Verluste aus Kapitalvermögen nach Bestandskraft geltend machen

Für Verluste, für die eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird, besteht grundsätzlich eine inhaltliche Bindung an die festgesetzten Beträge. Tritt auch für die Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Bindungswirkung ein, obwohl sie nach Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich nicht mehr bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens einbezogen werden?

Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG erstreckt sich die Wirkung bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf die Besteuerungsgrundlagen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. 

Die Verlustverrechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen wird grundsätzlich vorrangig bereits durch die auszuzahlende Stelle vorgenommen (§ 43a Abs. 3 EStG). Dies gilt allerdings nur mit Einkünften, die bei der entsprechenden Bank angefallen sind. Hierfür bildet die Bank zwei Verlustverrechnungstöpfe (ein eigener für Aktien). Ein am Jahresende in einem Verrechnungstopf übrig gebliebener Verlust wird von der Bank grundsätzlich ins nächste Jahr vorgetragen.

Unterliegen Kapitaleinkünfte nicht dem Steuerabzug (z. B. ausländische Depots), kann eine Verlustverrechnung – ebenso wie eine bankübergreifende Verlustverrechnung - nur in der Einkommensteuerveranlagung erfolgen (i. d. R. im Rahmen der Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG). Die Regelungen zur Verlustberücksichtigung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung ergeben sich für die Einkünfte aus Kapitalvermögen aus § 20 Abs. 6 EStG. Danach besteht grundsätzlich ein Verrechnungsverbot für Verluste aus Kapitaleinkünften mit anderen Einkunftsarten, und zusätzlich dürfen Aktienveräußerungsverluste nur mit Aktienveräußerungsgewinnen ausgeglichen werden. Verbleibende Verluste werden gesondert festgestellt, welche dann für die Verrechnung in den Folgejahren zur Verfügung stehen.

Beispiel

A erzielte in 2015 Gewinne aus inländischen Aktienverkäufen i. H. v. 1.000 EUR. Da er bei der Bank nur 700 EUR freigestellt hatte, beantragte er im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2015 die Überprüfung des Steuereinbehalts. Die zuviel gezahlte Abgeltungssteuer (Bemessungsgrundlage anstatt 300 EUR nur noch 199 EUR, weil Sparer-Pauschbetrag 801 EUR) wurde ihm im Einkommensteuerbescheid 2015 angerechnet. Nach Bestandskraft des Steuerbescheids bemerkte A, dass er in 2015 bei einer ausländischen Bank einen Aktienverlust i. H. v. 1.500 EUR erlitten hat.

Hätte A hier den ausländischen Aktienverlust im Rahmen der Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG erklärt, hätte dies zur Folge gehabt, dass das Finanzamt 500 EUR Verlust (1.000 EUR – 1.500 EUR) gesondert festgestellt und die einbehaltene Steuer komplett zurückerstattet hätte. Da aber ein Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts - bzw. seine Änderung - regelmäßig nur bis zur Bestandskraft des Steuerbescheides gestellt werden kann (BFH, Urteil v. 28.07.2015, VIII R 50/14), ist die zuviel gezahlte Steuer verloren. Bezüglich der nachträglichen Berücksichtigung des Verlustes war das Finanzamt im Rahmen eines Verfahrens beim FG Niedersachsen der Auffassung, dass aufgrund der Bindungswirkung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG auch eine gesonderte Verlustfeststellung ausscheidet. 

Praxis-Tipp

Dies sieht das FG aber anders (Urteil v. 28.10.2015, 3 K 420/14, Haufe Index 8905769), weil es nicht um Besteuerungsgrundlagen handelt, die den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums zu Grunde gelegt worden sind. Nach dem Wortlaut des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG sei entscheidend, ob sich im Steuerbescheid eine dort festgestellte Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des verbleibenden Verlustabzug ändere.

Einkünfte aus Kapitalvermögen werden durch die Einführung der Abgeltungsteuer aber regelmäßig nur noch im Rahmen eines Antrags auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG (unter 25 %) bei der Steuerfestsetzung (allgemeiner Tarif) erfasst. Ein solcher Antrag kann im Einzelfall dazu führen, dass die Einkünfte aus § 20 EStG bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens einbezogen und dann auch Besteuerungsgrundlagen für die Steuerfestsetzung im Einkommensteuerbescheid werden. Wird aber ein Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts gestellt, enthält der Einkommensteuerbescheid zwar Angaben zur Berechnung der Abgeltungsteuer, diese Darstellung komme allerdings nach der Berechnung des zu versteuernden Einkommens und ist damit nicht bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt worden.

Dies gelte auch unabhängig davon, dass im Einkommensteuerbescheid vor der Zeile mit der festzusetzenden Steuer im Text auch die Zeile "zu versteuern nach § 32d Abs. 1 EStG" enthalten ist. Hierbei handele es sich aber nicht um eine mit Bindungswirkung ausgestaltete Festsetzung des Bescheides, sondern vielmehr um eine nachrichtliche Darstellung des Ergebnisses der Überprüfung des Steuereinbehalts. Daher kann nach Auffassung des FG eine Sperrwirkung nach § 10d Abs. 4 Satz. 4 EStG nicht eintreten, sodass hier eine Verlustfeststellung noch möglich ist. 

Gegen die Entscheidung des FG Niedersachsen läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH (Az. VIII R 40/15). Einschlägige Fälle sollten offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat. Einsprüche ruhen kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. 

Schlagworte zum Thema:  Verlust, Einkommensteuer, Kapitalertrag