Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Direktzahlung der Miete an Vermieter. kein Zahlungsanspruch des Vermieters. keine wirksame Abtretung an den Vermieter. kein Schuldbeitritt des Grundsicherungsträgers. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 14 AS 38/17 R

 

Orientierungssatz

1. Eine Direktzahlung der Wohnungsmiete an einen Vermieter nach § 22 Abs 7 SGB 2 begründet keinen Zahlungsanspruch des Vermieters gegen das Jobcenter, sondern nur eine Empfangsberechtigung.

2. Eine mietvertragliche Abtretung von Arbeitslosengeld II in Höhe der Miete an den Vermieter bedarf zu ihrer Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes nach § 53 Abs 2 Nr 2 SGB 1, der feststellt, dass die Abtretung im wohlverstandenen Interesse des Leistungsempfängers liegt.

3. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld II enthält keinen Schuldbeitritt des Jobcenters zur Pflicht des Mieters, den Mietzins an den Vermieter zu zahlen.

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anspruch eines Vermieters auf Miete gegenüber dem Jobcenter, wenn der Leistungsbezieher nach dem SGB II seine Miete nicht zahlt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.08.2018; Aktenzeichen B 14 AS 38/17 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. März 2015 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Klage-, Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger und Berufungskläger (in der Folge: Kläger) begehrt vom beklagten und berufungsbeklagten Jobcenter (in der Folge: Beklagter) die Übernahme von Mietrückständen seiner Mieter. Die Mieter hatten vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II erhalten.

Das beigeladene Ehepaar H. bezog seit 2011 vom Beklagten Arbeitslosengeld II. Beide befanden sich wegen ihrer Opiatabhängigkeit in einer Substitutionsbehandlung. Über das Vermögen des Beigeladenen wurde Anfang 2013 ein Privatinsolvenzverfahren eröffnet. Die Beigeladenen benötigten Darlehen zum Kauf von Winterbekleidung und gelegentlich Lebensmittelgutscheine.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und Vermieter mehrerer Wohnungen. Zum 15.03.2012 vermietete er eine Drei-Zimmer-Wohnung in N... an die Beigeladenen. Anlässlich des Weitergewährungsantrags vom Februar 2012 legten die Beigeladenen dem Beklagten den Mietvertrag vom 19.02.2012 vor, den sie mit dem Kläger abgeschlossen hatten. Als monatlicher Mietzins wurden 380,- € vereinbart zuzüglich Vorauszahlungen von monatlich 75,- € für Nebenkosten und 75,- € für Heizkosten (zusammen 530,- €).

Unter „§ 19 Wohngeld“ wurde im Mietvertrag folgendes vereinbart:

„Die Mieter stimmen gemäß § 28 WoGG oder einer Nachfolgebestimmung der unmittelbaren Auszahlung des Wohngeldes an Herr P. [Kläger] schon jetzt zu. Das gilt auch für eine eventuelle Hausbrandbeihilfe oder eine Mietbeihilfe des Sozialamtes und Zahlungen der Arbeitsagentur oder des Jobcenters für Miete, Heiz- und sonstige Nebenkosten. Herr P. ist berechtigt, diesen Mietvertrag den zuständigen Behörden, Agenturen usw. offen zu legen. Die Mieter haben die Abtretung von Wohngeld und/oder Mietzuschüssen, den leistenden Behörden und Einrichtungen von sich aus offen zu legen. Herr P. kann jederzeit Einsicht in die Antragsunterlagen und Bewilligungsbescheide verlangen.“

Der Beklagte überwies die Hälfte der Märzmiete und die Wohnungskaution in Höhe von 950,- € direkt an den Kläger. Der Beklagte bewilligte in der Folge für die Zeit ab 01.04.2012 bis 31.03.2014 jeweils halbjährlich Arbeitslosengeld II. In den bestandskräftigen Bewilligungsbescheiden wurde zunächst ein monatlicher Bedarf für die Wohnung von 535,56 € berücksichtigt, ab 01.04.2013 jedoch nur mehr 441,17 € als angemessener Bedarf. Einkommen wurde nicht angerechnet. Von April 2012 bis einschließlich Oktober 2012 wurden die Unterkunftskosten an die Beigeladenen ausgezahlt.

Mit Schreiben vom 17.09.2012 beantragten die Beigeladenen, die monatliche Miete von 530,- € direkt an den Kläger zu überweisen. Dem kam der Beklagte ab der Miete für November 2012 nach. Der Beklagte teilte dies den Beigeladenen mit Schreiben vom 25.09.2012 mit.

Mit Schreiben vom 27.12.2012 beantragten die Beigeladenen, dass die Miete wieder auf ihr eigenes Konto überwiesen werde. Ab 01.02.2013 wurde die Miete vom Beklagten wieder an die Beigeladenen überwiesen. Dies teilte der Beklagte den Beigeladenen mit Schreiben vom 17.01.2013 mit. Die Beigeladenen legten auf Aufforderung dem Beklagten einen Dauerauftrag zur Überweisung der Miete an den Kläger vor.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 26.02.2013 an den Beklagten. Er habe die Mieten für Januar und Februar 2013 noch nicht erhalten. Die Zahlungen für Miete und Nebenkosten seien vertraglich an ihn abgetreten worden.

Mit Schreiben vom 10.09.2013 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass rechtskräftig titulierte Mietrückstände in Höhe von 1.734,44 € zuzüglich Zinsen und Kosten sowie weitere, noch nicht titulierte Forderungen gegen die Beigeladenen bestünden. Diese würden die Miete nicht an ihn zahlen, sondern verpulvern. D...

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