Haftung für Umsatzsteuer beim Handel mit Waren im Internet

Zur Verminderung des Umsatzsteuerausfalls, der sich bei Lieferungen über elektronische Marktplätze im Internet ergeben soll, ist eine neue Haftungsregelung für die Betreiber solcher Marktplätze in das Gesetz aufgenommen worden. Verbunden ist dies mit neuen Aufzeichnungsvorschriften. Die Finanzverwaltung nimmt ausführlich zu den neuen Regelungen Stellung.

Die rechtliche Problematik

Über elektronische Marktplätze werden immer mehr Umsätze auch durch ausländische Unternehmer ausgeführt. Um das Steuerausfallrisiko zu verringern, sind zum 01.01.2019 (Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel von Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl 2018 I S. 2338) neue Aufzeichnungsvorschriften und Haftungsregelungen für die Betreiber solcher elektronischer Marktplätze aufgenommen worden.

Wichtig: Ein elektronischer Marktplatz ist eine Website oder jedes andere Instrument, mit dessen Hilfe Informationen über das Internet zur Verfügung gestellt werden, die es einem Dritten, der nicht Betreiber des Marktplatzes ist, ermöglicht, Umsätze auszuführen (§ 25e Abs. 5 UStG).

Zentrale Punkte sind Aufzeichnungsvorschriften für die Betreiber der Marktplätze und – in der Folge dessen – Haftungsvorschriften für die Betreiber der Marktplätze:

  • In der Neuregelung des § 22f UStG werden die Betreiber der elektronischen Marktplätze verpflichtet, persönliche Daten der Unternehmer aufzuzeichnen, wenn die Lieferung im Inland steuerbar ist. Zu diesen Aufzeichnungen gehört auch eine neue Bescheinigung, in der die Finanzverwaltung dem Unternehmer die steuerliche Registrierung bestätigt (derzeit – bis ein elektronisches Abrufverfahren eingeführt ist – ist es das Formular USt 1 TI, BMF, Schreiben v. 17.12.2018, BStBl 2018 I S. 1432). Ist der Händler kein Unternehmer, muss der Marktplatzbetreiber zusätzlich das Geburtsdatum aufzeichnen.
  • In § 25e UStG ist eine neue Haftungsnorm für Betreiber solcher elektronischen Marktplätze für die nicht abgeführte Umsatzsteuer der Händler eingeführt worden. Die Haftung entfällt, wenn der Marktplatzbetreiber seinen Aufzeichnungspflichten nach § 22f UStG nachgekommen ist. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn Marktplatzbetreiber die Bescheinigung der Finanzverwaltung über die steuerliche Registrierung des Händlers vorliegen haben, es sei denn, sie wussten oder hätten wissen müssen, dass der leistende Unternehmer seinen steuerlichen Pflichten nicht nachkommt.

Die Finanzverwaltung hat ausführlich zu den neuen Regelungen für die Betreiber elektronischer Marktplätze Stellung genommen.

Wichtig: Die neuen Regelungen gelten nur dann, wenn es über den Marktplatz auch zum Abschluss des für die Lieferung relevanten Kaufvertrags kommt. Werden über den Marktplatz nur Informationen (sog. Vermittlungsmarktplatz; "Schwarzes Brett") ausgetauscht und kommt der Kaufvertrag auf anderem Wege zustande, gelten diese Regelungen nicht.

Zu den Aufzeichnungsvorschriften

Die Finanzverwaltung nimmt in dem Anwendungsschreiben zuerst ausführlich zu den Aufzeichnungsvorschriften Stellung.

Wichtig: Die Aufzeichnungsvorschriften betreffen die Betreiber der elektronischen Marktplätze für die über seinen Marktplatz tätigen Unternehmer, die im Rahmen ihres Unternehmens Lieferungen ausführen, die auf dem Marktplatz rechtlich begründet werden und bei denen die Beförderung oder Versendung im Inland beginnt oder endet. Nicht Voraussetzung für die Aufzeichnungsvorschriften ist, dass es zu einem steuerbaren Umsatz im Inland kommen muss. Eine Lieferung liegt nicht vor, wenn der Lieferempfänger die Ware nicht annimmt bzw. in der ihm gewährten Frist zurücksendet (Rückgabe).

