Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtshaftung: Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Beamten durch seinen Dienstvorgesetzten
Leitsatz (amtlich)
Es stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Beamten dar, wenn bei dem Verdacht von Straftaten und Dienstvergehen dieser Verdacht den Mitarbeitern der Behörde gegenüber nicht sachlich und ausgewogen kommuniziert wird, sondern der Dienstvorgesetzte unter Verstoß gegen die Unschuldsvermutung zu erkennen gibt, dass die Vorwürfe seiner Meinung nach gerechtfertigt sind.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 34
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.000,– EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2010 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 610,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.01.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu ¼ zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist als Beamter auf Lebenszeit im Polizeivollzugsdienst der Beklagten beschäftigt. Er führt den Dienstgrad Erster Kriminalhauptkommissar und leitete bis März 2006 das Kommissariat 43 des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main, zuständig für Personenfahndung. Die Arbeitsatmosphäre dort war seit längerer Zeit angespannt. Am 10.03.2006 übergaben Mitarbeiter der Dienststelle der damaligen Polizeivizepräsidentin T. einen Ordner, der den Kläger belastendes Material im Hinblick auf mögliche strafrechtliche Verstöße wegen Betrugs und Untreue sowie Dienstpflichtverletzungen enthielt.
Der Polizeipräsident Dr. T. übersandte den Ordner am 17.03.2006 ohne vorherige Anhörung des Klägers zur Überprüfung an die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Diese leitete gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Untreue und anderer Delikte ein. Der Polizeipräsident Dr. T. leitete sodann mit Verfügung vom 24.03.2006 (Bl. 76 ff. d. A.) wegen des Verdachts schwerwiegender Dienstvergehen ein förmliches Disziplinarverfahren gem. § 29 HDO gegen den Kläger ein und ordnete die vorläufige Dienstenthebung des Klägers gem. § 83 HDO an. Das Disziplinarverfahren, welches bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Kläger ausgesetzt wurde, wurde mit Verfügung vom 17.07.2007 (Bl. 96 ff. d. A.) wegen des Vorwurfs der Gegenzeichnung eines vorgetäuschten Dienstunfalls eines Kollegen erweitert. Mit Beschluss vom 27.03.2006 (Bl. 74 f. d. A.) ordnete das Amtsgericht Frankfurt am Main die Durchsuchung der Diensträume der Kriminaldirektion bei dem Polizeipräsidium an.
Am 29.03.2006 gegen 10:00 Uhr wurde der Kläger, der an diesem Tag dienstfrei hatte, in seiner Privatwohnung über die Vorwürfe informiert. Er musste seinen Dienstausweis und seine Dienstwaffe abgeben und wurde in Anwesenheit eines Polizeipsychologen ins Polizeipräsidium Frankfurt am Main gefahren. Dort wurde dem Kläger gegen Mittag die Einleitung des Disziplinarverfahrens sowie die vorläufige Dienstenthebung eröffnet und ihm Hausverbot für die Räumlichkeiten des Polizeipräsidiums erteilt. Zuvor wurden die Beamten des Kommissariats gegen 11:30 Uhr im Rahmen einer Besprechung, bei der neben den Beamten des Kommissariats die Polizeivizepräsidentin T., Staatsanwalt K., Mitarbeiter des Hessischen Landeskriminalamtes sowie die Polizeibeamten Ba. und F. anwesend waren, von der Polizeivizepräsidentin T. über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe und die sich unmittelbar anschließende Durchsuchung der Diensträume in Kenntnis gesetzt.
Der Kläger zeigte den Vorfall vom 29.03.2006 mit Schreiben vom 21.03.2008 (Bl. 148 d. A.) als Dienstunfall an, da er eine psychische Dekompensation erlitten habe. Der Antrag auf Unfallfürsorge wurde jedoch nicht beschieden, da der Kläger einen Fragebogen nicht an die Behörde zurücksandte. Mit Schreiben vom 13.01.2011 wurde der Antrag auf Anerkennung des Dienstunfalls schließlich durch den Kläger zurück genommen.
In den Jahren 2006 und 2007 erschienen mehrere Presseberichte über die Vorwürfe gegen den Kläger und dessen Suspendierung. Insbesondere erschienen am 17.12.2007 in der „B.-Zeitung” unter dem Titel „4 neue Skandale erschüttern Polizei” mehrere Artikel, die sich mit den Vorgängen im Polizeipräsidium Frankfurt am Main befassten (Bl. 185 d. A.). Der Fall des Klägers wurde dabei unter der Überschrift „Kripo-Chef gratis zur Eintracht” behandelt. In diesem Artikel wurde der Polizeipräsident Dr. T. wie folgt zitiert: „Ja stimmt, das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten läuft. Wir haben ihm Hausverbot erteilt, die Dienstwaffe entzogen, ihn suspendiert. Zudem wurden seine Bezüge gekürzt. Daran sehen sie, dass wir die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen… Aufgrund der Vorwurfslage wäre es auch nicht optimal, wenn der alte zurückkehren würde.” In einem weiteren Artikel, welcher den Titel „Das ...