Im Rahmen der Reformdiskussion zur Governance und Compliance wurden zahlreiche gesetzliche Vorschriften (in erster Linie im AktG und HGB) verschärft. Ansprüche an die Vertretungs- und Aufsichtsgremien sind seitdem deutlich gestiegen. Die durch das UMAG[1] im Jahr 2005 neu gefasste Vorschrift zur Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder im AktG lautet:

 

§ 93 AktG

(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. …

(2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast.

Neu ist seit 2005, dass den Vorständen die Beweislast auferlegt wurde. Im Streitfall müssen sie beweisen, dass sie bei ihren unternehmerischen Entscheidungen sorgfältig und gewissenhaft gehandelt haben. Gleichzeitig mit dieser Beweislastumkehr hat der Gesetzgeber – sozusagen als einen sicheren Hafen (Safe Harbor) – aus dem angelsächsischen Rechtsraum die sogenannte Business Judgment Rule übernommen.[2] Nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG liegt demgemäß eine Pflichtverletzung des Vorstands nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung "vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln".

Zweck, Einsatzbereich, Vorgehensweise und die hieraus folgenden Konsequenzen sind in folgender Übersicht zur Business Judgment Rule dargestellt:

 
Zweck Regel soll eine sichere Grundlage (Safe Harbor) für Geschäftsführung und Aufsichtsorgane bieten, dabei wird nachgewiesen, dass die anstehende Entscheidung dem Wohl der Gesellschaft dient.
Einsatzbereich Unternehmerische Entscheidungen: der Erfolg der getroffenen Entscheidung ist unsicher, Wagnisse ergeben sich aus der Einbindung der Unternehmen in den kompetitiven Markt.
Vorgehensweise Sorgfältige Vorbereitung der Entscheidung mit aussagefähigen Unterlagen, ausreichend Zeit für die Erörterung und Diskussion mit Experten, Umsetzung der Entscheidung wird überwacht, die Dokumentation der Entscheidung mit allen erörterten Unterlagen gibt den Verlauf der Diskussion und die Abstimmung wieder.

Konsequenz:

Schutz der handelnden Personen
Eine so vorbereitete Entscheidung wurde mit der erforderlichen Sorgfalt getroffen, Geschäftsführung und Aufsicht sind vor einer Haftung und einer entsprechenden Inanspruchnahme durch die Gesellschaft oder durch Dritte geschützt, die Dokumentationen der Vorbereitung und Sitzung selber können in einem möglichen Gerichtsverfahren vorgelegt werden und entlasten die handelnden Personen.
Entlastung eines Mitglieds bei Gegenstimme Ein Mitglied kann nachweisen, am Zustandekommen des fraglichen Aufsichtsratsbeschlusses entweder überhaupt nicht beteiligt gewesen zu sein oder laut Protokoll ausdrücklich dagegen gestimmt zu haben.

Diese Regel ermöglicht es Unternehmen, mit Risiko behaftete Ermessensentscheidungen mit der notwendigen Sorgfalt zu treffen. Richtschnur für alle Beteiligten ist, dass eine unternehmerische Entscheidung ausschließlich dem Wohl des Unternehmens zu dienen hat.

[1] Das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) wurde am 22.09.2005 beschlossen.
[2] Vgl. Andreas Cahn (2016) Business Judgment Rule und Rechtsfragen, Working Paper 144, Frankfurt. Vgl. Für eine ausführliche Darstellung Peter Doralt / Walter Doralt (2020) Haftung und Schadensersatz, in: Hans-Ulrich Semler / Kersten v. Schenck / Wilsing (Hrsg.) Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 5. Aufl., München, S. 912 ff.

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