wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung nach § 71 AO in Haftung.

Der BFH entscheidet, dass der Steuerpflichtige für die mögliche und auch wahrscheinliche, aber nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbare Steuerhinterziehung durch anonym gebliebene Bankkunden nicht nach § 71 AO haftet.

Die Haftung als Gehilfe einer Steuerhinterziehung setzt voraus, dass der Steuerschuldner die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO verwirklicht hat. Der Steuerschuldner muss eine der in § 370 Abs. 1 AO beschriebenen Tathandlungen mit Vorsatz begangen und dadurch Steuern verkürzt haben. Der Gehilfe muss dazu vorsätzlich Hilfe geleistet haben. Steuerrechtlich setzt die Haftung weiter voraus, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis noch existiert.

Allein die Tatsache des anonymen Kapitaltranfers reicht nicht aus, um eine hinreichende sichere Überzeugung davon zu gewinnen, dass die nicht enttarnten Kunden die Einkommensteuer auf im Ausland erzielte Kaptitaleinkünfte hinterzogen haben. Auch die Erkenntnisse aus der Gruppe der enttarnten Kunden können für die Gruppe der anonym gebliebenen Kunden konkrete tatsächliche Feststelungen nicht ersetzen. Das Finanzamt trägt für verbleibende tatsächliche Zweifel die Feststellungslast.

 

Hinweis

Der BFH hat ausdrücklich offen gelassen, ob eine Steuerhinterziehung unter anderen tatsächlichen Voraussetzungen auch ohne namentliche Kenntnis des Haupttäters in Betracht kommen kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 15.1.2013, VIII R 22/10.

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