Der Marktplatzbetreiber muss die folgenden Daten aufzeichnen und entsprechend der verfahrensrechtlichen Grundsätze (§ 147 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 AO) 10 Jahre aufbewahren:

  1. den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des liefernden Unternehmers unter der dieser im Inland steuerlich erfasst ist oder die er im Antrag auf steuerliche Erfassung angegeben hat;
  2. die dem liefernden Unternehmer von dem nach § 21 AO zuständigen Finanzamt erteilte Steuernummer;
  3. (soweit vorhanden) die vom BZSt erteilte USt-IdNr.;
  4. Beginn und Enddatum der Gültigkeit der nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG vom zuständigen Finanzamt erteilten Bescheinigung – USt 1 TI – über die steuerliche Erfassung des Unternehmers;
  5. Ort (vollständige Anschrift) des Beginns der Beförderung oder Versendung (richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen des UStG, insbesondere § 3 Abs. 5a - 8 UStG) sowie den Bestimmungsort;
  6. Zeitpunkt des Umsatzes (regelmäßig die Ausführung der Lieferung, also Beginn der Warenbewegung);
  7. Höhe des Umsatzes (regelmäßig das Entgelt nach § 10 Abs. 1 UStG unter Berücksichtigung von Entgeltsminderungen wie Rabatten, Skonti u.ä.).

Die unter 1. bis 4. a) aufgeführten Daten müssen durch eine gültige Bescheinigung USt 1 TI über die umsatzsteuerrechtliche Erfassung geführt werden.

Registriert sich der Verkäufer auf dem elektronischen Marktplatz nicht als Unternehmer, sind die relevanten Daten (vgl. oben: 1. sowie 5. bis 7.) entsprechend aufzuzeichnen, zusätzlich aber auch noch das Geburtsdatum. Als Anschrift ist die Wohn- bzw. Meldeadresse aufzuzeichnen.

Zum Bescheinigungsverfahren

Im zweiten Hauptteil nimmt die Finanzverwaltung zu Einzelfragen des Bescheinigungsverfahrens Stellung.

Zur Erteilung der Bescheinigung USt 1 TI verweist die Finanzverwaltung auf ihr separates Schreiben v. 17.12.2018. Die Bescheinigung dient ausschließlich dem Nachweis der umsatzsteuerrechtlichen Erfassung. Die steuerliche Zuverlässigkeit ist nicht Gegenstand des Bescheinigungsverfahrens.

Führt der Unternehmer über den elektronischen Marktplatz keine in Deutschland steuerbaren Umsätze aus und ist deshalb keine steuerliche Erfassung notwendig, ist auch keine Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG erforderlich. Hier kommen insbesondere folgenden Fälle in Betracht:

  • Unternehmer liefern Ware an Nichtunternehmer im Inland, bei denen die Beförderung oder Versendung in einem anderen Mitgliedstaat beginnt und die Händler überschreiten nicht die deutsche Lieferschwelle (§ 3c Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UStG i. H. v. 100.000 EUR) und haben auch nicht auf die Anwendung dieser Regelung (§ 3c Abs. 4 UStG) verzichtet. Zum Nachweis kann der Marktplatzbetreiber die (ausländische) USt-IdNr. des Händlers aufzeichnen oder eine Eigenbestätigung des Händlers aufbewahren. Auf Antrag wird jedoch auch in diesen Fällen eine Bescheinigung nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG erteilt, wenn der Unternehmer im Inland steuerlich erfasst ist.
  • Unternehmer liefern (ausschließlich) Ware an Kunden im Inland, bei denen die Warenbewegung im Drittlandsgebiet beginnt und sich der Ort der Lieferung auch nicht nach § 3 Abs. 8 UStG in das Inland verlagert. Auch hier muss ein Nachweis (z. B. eine Eigenbestätigung des Händlers) aufbewahrt werden. Hinweis: Der Ort der Lieferung verlagert sich in das Inland, wenn der Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der bei der Einfuhr entstehenden Einfuhrumsatzsteuer ist.

