Gendersternchen ist keine Diskriminierung

Sich auf eine Stellenanzeige bewerbende Menschen dürfen gemäß §§ 1, 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden. Eine solche Diskriminierung soll in der betrieblichen Praxis sprachlich üblicher Weise durch die Verwendung des sog. Gendersternchens (*) vermieden werden.

In einer aktuellen Entscheidung hatte sich das LAG Schleswig-Holstein damit zu befassen, ob diese Schreibweise Menschen mit nicht binärer Geschlechteridentität benachteiligt.

Nach Absage Entschädigung nach AGG geltend gemacht

Eine Gebietskörperschaft hatte mehrere Stellen ausgeschrieben. Die Ausschreibungen enthielten u. a. die Sätze

„Näheres entnehmen Sie bitte dem nachstehenden Anforderungsprofil einer Fachkraft (m/w/d)

sowie „Schwerbehinderte Bewerber*innen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt“.

Die zweigeschlechtlich geborene schwerbehinderte Klägerpartei erhielt nach ihrer Bewerbung eine Absage. Mit ihrer Klage machte sie Entschädigungsansprüche nach dem AGG geltend. Sie führte an, u. a. wegen des Geschlechts diskriminiert worden zu sein. Das seitens der Beklagten genutzte Gendersternchen bei der Formulierung „Schwerbehinderte Bewerber*innen“ sei entgegen den Vorgaben des SGB IX nicht geschlechtsneutral.

Gendersternchen laut Klage nicht geschlechtsneutral

Das Arbeitsgericht Elmshorn hatte der Klägerpartei erstinstanzlich aus anderen Gründen eine Entschädigung in Höhe von  2.000 EUR zugesprochen. Diese hatte sodann für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe mit der Begründung beantragt, die Entschädigung müsse auf Grund der diskriminierenden Verwendung des Gendersternchens mindestens 4.000 EUR betragen.

Verwendung von Gendersternchen ist keine Diskriminierung

Das LAG Schleswig-Holstein hat den Prozesskostenhilfeantrag in seiner Entscheidung wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Die Verwendung des Gendersternchens in einer Stellenausschreibung diskriminiere mehrgeschlechtlich geborene Menschen nicht.

Zweckrichtung des Gendersternchens

Das Gendersternchen, so das LAG, diene einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache. Es sei zudem auf eine Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung zurückzuführen.

Ziel der Verwendung sei es, nicht nur Frauen und Männer in der Sprache gleich sichtbar zu machen, sondern auch alle anderen Geschlechter zu symbolisieren und der sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter zu dienen.

Ob das Gendersternchen den offiziellen deutschen Rechtschreibregeln entspreche, könne dahingestellt bleiben. Dass geschlechtsneutral ausgeschrieben werden sollte, werde im Übrigen auch durch den sich im Ausschreibungstext befindlichen Zusatz „“m/w/d“ deutlich. Die Verwendung des Begriffs „Bewerber*innen“ statt „Menschen“ habe damit keinen diskriminierenden Charakter.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

(LAG Schleswig-Holstein v. 22.06.2021, 3 Sa 37 öD/21).


Hintergrund: Stellenausschreibung nach AGG

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz  verbietet in Beschäftigung und Beruf allgemein Benachteiligungen aufgrund der geschützten acht Merkmale Rasse, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht. Für die Stellenausschreibung stellt das Gesetz gesondert und noch einmal ausdrücklich klar, dass eine Stelle nicht unter Verstoß gegen dieses Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden darf (vgl. §§ 1, 7, 11 AGG).  Verstößt der Arbeitgeber gegen dieses Diskriminierungsverbot, können allen dadurch diskriminierten Bewerbern/Arbeitnehmern u. a. Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber zustehen.

Die Nichtberücksichtigung eines Bewerbers in einem Stellenbesetzungsverfahren stellt dabei regelmäßig eine Benachteiligung dar; denn der abgelehnte Bewerber steht (aus seiner Sicht) in der Regel schlechter als er stehen würde, wenn er die Stelle erhalten hätte. Will ein angeblich Benachteiligter/Geschädigter gegen den Arbeitgeber Ersatzansprüche geltend machen, muss grundsätzlich der Geschädigte die Anspruchsvoraussetzungen beweisen. Die zentrale Bedeutung der Stellenausschreibung besteht darin, dass sie ein Umstand ("Indiz") sein kann, der dazu führt, dass diese Beweislast "umschlägt" und jetzt der Arbeitgeber bei der Nichteinstellung eines Bewerbers die Beweislast dafür trägt, dass diese Benachteiligung aus sachlichen Gründen oder zumindest solchen Gründen erfolgt ist, die nichts mit den in § 1 AGG genannten acht Merkmalen zu tun hat.

Eine Stellenausschreibung, die den Bewerberkreis unter Verstoß gegen die gesetzlichen Regelungen des AGG einschränkt, löst also regelmäßig die Vermutung aus, dass die Bewerberauswahl nicht diskriminierungsfrei erfolgt ist (vgl. § 22 AGG).

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium