Gemeinsamer Anwalt im Scheidungsverfahren – ein riskanter Irrtum

In den Medien stößt man häufig auf den Begriff des „gemeinsamen Anwalts“, der – insbesondere aus Kostengründen – beide Parteien im Scheidungsverfahren vertritt. Mandanten erliegen oft der Illusion, dies wäre eine gelungene Sparmaßnahme. Ein manchmal folgenschwerer Irrglaube…

Den gemeinsamen Anwalt gibt es nicht

Der beauftragte Anwalt ist Interessenvertreter und als solcher verpflichtet, allein und ausschließlich die Interessen seines Mandanten wahrzunehmen. Die Interessenwahrnehmung beider Eheleute im Ehescheidungsverfahren durch einen Anwalt ist nicht möglich, da in der Regel widerstreitende Interessen zwischen ihnen bestehen und nur ein Anwalt den Interessen beider nicht gerecht werden kann und darf.

 

Anwaltszwang im Ehescheidungsverfahren – gesetzliche Regelung

Im Scheidungsverfahren besteht nach § 78 II 1 Nr. 1 ZPO Anwaltszwang. Wer einen Scheidungsantrag stellen will, muss sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, dem eine besondere, auf das Verfahren gerichtete Vollmacht erteilt werden muss. Der Antragsgegner muss nicht zwingend anwaltlich vertreten sein. Die Zustimmung zum Scheidungsantrag ist vom Anwaltszwang ausgenommen. Beauftragt der Antragsgegner im Ehescheidungsverfahren keinen Anwalt, ist er nicht postulationsfähig und kann keine eigenen Anträge stellen. Er kann also weder Abweisung des Ehescheidungsantrages noch Anträge in Folgesachen stellen.

Bei Durchführung eines insgesamt einverständlichen Ehescheidungsverfahrens besteht die Möglichkeit, nur einen Anwalt zu beauftragen. Dies hat dann allerdings zur Folge, dass auch nur einer der Ehepartner anwaltlich vertreten ist. Voraussetzung für die Durchführung eines solchen Verfahrens ist, dass beide Eheleute geschieden werden wollen und sich über die Ehescheidungsfolgen gemäß § 630 ZPO geeinigt haben.

 

Einer bleibt (ganz) allein

Die anwaltliche Vertretung nur einer Partei hilft Kosten sparen, birgt aber auch erhebliche Risiken. Eine faire und den Interessen beider Parteien gerecht werdende Regelung der Ehescheidungsfolgen durch Vertrag setzt voraus, dass beide Seiten über ihre Rechte und Pflichten informiert sind und einschätzen können, welche Kompromisse sie mit dem Abschluss einer einvernehmlichen Regelung eingehen.

Ein Anwalt darf aber nur einen der Ehepartner vertreten und beraten. Auch bei grundsätzlicher Einigkeit der Ehegatten über die Scheidung spricht vieles dafür, dass jeder Ehegatte von einem eigenen Anwalt beraten wird und vertreten wird.

Die gesetzlichen Regelungen zu den Ehescheidungsfolgen sind hoch kompliziert und verschließen sich einem juristischen Laien. Es muss sichergestellt sein, dass die erzielte Einigung jedenfalls den Mindeststandards einer fairen Regelung entspricht. Dies ist nur bei anwaltlicher Vertretung beider Eheleute gewährleistet. Eine im Ehescheidungsverfahren nicht anwaltlich vertretene Partei kann im Zweifel ihre eigenen Interessen und Ansprüche nicht einschätzen und wahrnehmen bzw. geltend machen.

 

Fazit: Doppelt vertreten ist weniger riskant

Der Verzicht auf eigene anwaltliche Vertretung im Ehescheidungsverfahren stellt ein hohes Risiko dar, zumal sich hieraus langfristige negative Konsequenzen, insbesondere in der finanziellen Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten ergeben können. Die Kostenersparnis durch Verzicht auf einen eigenen Anwalt kann sich bitter rächen.

Der sachkundige Rat eines Anwalts ist in der Regel sein Geld wert. Sparen am falschen Fleck kann teuer werden. Auch bei grundsätzlicher Einigkeit der Ehegatten über die Scheidung sprechen triftige Gründe dafür, dass jeder Ehegatte von einem eigenen Anwalt beraten und vertreten wird.

Schlagworte zum Thema:  Scheidung, Familienrecht