Die Finanzverwaltung gibt auch noch weitere Grundsätze zur Erteilung der Bescheinigung USt 1 TI in dem Schreiben bekannt:

  • Auch Kleinunternehmer erhalten bei umsatzsteuerrechtlicher Registrierung im Inland eine solche Bescheinigung.
  • Unabhängig, über wie viele Marktplätze der Händler Waren veräußern möchte, erhält er nur eine Bescheinigung USt 1 TI. Diese kann er in ein elektronisches Format überführen und den Marktplatzbetreibern weiterleiten.
  • Ist eine Bescheinigung USt 1 TI verloren gegangen, wird dem Unternehmer eine Ersatzbescheinigung erteilt.
  • Bei Änderung der persönlichen Daten (z. B. Anschrift) wird dem Unternehmer eine neue Bescheinigung erteilt.
  • Hat ein Marktplatzbetreiber Zweifel an der Echtheit einer von einem Händler vorgelegten Bescheinigung, hat das in der Bescheinigung genannte Finanzamt dem Marktplatzbetreiber Auskunft über die Gültigkeit der Bescheinigung zu erteilen.

Unternehmer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR müssen spätestens mit Stellen des Antrags auf Erteilung der Bescheinigung USt 1 TI nach § 21 AO einen inländischen Empfangsbevollmächtigten benennen. Die Finanzverwaltung stellt klar, dass der Empfangsbevollmächtigte nicht zu den in § 3 StBerG aufgeführten Personen gehören muss. Wichtig: Wird kein Empfangsbevollmächtigter benannt, erteilt die Finanzverwaltung keine Bescheinigung USt 1 TI.

Zur Haftung des Marktplatzbetreibers

Im 3. Hauptteil nimmt die Finanzverwaltung zu Einzelfragen der Haftung des Marktplatzbetreibers Stellung. 

Wichtig: Die Aufzeichnungsvorschriften nach § 22f UStG setzen keinen im Inland steuerbaren Umsatz voraus. Damit ein Marktplatzbetreiber aber in die Haftung nach § 25e UStG hineinkommt, muss ein im Inland steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz des Händlers vorliegen.

Der Haftungsanspruch gegen den Marktplatzbetreiber setzt voraus, dass die Lieferung über den Marktplatz rechtlich begründet wurde. Eine Lieferung gilt als auf einem elektronischen Marktplatz rechtlich begründet, wenn der Kaufvertrag mit Hilfe eines automatisierten Bestellvorgangs zustande gekommen ist, der auf dem elektronischen Marktplatz durchgeführt wurde.

Die Finanzverwaltung stellt in ihrem Schreiben die sich auch aus dem Gesetz ergebenden Grundsätze zur Haftung des Marktplatzbetreibers dar. Danach gilt insbesondere:

  • Grundsätzlich haftet der Marktplatzbetreiber nicht, wenn er eine gültige Bescheinigung USt 1 TI des Händlers hat. Liegt keine Bescheinigung vor, kommt die Haftung immer in Betracht.
  • Hat der Marktplatzbetreiber Kenntnis – oder hätte er Kenntnis haben müssen –, dass der Händler seinen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, kommt die Haftung auch bei Vorlage der Bescheinigung UST 1 TI in Betracht. Der Betreiber des elektronischen Marktplatzes haftet allerdings nicht, wenn er den auf seinem Marktplatz tätigen Unternehmer auf die Pflichtverletzung hinweist und ihn auffordert, diese innerhalb einer Frist (längstens 2 Monate) abzustellen und der Unternehmer dieser Aufforderung nachkommt. Ansonsten muss der Marktplatzbetreiber zur Abwendung der Haftung den Händler nach 2 Monaten vom Handel über diese Plattform ausschließen. Ein aktives Ausforschen ist nicht erforderlich. Das Kennenmüssen bezieht sich lediglich auf Sachverhalte, die dem Betreiber im Rahmen seines eigenen Unternehmens bekannt werden und auf eine umsatzsteuerliche Pflichtverletzung schlussfolgern lassen .Die Grundsätze gelten entsprechend für die Frage der Ausführung der Umsätze im Rahmen des Unternehmens, der Überschreitung der Lieferschwelle (§ 3c Abs. 3 UStG) sowie der Verlagerung des Orts der Lieferung in das Inland.
  • Hat sich der Händler auf dem elektronischen Marktplatz nicht als Unternehmer registriert tritt grundsätzlich keine Haftung des Marktplatzbetreibers ein, wenn er seinen Aufzeichnungsverpflichtungen nachkommt. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Marktplatzbetreiber wusste oder hätte wissen müssen, dass die Registrierung als Nichtunternehmer zu Unrecht erfolgt ist.

