Verschiedene Tätigkeitsbereiche als Teilbetriebe einer Arztpraxis

Das FG München musste in einem Urteilsfall entscheiden, ob für den Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung einer Arztpraxis als (Teil-)Praxisveräußerung die ermäßigte Besteuerung in Betracht kommt.

Das FG entschied: Im Hinblick auf die Eigenart der selbstständigen Arbeit, insbesondere das Abstellen auf die persönliche Betätigung, kann bei Teilen einer freiberuflichen Praxis die für die Annahme von Teilbetrieben erforderliche Selbstständigkeit nur dann angenommen werden, wenn sich die freiberufliche Arbeit entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten in den Teilpraxen mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden-(Patienten-)kreisen erstreckt (1. Fallgruppe), oder bei gleichartiger Tätigkeit in den Teilpraxen in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird (2. Fallgruppe).

Veräußerung des Anteils an einer Arztpraxis 

Die Klägerin war mit einem weiteren Berufsträger im Streitjahr mit jeweils eigener Arztpraxis im Rahmen einer in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit jeweils hälftiger Beteiligung betriebenen Praxisgemeinschaft (GbR) selbstständig tätig. Die Klägerin war zusätzlich als Prüfärztin für Medikamentenstudien (Testung von noch nicht zugelassenen Medikamenten) selbstständig tätig (Prüfarzttätigkeit). Über die GbR  erfolgte der wirtschaftliche Betrieb der beiden Arztpraxen, insbesondere die Anmietung und Einrichtung der Praxisräume sowie die Einstellung des Personals.

Im Streitjahr veräußerte die Klägerin ihre Arztpraxis und ihren Hälfteanteil an der GbR an einen Berufskollegen, der die bisherige Gemeinschaftspraxis fortführte. Die Prüfarzttätigkeit der Klägerin war von den Regelungen des Veräußerungsvertrags ausdrücklich ausgenommen. Nach dem Verkauf erzielte die Klägerin

  • Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus in der vom Erwerber (weiter-)geführten Praxis Praxis als angestellte Ärztin sowie
  • Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus ihrer weiterhin in den Räumlichkeiten der GbR  ausgeübten Prüfarzttätigkeit.

Steuerermäßigung für den Veräußerungsgewinn? 

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin u.a. aus der Veräußerung ihrer Praxis einen Veräußerungsgewinn, welcher nach § 34 Abs. 3 EStG ermäßigt besteuert werden sollte. Das Finanzamt veranlagte insoweit erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte das Finanzamt u.a. zu dem Ergebnis, dass der Veräußerungsgewinn der Klägerin nicht ermäßigt gem. § 34 Abs. 3 EStG, sondern als laufender Gewinn zu besteuern sei. Die Klägerin habe zwar mit ihren jeweils selbständig ausgeübten Tätigkeiten als Ärztin sowie als Prüfärztin zwei verschiedenartige Tätigkeiten ausgeübt. Es läge im Hinblick auf die Praxis der Klägerin aber kein eigener und entsprechend steuerlich begünstigt veräußerbarer Teilbetrieb vor.

Das Finanzamt erließ insoweit einen geänderten Einkommensteuerbescheid, gegen den die Klägerin fristgerecht Einspruch erhob. Sie führte an, dass die vorliegende Veräußerung der Praxis als tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung zu beurteilen sei. Die von ihr fortgeführte Prüfarzttätigkeit stehe dem nicht entgegen, da mit der Arztpraxis bzw. der Prüfarzttätigkeit zwei wesensverschiedene und organisatorisch getrennt voneinander ausgeübte Tätigkeiten vorgelegen hätten. Den Probanden seien ihre jeweiligen Termine jeweils ausschließlich und ohne Einbindung des von der jeweiligen GbR beschäftigten Personals unmittelbar von der Klägerin bzw. der von ihr unterbeauftragten E (als „Co-Investigator”) mitgeteilt worden. Die Probanden hätten ausschließlich den ebenfalls ausschließlich für die Prüfarzttätigkeit genutzten Raum (Prüfarztzimmer) in der Praxis Klägerin genutzt und seien „teilweise” nicht auch Patienten in der Praxis Klägerin gewesen. Im Zusammenhang mit der Prüfarzttätigkeit seien die Versichertenkarten der Probanden nicht eingelesen worden.

