1 Die politischen Weichen sind auf Nachhaltigkeit gestellt

Der Kampf gegen den Klimawandel und die Förderung nachhaltiger Entwicklung gehören derzeit zu den zentralen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Anliegen. Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wurde auf politischer Ebene die Entscheidung für mehr Nachhaltigkeit getroffen, was sich auch auf das Wirtschaftsleben auswirkt.

2 Finanzsystem kommt dabei eine Schlüsselrolle zu

Die EU-Kommission schreibt dem Finanzsystem eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung einer nachhaltigeren Wirtschaft zu. Aus diesem Grund wurde der EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen im Jahr 2018 entwickelt, der einen Katalog von zehn Maßnahmen vorsieht, um das Thema Nachhaltigkeit im Finanzsektor zu verankern.

Abbildung 6: Maßnahmenkatalog des EU-Aktionsplans

Der Aktionsplan spezifiziert eine Strategie, um die Themen Finanzen und Nachhaltigkeit zu verknüpfen. Die Ziele des EU-Aktionsplan lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen:

  1. Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen lenken,
  2. Finanzielle Risiken managen, die sich aus ökologischen und sozialen Problemen ergeben (Risikomanagement) und
  3. Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit fördern.

3 Klassifikationssystem für nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeiten (EU-Taxonomie)

Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:

  • Die Erstellung eines klaren und detaillierten EU-Klassifikationssystems für nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeiten (EU-Taxonomie).
  • Die Einführung eines EU-Labels für grüne Finanzprodukte.
  • Die Festlegung der Pflichten von Vermögensverwaltern und institutionellen Investoren in Bezug auf Nachhaltigkeit.
  • Die Stärkung der Transparenz der Unternehmen hinsichtlich ihrer Umwelt-, Sozial- und Governance-Politik (ESG), indem Berichtspflichten der Unternehmen angepasst werden.
  • Die Einführung eines "Green Supporting Factors" in die EU-Aufsichtsregeln für Banken und Versicherungen

     

    EU-Taxonomie und Bankenfinanzierung

    Die Taxonomie stellt den Rahmen für die Beurteilung von Wirtschaftstätigkeiten und soll schrittweise in die EU-Rechtsvorschriften integriert werden. Sie entfaltet für Banken direkte Auswirkungen auf die Refinanzierung über Green Bonds und ist damit mittelbar relevant für die zugrundeliegenden grünen Kredite. Sie wird somit zukünftig ein zentrales Element der Steuerung in den Banken und hat damit direkte Auswirkung auf zukünftige Finanzierungen.

    Hintergrund ist, dass die Annahme besteht, dass energieeffiziente Immobilien zu einem vergleichsweise höheren Objektwert und zu einer besseren Bedienbarkeit durch den Kreditnehmer führen. Somit stellen Kredite zur Finanzierung energieeffizienter Gebäude für Banken dank ihrer geringeren Ausfallwahrscheinlichkeit und ihres rechnerisch höheren Verwertungserlöses eine Risikominimierung dar und qualifizieren sich für eine bevorzugte Eigenkapitalunterlegung.

4 Ökologische Nachhaltigkeit steht derzeit im Fokus

Grundsätzlich umfasst der EU-Aktionsplan alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, also Ökologie, Soziales und Unternehmensführung (Governance). Aktuell konzentriert sich die Gesetzgebung nur auf das erste Kriterium, die ökologische Nachhaltigkeit. Dabei werden folgende sechs Umweltziele verfolgt:

  1. Klimaschutz,
  2. Anpassung an den Klimawandel,
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen,
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling,
  5. Vermeidung und Reduktion der Umweltverschmutzung und
  6. Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme.

5 Festlegung von Screening-Kriterien durch die TaxonomieVO

Die Europäische Kommission hat am 21.04.2021 einen ersten delegierten Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung im Hinblick auf die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel vorgelegt. Der delegierte Rechtsakt beinhaltet zwei Anhänge mit konkreten technischen Bewertungskriterien zur Bestimmung, wann eine Tätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Anhang I enthält die technischen Bewertungskriterien für das Umweltziel des Klimawandels und legt fest, wann eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Anhang II gibt die technischen Bewertungskriterien für das Umweltziel der Anpassung an den Klimawandel vor.

Die technischen Bewertungskriterien des delegierten Rechtsakts beinhalten für Immobilien insgesamt sieben Unterkategorien mit konkreten Vorgaben unter anderem für den Neubau und die Renovierung von Gebäuden sowie den Gebäudebestand.

Bau neuer Gebäude und Modernisierungsmaßnahmen

Nach dem Entwurf der EU-Kommission sollte ein Neubau nur dann einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten, wenn der Primärenergiebedarf des Gebäudes um mindestens 20 % unter dem Schwellenwert des jeweiligen nationalen Niedrigstenergiegebäudes (in Deutschland: Gebäudeenergiegesetz – GEG) gelegen hätte.

In der Praxis hätte dies bedeutet, dass mindestens ein KfW-Effizienzhausstandard 55 erreicht werden müsste, um die Anforderungen zu erfüllen. Gegenüber der EU-Kommission hatte der GdW gefordert, als Standard den Schwellenwert für Niedrigstenergiegebäude des jeweiligen Landes anzusetzen.

In der im April 2021 verabschiedeten Fassung wurde die Anforderung von 20 % auf 10 % reduziert. Dies kann als interessenpolitischer E...

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