Kernstück des BetrAVG ist die Regelung der sog. "Unverfallbarkeit" der Versorgungsanwartschaften. Ziel ist es, die Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers zu beschränken, die Versorgungsanwartschaft verfallen zu lassen, wenn der Arbeitnehmer vor Erreichen des Versorgungsfalls, z. B. der Altersgrenze, aus dem Unternehmen ausscheidet. Der Begriff der Anwartschaft bezeichnet dabei die Rechtsstellung des Arbeitnehmers als Vorstufe zum eigentlichen Leistungsanspruch. Mit Erteilung der Versorgungszusage entsteht automatisch eine, zunächst noch verfallbare, betriebsrentenrechtliche Anwartschaft. Erfüllt der Arbeitnehmer die gesetzlichen oder vertraglichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen, kann ihm die Anwartschaft nicht mehr durch einseitige Erklärung oder Gestaltung des Arbeitgebers insbesondere beim Ausscheiden des Arbeitnehmers genommen werden.

Für die bis Ende 2000 erteilten Zusagen wird eine Anwartschaft unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens bereits seit mindestens 10 Jahren eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung und er bei Ausscheiden bereits das 35. Lebensjahr vollendet hatte bzw. die Zusage bei mindestens 12-jähriger Betriebszugehörigkeit 3 Jahre bestand.[1] Für ab dem 1.1.2001 erteilte Zusagen tritt Unverfallbarkeit bereits nach 5-jähriger Zusagedauer und der Vollendung des 30. Lebensjahres bei Ausscheiden ein.[2] Für ab dem 1.1.2009 erteilte Zusagen tritt Unverfallbarkeit auch nach 5-jähriger Zusagedauer ein, wenn bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 25. Lebensjahr vollendet wurde. Seit dem 1.1.2018 bleibt die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls endet und der Arbeitnehmer das 21. Lebensjahr vollendet und die Versorgungszusage mindestens 3 Jahre bestanden hat.[3]

Der Beginn der Unverfallbarkeitsfrist läuft bereits mit dem Zeitpunkt der "Zusage einer Zusage", d. h. dem Versprechen des Arbeitgebers, nach einer bestimmten Betriebszugehörigkeit eine Versorgungszusage zu erteilen.[4] Bei der Berechnung der Wartezeit bis zur Unverfallbarkeit sind vorangegangene befristete und ein unmittelbar anschließendes unbefristetes Arbeitsverhältnis zusammenzurechnen.[5]

Die Berechnung der ratierlichen Höhe der Anwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden erfolgt nach § 2 BetrAVG. Dabei ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses von dessen Beginn bis zum Ausscheiden ins Verhältnis zu setzen zur möglichen Betriebszugehörigkeit vom Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen der festen Altersgrenze.[6]

Für die Anwartschaftshöhe ist die individuelle Regelaltersgrenze des Versorgungsberechtigten in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgeblich. Eine Vertrauensschutzregelung gilt für Arbeitnehmer, die bereits vor der Regelaltersgrenze die "Altersrente für besonders langjährig Versicherte"[7] in Anspruch nehmen. Für sie ist im Versorgungsfall bei der Anwartschaftsberechnung als Höchstalter das 65. Lebensjahr als rechnerischer Beginn dieser Rente anzusetzen. Unberücksichtigt bleibt der Zeitpunkt einer vorgezogenen "Rente mit 63" nach § 236b SGB VI.[8]

Im Interesse einer Aufrechterhaltung der Sicherung sind Abfindungen und Übertragungen der Anwartschaften nur in den engen Grenzen der §§ 3, 4 BetrAVG möglich.

[1] Nach BAG, Urteil v. 18.10.2005, 3 AZR 506/04 war diese Regelung verfassungs- und europarechtskonform.
[2] § 1b Abs. 1 BetrAVG; dazu BAG, Urteil v. 28.5.2013, 3 AZR 210/11: keine Alters- oder Geschlechtsdiskriminierung.
[4] Ständige Rspr. z. B. BAG, Urteil v. 22.9.2020, 3 AZR 432/19.
[6] Nach BAG, Urteil v. 19.7.2011, 3 AZR 434/09 liegt darin keine Altersdiskriminierung, weil der Arbeitgeber mit der Versorgungszusage die insgesamt erbrachte Betriebstreue honorieren will.
[7]

S. Altersrente.

[8] Ausweislich der Gesetzesbegründung zum neugefassten § 236b SGB VI und § 2 Abs. 1 BetrAVG durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz – RV-LVG) v. 23.6.2014, BGBl. 2014 I S. 787, Geltung ab 1.7.2014.

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