Im Zusammenhang mit ihrer Prüfarzttätigkeit seien zwei Mitarbeiterinnen nichtselbstständig beschäftigt worden; diese seien jeweils im Zeitraum zwischen 18:00 und 24:00 Uhr tätig gewesen. Die Personalkosten im Zusammenhang mit der Prüfarzttätigkeit nichtselbstständig beschäftigten Mitarbeiterinnen seien allerdings offensichtlich bei der Praxis Klägerin verbucht worden.

Überdies habe die Klägerin jeweils getrennte Gewinnermittlungen für ihre beiden ärztlichen Tätigkeiten durchgeführt. Hierbei sei allerdings zu beachten, dass im Gegensatz zu den Betriebseinnahmen hinsichtlich der Betriebsausgaben es nicht mehr möglich sei, eine nachvollziehbare Zuordnung zu der Arztpraxis einerseits und der Prüfarzttätigkeit andererseits zu dokumentieren; dies gelte auch im Hinblick auf die Zahlung der durch die Prüfarzttätigkeit verursachten – geringen – Betriebsausgaben. Trotz dieser „Nachweisprobleme auf der Betriebsausgabenseite lägen für beide Tätigkeiten separat erstellte Gewinnermittlungen vor. Im Übrigen handele es sich bei den Probanden und dem Patientenstamm Klägerin wesensverschiedene und ohne weiteres voneinander zu trennende Personengruppen.

Der Einspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt verwies in der Einspruchsbegründung im Wesentlichen darauf, dass die Veräußerung der Praxis der Klägerin nicht die Voraussetzungen einer lediglich nach dem ermäßigten Steuersatz zu besteuernden Teilbetriebsveräußerung erfüllen würde. Zwar handele es sich bei der Azttätigkeit der Klägerin bzw. ihrer Prüfarzttätigkeit um wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten, es lägen jedoch weder unterschiedliche Kunden-(Patienten)kreise noch organisatorisch selbstständige Teilpraxen vor. Getrennte Gewinnermittlungen für ihre Prüfarzttätigkeit habe die Klägerin im Hinblick auf die jeweiligen Betriebsausgaben nicht vorgenommen. So seien etwa die auf das für ihre Prüfarzttätigkeit genutzte Zimmer in den von der GbR angemieteten Räumlichkeiten entfallenden Aufwendungen für Miete, Reinigung und Unterhalt als wesentlicher Kostenfaktor nicht als Betriebsausgaben erfasst worden, ebenso wenig die für die Mitarbeiterinnen angefallenen Lohnkosten.

Gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung wurde Klage erhoben. Die zulässige Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. 

Prüfarzttätigkeit der Klägerin 

Die im Streitfall zu beurteilende Veräußerung erfüllt nicht die Tatbestandsvoraussetzungen der Veräußerung eines Vermögens in Gestalt eines ganzen Betriebes (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2-4 EStG sowie § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG), weil die Klägerin nicht ihre gesamte – bis zu diesem Zeitpunkt in Gestalt sowohl der Arzttätigkeit als auch der Prüfarzttätigkeit ausgeübte – freiberufliche Tätigkeit in vollem Umfang aufgegeben hat. Vielmehr hatte sie die von ihr auch ausgeübte Prüfarzttätigkeit im Veräußerungsvertrag ausdrücklich ausgenommen und sich somit deren weitere Ausübung ausweislich auch des tatsächlichen weiteren Ablaufes vorbehalten. Die von der Klägerin nicht aufgegebene Prüfarzttätigkeit sei nach der Überzeugung des Gerichts auch nicht unwesentlich i.S. der Rechtsprechung des BFH. Aus der von  der Klägerin aus der über den Verkaufszeitpunkt hinaus fortgeführten Prüfarzttätigkeit erzielte sie deutlich mehr als 10 % ihrer jeweiligen Jahreseinnahmen.

Voraussetzung für eine ermäßigt zu besteuernde Veräußerung liegt nicht vor 

Die Veräußerung und Übertragung der Praxis Klägerin erfüllt auch nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für eine lediglich ermäßigt zu besteuernde Veräußerung eines Teilbetriebes. Eine solche Teilpraxisveräußerung bzw. -aufgabe setzt nach der Auffassung des Gerichts in Anlehnung an den Begriff des Teilbetriebs i.S.d.  § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG einen mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten, organisatorisch in sich geschlossenen und für sich lebensfähigen Teil der Gesamtpraxis voraus. Dabei kann im Hinblick auf die Eigenart der selbstständigen Arbeit, insbesondere das Abstellen auf die persönliche Betätigung bei Teilen einer freiberuflichen Praxis, die erforderliche Selbstständigkeit nur dann angenommen werden, wenn sich die freiberufliche Arbeit (vgl. BFH, Urteil v. 4.11.2004, IV R 17/03, BStBl 2005 II S. 208)

  • entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten in den Teilpraxen mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden-(Patienten-)kreisen erstreckt (1. Fallgruppe),
  • oder bei gleichartiger Tätigkeit in den Teilpraxen in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird (2. Fallgruppe).

Wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten 

Übt ein Freiberufler zwei wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten aus (1. Fallgruppe), setzt die Annahme zweier Teilpraxen auch das Vorliegen einer gewissen organisatorischen Verselbständigung der verschiedenen Praxisteile voraus. Die Ausübung wesensmäßig unterschiedlicher Tätigkeiten indiziert nicht schon alleine das Vorliegen organisatorisch selbständiger Praxisteile. Auch insoweit bedarf es jedenfalls einer gewissen organisatorischen Verselbständigung der verschiedenen Praxisteile. Ob ein Betriebs- bzw. Praxisteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse – beim Veräußerer/Aufgebenden – zu entscheiden. Bei dieser Gesamtwürdigung sind die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Abgrenzungsmerkmale – z.B.

  • räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, 
  • eigener Wirkungskreis, 
  • gesonderte Buchführung, 
  • eigenes Personal, 
  • eigene Verwaltung, 
  • eigenes Anlagevermögen, 
  • ungleichartige betriebliche Tätigkeit, 
  • eigener Kundenstamm und 
  • eine die Eigenständigkeit ermöglichende interne Organisation – zu beachten. 

Diese Merkmale brauchen zwar nicht sämtlich vorzuliegen, der Teilbetrieb erfordert allerdings eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb (vgl. BFH, Urteil v. 22.10.2015, IV R 17/12, BFH/NV 2016 S. 209, zu Gewerbebetrieb). Die von der Klägerin in der Praxis der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Ärztin erfüllt nach der Überzeugung des Gerichts nicht die vorbeschriebenen Voraussetzungen für einen entsprechenden Teilbetrieb. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Veräußerungsvertrages bestanden nicht zwei von der Klägerin im Rahmen ihrer gesamten selbständigen Arbeit betriebene Teilpraxen.

Zwar handelt es sich bei den beiden Tätigkeiten der Klägerin um zwei (insoweit unstreitig) wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten. Diese beiden Tätigkeiten betrafen auch jeweils unterschiedliche Kunden-(Patienten-)Kreise, zum einen die Patienten der Praxis Klägerin und zum anderen die Studienauftraggeber. Die somit im Streitfall vorliegenden wesensmäßig unterschiedlichen Tätigkeiten indizieren jedoch nicht das Vorliegen organisatorisch selbständiger Praxisteile, weil  

  • weder im Hinblick auf die Zuordnung der Betriebsausgaben Artpraxis und Prüfarztpraxis getrennte Gewinnermittlungen durchgeführt worden sind,
  • noch sonstige Umstände die organisatorische Selbstständigkeit der beiden Teilbereiche hinreichend deutlich machen.

Darüber hinaus steht der Annahme einer organisatorischen Verselbstständigung der beiden dargelegten, von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten entgegen, dass die Patientenkartei Klägerin

  • nicht nur wesentliche Betriebsgrundlage ihrer Arzttätigkeit war, sondern
  • ersichtlich auch eine vergleichbar maßgebliche Bedeutung für ihre Prüfarzttätigkeit hatte.

Revision beim BFH 

Gegen die Nichtzulassung der Revision wurde Beschwerde eingelegt. Der BFH hat mittlerweile das Verfahren zur Entscheidung angenommen. Es wird unter dem Az. beim BFH VIII R 36/18 geführt. In einschlägigen Fällen sollten die Verfahren unter Hinweis auf das Urteil offen gehalten werden.

Im Übrigen liegt das Besprechungsurteil auf der bisher vom BFH propagierten Rechtsprechungslinie (BFH, Urteil v. 4.11.2004, IV R 17/03, BStBl 2005 II S. 208). Hieraus folgt für die Praxis, in welcher die Veräußerung von Praxisteilen und die Anerkennung von Teilpraxen angestrebt wird, im Vorfeld auf eine nachvollziehbare organisatorische Trennung der Teilbereiche zu achten ist. Hierbei kommt insbesondere der buchmäßigen Trennung eine besondere Bedeutung zu, weil das ein besonders augenfälliges Indiz für Teilpraxen darstellt.

FG München, Urteil v. 29.11.2017, 1 K 311/16, Haufe Index 12852028

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