Leitsatz (amtlich)

Hat das FA die Voraussetzungen der Durchschnittssatzgewinnermittlung aufgrund wissentlich falscher Steuererklärungen des Landwirts (hier: zu geringe Flächenangabe) bejaht, so bedarf es keiner Mitteilung über den Wegfall der Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG, um den tatsächlich erzielten Gewinn zu ermitteln.

Mit dem Bekanntwerden der tatsächlichen Verhältnisse ist das FA zur Schätzung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft befugt, so als habe es rechtzeitig von dem Wegfall der Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen Kenntnis erlangt und eine entsprechende Mitteilung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG erlassen.

 

Sachverhalt

Für die Veranlagungszeiträume 1985 bis 1989 reichten die Kläger (Eheleute) beim Finanzamt ESt-Erklärungen nebst Anlage L ein, in denen sie unter Hinweis auf § 13a EStG die vom Kläger selbst bewirtschafteten Flächen zu niedrig angaben. Das Finanzamt ermittelte unter Verwendung dieser Flächenangaben den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft jeweils antragsgemäß nach § 13a EStG und erließ entsprechende ESt-Bescheide für die Jahre 1985 bis 1989. Für das Streitjahr (1988) setzte es im Steuerbescheid vom 14.5.1990 dementsprechend die Einkünfte mit 8 928 DM an. 1996 erhielt das Finanzamt davon Kenntnis, dass der Kläger - entgegen seinen Angaben - erheblich größere Flächen bewirtschaftet hatte. Da danach der Ausgangswert nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mehr als 32 000 DM betrug, ermittelte das Finanzamt den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1988/89 nun durch eine Richtsatzschätzung. Für das Streitjahr 1988 ergab sich so ein laufender Gewinn von rd. 72 000 DM. Unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 9.12.1996 die ESt 1988 entsprechend fest. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage überwiegend statt[1]. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Das FG hat festgestellt, dass das Finanzamt erst 1996 nachträglich davon Kenntnis erhielt, dass die Kläger in den den ESt-Erklärungen 1985 bis 1989 jeweils beigefügten Anlagen L die bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzflächen unrichtig angegeben hatten. Sie waren deutlich umfangreicher als erklärt. Das Finanzamt war daher dem Grunde nach berechtigt, den angefochtenen ESt-Bescheid 1988 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen erst nachträglich bekannt gewordener Tatsachen zu ändern. Unerheblich ist, ob das Finanzamt von sich aus den Umfang der bewirtschafteten Flächen hätte ermitteln können. Denn die Kläger hätten dem Finanzamt den gesamten steuerlich relevanten Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich zur Prüfung unterbreiten müssen[2]. Das Finanzamt brauchte den eingereichten Steuererklärungen und Unterlagen nicht mit Misstrauen zu begegnen, sondern konnte mangels sich aufdrängender Zweifel von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen[3].

Unter diesen Umständen musste das Finanzamt den Gewinn des Klägers für die betreffenden Wirtschaftsjahre nicht mehr nach Durchschnittssätzen ermitteln. Zwar ist nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG der Gewinn letztmalig für das Wirtschaftsjahr nach Durchschnittssätzen zu ermitteln, das nach Bekanntgabe der Mitteilung endet, durch die die Finanzbehörde auf den Beginn der Buchführungspflicht[4] oder auf den Wegfall einer anderen Voraussetzung des Satzes 1 hingewiesen hat. § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG ist jedoch verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger sich auf die vom Gesetzgeber gewollte Schutzwirkung nicht berufen kann, wenn er das Finanzamt durch wissentlich unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung an der rechtzeitigen Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG hindert. In einem solchen Fall gebietet es der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die fehlende Mitteilung zu dem Zeitpunkt zu unterstellen, zu dem sie bei rechtzeitiger Kenntnis der maßgebenden Umstände ergangen wäre. Insoweit zeigt der Steuerpflichtige auch durch sein Verhalten, dass er des (sonst) vom Gesetzgeber gewollten Schutzes nicht bedarf. Hauptziel der Neuregelung des § 13a EStG a.F. war nämlich, innerhalb der Landwirtschaft für eine größere Steuergerechtigkeit zu sorgen, weil bisher die tatsächlichen Gewinne vor allem durch § 13a EStG a.F. nur sehr unzureichend erfasst worden waren[5]. An diesem Ziel gemessen hatte die Klarstellung des genauen Umstellungszeitpunktes auf eine andere Gewinnermittlungsart nur dienende Bedeutung.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 29.11.2001 – IV R 13/00

[2] Vgl.BFH-Urteilvom24.10.1989,VIIR1/87,BStBl II1990, S. 198 = INF 1990, S. 184
[5] Vgl. BT-Drs. 8/3673, S. 13

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