Kostenrechnung und Transferpreisbildung ohne komplexe ILV

Ein absoluter Verzicht auf die interne Leistungsverrechnung (ILV) geht auch nicht. Irgendwie müssen die Kosten ja in der Kostenträgerrechnung, der Bestandsbewertung und den Inter-Company-Verrechnungspreisen landen. Helmut Willmann erläutert, mit welchen Kniffen die Transparenz und die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden konnten.

Helmut Willmann

Leiter Corporate Unit Controlling Services des SICK-Konzerns und stv. Leiter des Arbeitskreises Südwest im Internationalen Controller Verein. Er ist Experte für Planung und Budgetierung und hat u.a. im ICV-Facharbeitskreis Moderne Budgetierung mitgewirkt.

Der SICK-Konzern

Das 1946 gegründete Unternehmen ist mit über 50 Tochtergesellschaften und Beteiligungen sowie zahlreichen Vertretungen rund um den Globus präsent. Im Geschäftsjahr 2018 beschäftigte SICK knapp 10.000 Mitarbeiter weltweit und erzielte einen Konzernumsatz von rund 1,6 Mrd. Euro. Von der Fabrik- über die Logistikautomation bis zur Prozessautomation zählt SICK zu den führenden Herstellern von Sensoren.

Das Interview führte Günther Lehmann, Chefredakteur Controlling bei Haufe

Teil 1: Warum ein erfolgreicher Mittelständler die ILV abschafft

Veränderung bei der ILV innerhalb eines Unternehmens/einer legalen Einheit

Nehmen wir die SICK AG als größtes Unternehmen. Wie sah die ILV dort bisher aus? Welche Verrechnungen gab es in Plan und Ist?

Die rechtliche Einheit SICK AG ist sozusagen das „Stammhaus“ des Konzerns. Hier haben alle globalen Managementeinheiten sowie deren Shared Service-Funktionen ihre Heimat. Ein großer Anteil von Shared Service-Funktionen waren in der IT, HR, R&D, Produktion, Facility Management, Finance & Controlling (FICO), Logistik/Zoll und Auftragsabwicklung gebündelt. Die Shared Service-Einheiten hatten einen Leistungskatalog mit Verrechnungspreisen. Bei Inanspruchnahme einer Leistung gab es eine Verrechnung auf Basis von Menge und Preis. Ein internes „Kunden-Lieferantenverhältnis“ war von hoher Bedeutung. Es wurden bewusst keine Kostenumlagen eingesetzt. Notwendige Konzernfunktionen wurden nicht verrechnet. Der Empfänger einer internen Leistung hatte die Möglichkeit im Rahmen der Planung oder im Rahmen der unterjährigen Inanspruchnahme auf die Kosten einzuwirken. Die Leistungen und Preise wurden im Budget-Prozess jährlich geplant. Die Planpreise wurden in der Ist-Verrechnung als Standardpreise verwendet. In der Kalkulation der Verrechnungspreise waren primäre sowie sekundäre (ILV) Kostenbestandteile enthalten.

Wie hat sich die ILV in der Kostenträgerrechnung gezeigt?

In den Stundensätzen der Produktion waren bei der bisherigen Art der Verrechnung alle ILV-Bestandteile enthalten. Diese waren dadurch Basis für die Produktkalkulation und somit auch Grundlage für die Bewertung der Bestände und Werteflüsse. In den Herstellkosten war die ILV in den Produktionskosten (Arbeitszeit x Stundensatz auf Vollkostenbasis) enthalten. Auch außerhalb der Produktion waren die ILV-Bestandteile über die Stundensätze in den Projekt-und Auftragskosten enthalten.

Und welcher Abstimmungsaufwand zwischen den Bereichsverantwortlichen entstand dadurch?