Wichtig: Bei der Beurteilung sind nur die Tätigkeiten auf dem eigenen Marktplatz zu berücksichtigen. Zwar ist nicht alleine auf die Höhe eines Umsatzes abzustellen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist aber ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass die Registrierung als Nichtunternehmer zu Unrecht erfolgte, wenn auf dem Marktplatz ein Umsatz von mehr als 17.500 EUR (entspricht der Grenze für Kleinunternehmer nach § 19 UStG) innerhalb eines Kalenderjahrs erreicht wird. Gleiches gilt auch, wenn der Händler versichert hat, die deutsche Lieferschwelle  nicht zu überschreiten und dann die Umsätze diese Grenze überschreiten.

Im Falle der Haftung ist der Marktplatzbetreiber zuerst anzuhören (§ 91 Abs. 1 Satz 1 AO). Für den Erlass des Haftungsbescheids ist das für den liefernden Unternehmer zuständige Finanzamt verantwortlich (§ 25e Abs. 7 UStG i. V. m. § 21 AO). Diesem Finanzamt obliegt auch die Darlegungs- und Feststellungslast für die für die Haftung relevanten Grundlagen. 

Liegen der Finanzverwaltung Informationen vor, dass der Händler seinen umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann das zuständige Finanzamt den Marktplatzbetreiber informieren (Offenbarungsbefugnis). Dem Marktplatzbetreiber ist dabei eine Frist einzuräumen, in der er auf den Händler einwirken kann, seinen Verpflichtungen nachzukommen oder er ihn von einem weiteren Handel über seinen elektronischen Marktplatz ausschließen kann.

Wichtig: Bei Nachweis der Sperrung des Händlers innerhalb der gesetzten Frist entfällt die Haftung des Marktplatzbetreibers. Wird der Nachweis vom Marktplatzbetreiber nicht in der gesetzten Frist erbracht, haftet er für die entstandene und nicht entrichtete Umsatzsteuer aus Umsätzen auf seinem Marktplatz, bei denen das Rechtsgeschäft nach Zustellung der Mitteilung vom Finanzamt abgeschlossen wurde (§ 25e Abs. 4 Satz 2 UStG).

Anwendungsgrundsätze

Die neuen Regelungen sind grundsätzlich zum 01.01.2019 in Kraft getreten. Die Haftungsregelungen gelten nach § 27 Abs. 25 UStG für im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer aber erst für Umsätze ab dem 01.03.2019 und für die anderen Unternehmer ab dem 01.10.2019. Aus Vereinfachungsgründen regelt die Finanzverwaltung, dass es nicht beanstandet wird, wenn auch die Aufzeichnungsvorschriften (die eigentlich schon ab dem 01.01.2019 gelten würden) erst ab diesen Zeitpunkten angewendet werden.

Konsequenzen für die Praxis

Erfreulich ist, dass die Finanzverwaltung zeitnah zum Inkrafttreten der neuen Regelungen und rechtzeitig vor der Anwendung der Haftungsregelungen mit einem umfangreichen Schreiben Stellung zu den einzelnen Rechtsfolgen nimmt. Im Wesentlichen werden die gesetzlichen Grundlagen dargestellt. Teilweise werden aber auch Hinweise zur Umsetzung – zumindest aus Sicht der Finanzverwaltung – gegeben.

Insbesondere ist zu beachten, dass die Aufzeichnungsvorschriften unabhängig von einer sich tatsächlich ergebenden Steuerschuld des Händlers vom Marktplatzbetreiber zu beachten sind, während die Haftungsregelung eine tatsächliche Steuerschuld voraussetzt. Allerdings kann ein Verstoß gegen die Aufzeichnungsvorschriften als Ordnungswidrigkeit (§ 379 AO) geahndet werden – unabhängig davon, ob es zu einem Haftungsfall kommt.

BMF, Schreiben v. 28.1.2019, III C 5 - S 7420/19/10002 :002

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