Fehler bei Firmenübernahmen - HR muss konfrontieren

Gerade wurde bekannt, dass Burger King die Donut-Kette Tim Hortons kaufen will. Solche Milliarden-Übernahmen sind nicht selten. Doch wie viel kostet bei umgreifenden Veränderungen die Mitarbeitermotivation und -gesundheit? Ärztin Mirriam Prieß zeigt, wie sich dabei Fehler vermeiden lassen.

Haufe Online-Redaktion: Frau Dr. Prieß, Sie begleiten Unternehmen bei Umstrukturierungen und analysieren Fehler bei Firmenübernahmen. Welches ist Ihres Erachtens der häufigste Managementfehler bei Übernahmen?

Dr. Mirriam Prieß: Die Dialogunfähigkeit des Managements. Die verantwortlichen Führungskräfte sehen ihre Mitarbeiter als Funktionen statt als das, was sie sind: Menschen. Wer seine Mitarbeiter als Funktion sieht, kommuniziert dementsprechend mit ihm. Entweder an den falschen Stellen, auf eine falsche Art und Weise oder gar nicht. Der Dialog fehlt und es wird nur über die Leute verfügt. Wer verkennt, dass er einen Mensch vor sich hat, hat automatisch eine Störung auf der Beziehungsebene hergestellt – und wenn die Beziehungsebene gestört ist, dann haben sie verloren. Dann kann selbst die beste Sache auf der Welt nicht gelingen.

Haufe Online-Redaktion: Sie sind Ärztin und Unternehmensberaterin. Inwiefern leidet die psychische und physische Gesundheit der Mitarbeiter unter diesen Fehlern?

Prieß: Massiv. Die psychosomatischen Erkrankungen in Unternehmen nehmen nach wie vor stark zu. Wenn ein System den Dialog vermeidet, dann muss es sich nicht wundern, wenn diejenigen, die in ihm leben, es entweder verlassen oder krank werden.  Wer sich übersehen und nicht gehört fühlt, der wird sich über andere Wege Gehör verschaffen – und dies kann auch der unbewusste Weg in die Krankheit sein. Dass dies für keinen der Beteiligten eine Lösung ist, ist natürlich unbestritten – dass jedoch genau darin in vielen Unternehmen mittlerweile die letzte Lösung gesucht wird – leider auch.

Haufe Online-Redaktion: Wie wirkt sich dies konkret auf Motivation und Leistung der Mitarbeiter aus?

Prieß: Wie motiviert kann jemand sein, der sich als Funktion betrachtet fühlt? Höchstens derjenige, der sich selbst als Funktion sieht und sich über Leistung definiert. Dieser wird dann sicherlich hochmotiviert und zu grenzenloser Leistung bereit sein – so lange, bis er darüber ausgebrannt ist.

Haufe Online-Redaktion: Welchen Anteil an solchen Fehlern trägt die HR-Arbeit dabei?

Prieß: Ein zentraler Anteil der Personalarbeit ist, nicht rechtzeitig hinzusehen und rechtzeitig zu reagieren. Viele Abteilungen reagieren erst, wenn der Konflikt da ist, anstatt bei der ersten Störung. Ich weiß, dass es natürlich eine hohe Herausforderung ist, die Situationen richtig einzuschätzen, wenn man nicht immer hautnah mit dabei ist. Aber ich weiß auch, dass es möglich ist.

Haufe Online-Redaktion: Wie kann HR diese Fehler von vorneherein vermeiden?

Prieß: Indem Personaler einen Blick für Störung entwickeln und dementsprechend angemessen reagieren. Was sind die ersten Warnzeichen? Eine Frage, die jeder beantworten muss. Dies setzt jedoch auch bei HR die Fähigkeit zum Dialog auf Augenhöhe voraus – und zwar sich selbst gegenüber, wie auch jeder Ebene des Unternehmens gegenüber.  Ein Personaler muss genügend eigene Stärke besitzen, sich durch die Störung um sich herum nicht verstören zu lassen, sondern die entscheidenden Stellen des Unternehmens damit deutlich und unermüdlich zu konfrontieren. Insofern sind für eine erfolgreiche Firmenübernahme nicht nur mündige und dialogfähige Führungskräfte gefragt, sondern auch mündige und dialogfähige HR’ler – die für eine genau solche Kultur im Unternehmen sorgen.

Mirriam Prieß ist Ärztin und Psychotherapeutin. Seit 2005 begleitet sie Unternehmen bei Umstrukturierungsprozessen sowie Firmenübernahmen und berät sie in Fragen des betrieblichen Gesundheitsmanagements.