Die Leistungserbringer hatten ihre gesamte Kostenstruktur in den Tarifen berücksichtigt. Bei Veränderungen der Tarife (Verrechnungspreise) und Leistungsmengen musste dies entsprechend mit den Empfängern abgestimmt werden. Daher gab es oft Diskussionen hinsichtlich Tarifhöhe und der Verrechnungsmethode. Die Problematik bestand darin, dass eine hohe Gerechtigkeit und Akzeptanz der ILV zwangläufig zu komplexen Verrechnungsprozessen führt. Gerade die komplexen Prozesse führten wieder zu Diskussionen, Kritik und es kamen weitere Fragen hoch wie: „Warum ist dieser Aufwand in einem internen Konzernverbund notwendig, das fördert doch das Silodenken?“ Oder: „Verursachen wir damit in Summe nicht mehr Kosten im Vergleich zum Nutzen?“

Wie sieht die Kostenträgerrechnung jetzt aus?

Da die Kostenträgerrechnung auch Basis für die legale Bestandsbewertung der Produkte ist, musste aufgrund der fehlenden ILV in den Produktionstarifen ein Ersatzelement geschaffen werden. Dies wurde über einen separaten Fertigungsgemeinkostenzuschlag in der Produktkalkulation kompensiert. Dieses zusätzliche Element hatten wir zunächst als Nachteil klassifiziert, in Summe ist aber ein Transparenzgewinn, da nun die direkten Produktionskosten von den indirekten Verrechnungen getrennt wurden. Die Manager der Produktion sind fokussiert auf die eigenen Kostenbestandteile. Für operative Entscheidungen haben wir nun keine Abhängigkeit von Kosten aus den indirekten Bereichen. Für strategische Entscheidungen über „Make or Buy“, Investitionen oder Verlagerungen von Produktlinien im Konzernverbund werden weiterhin die notwendigen Kosten (Gebäude, Infrastruktur, etc.) über die Total-Cost of Ownership-Rechnung (TCO) berücksichtigt.

Veränderung bei der ILV zwischen zwei legalen Einheiten des SICK-Konzerns

Wie verlief die Verrechnungspreisbildung bisher für Produkte, Services, Lizenzen etc. zwischen zwei Unternehmen?

Bei Intercompany Verrechnungen müssen legale Anforderungen berücksichtigt werden. Daher wurden früher und sind auch jetzt (nach RICS) alle notwendigen Kostenbestandteile und ein notwendiger Gewinnzuschlag in den Leistungstarifen berücksichtigt.

Früher gab es keinen Unterschied hinsichtlich IC-Preisbildung und Verrechnungsprozess zwischen internen Dienstleistungen (Shared Services) und dem Kerngeschäft von SICK.   

Wie sieht die Verrechnung jetzt aus? Wie werden die steuerrechtlichen Anforderungen an die VP-Bildung weiterhin erfüllt?

Mit RICS verwenden wir bei IC-Verrechnung das von der OECD in 2015 vorgeschlagene, vereinfachte Verfahren für „Low-value-adding Services“. Damit sind Leistungen gemeint, die nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens zählen. Wir nutzen nun die von der OECD vorgeschlagenen vereinfachten Allokationsschlüssel, um das Kostenvolumen für Shared Services je Gesellschaft im Konzernverbund zu ermitteln. Im Volumen je Land werden 5% Gewinnzuschlag einkalkuliert. Als weitere Vereinfachung haben wir nun die Transferpreise der Warenströme des Kerngeschäfts (SICK-Produkte) um dieses Volumen erhöht. Somit entfällt für die Shared Services der separate Fakturierungsprozess komplett. Mit dieser Vereinfachung erfüllen wir die steuerrechtlichen Anforderungen der IC-Verrechnung. Wir haben unser neues Konzept vor der Umsetzung über ein externes Gutachten eines Beraters in diesem Umfeld prüfen lassen.

Lesen Sie in der nächsten Woche:

Die Ergebnisse – Lessons learned – die weiteren Schritte (Teil 3)