Teamdynamik: Ein Kollege steckt die anderen emotional an

Die deutsche Fußball-Nationalelf hat ein Debakel gegen Schweden erlebt. Sportpsychologen erklären sich die Unsicherheit, die sich im Team ausbreitete, mit dem Phänomen der sozialen Ansteckung - ein Effekt der auch in der Arbeitswelt auftritt. Wie das passiert, erklärt Professor Simone Kauffeld.

Haufe Online-Redaktion: Was genau versteht man unter "Sozialer Ansteckung"?

Simone Kauffeld: Wenn Menschen in einem Gespräch interagieren, können sie sich gegenseitig in ihrer Stimmung beeinflussen. Die Emotionen eines einzelnen oder einer Gruppe überträgt sich auf die anderen. Das geschieht bewusst, aber auch unbewusst und spontan über die nonverbalen Signale wie Stimme, Gesichtsausdruck und Körperhaltung. Gesprächspartner spiegeln diese Signale wider und nähern sich so gegenseitig an. Damit wird die Gesamtstimmung beeinflusst.

Haufe Online-Redaktion: Ist dies tatsächlich auch ein Effekt, der in Teams in der Arbeitswelt vorkommt – oder lässt sich dies nur für Sportteams nachweisen?

Kauffeld: Wir können dieses Phänomen zum Beispiel für das Jammern in Meetings nachweisen. Jammert ein Mitarbeiter in einer Teamsitzung, stimmen die Kollegen sehr oft ein oder stimmen ihm zumindest zu. Auf diese Weise entstehen ganze Jammerspiralen, die sogar zu nachweisbaren Produktivitätseinbußen oder weniger Innovationen führen kann.

Haufe Online-Redaktion: Wie kann man vorgehen, wenn sich eine solche soziale Ansteckung auszubreiten droht?

Kauffeld: Während einer Teamsitzung kann schon eine zielorientierte Diskussionsführung die Jammerspirale durchbrechen. Denn dann lässt man den jammernden Kollegen weniger Raum für solche Aussagen. Eine Studie konnte zudem aufzeigen, dass das Jammern in Teams zunimmt, umso mehr ältere Mitarbeiter daran beteiligt sind. Altersgemischte Teams können hier also auch Abhilfe schaffen. Und natürlich kommt es auch auf die Führungskraft im Team an: Wer es schafft, die Teammitglieder für ihre Aufgaben zu begeistern und sie zuversichtlich zu stimmen, beugt dem Jammern auch vor.

Haufe Online-Redaktion: Wenn Führungskräfte die Mitarbeiter positiv stimmen können, heißt das doch auch, dass sie die soziale Ansteckung im positiven Sinne nutzen…

Kauffeld: Genau, soziale Ansteckung kann auch erwünscht sein. Statt Jammerspiralen kann man so auch Lösungszirkel in Meetings finden.

Das Interview führte Kristina Enderle da Silva, Redakteurin Personalmagazin.

Prof. Dr. Simone Kauffeld hat den Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie an der TU Braunschweig inne und ist eine der Herausgeber des Wissenschaftsjournals PERSONALquarterly.