Berufsunfähigkeit - welche Berufs-Alternativen sind zumutbar?

Wer in seinem Beruf berufsunfähig wird, kann eventuell auf andere Tätigkeiten verwiesen werden, unabhängig davon, wie es am Arbeitsmarkt gerade aussieht. Doch es gibt Grenzen.

Berufsunfähigkeitsversicherungen gehören zu den wichtigsten Versicherungen für Arbeitnehmer. Doch tritt der Ernstfall ein, kommt es oft zu Enttäuschungen beim Versicherungsnehmer.

Abstrakte Verweisungen auf andere Berufsfelder

Ein regelmäßig umstrittenes Thema: Lässt der Versicherungsvertrag sogenannte abstrakte Verweisungen auf andere Berufsfelder zu, wird es für Betroffene häufig eng. Im einem jetzt vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall ging es um eine Frau, die vor dem Ausbruch ihrer Krankheit als Arzthelferin geringfügig beschäftigt war – jeweils fünf Stunden an zwei Arbeitstagen pro Woche.

Arzthelferin mit psychischen Problemen - Panik vor Ansteckungen

Wegen einer psychischen Erkrankung, in deren Folge die Frau panische Angst vor Ansteckung mit Hepatitis oder HIV entwickelte, war sie seit Ende 2006 zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig und hatte deshalb ihre Arbeitsstätte aufgegeben.

Versicherung wollte nicht einspringen

Die Versicherung wollte nicht einspringen zahlen. Sie verwies die Frau auf eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen oder Kliniken. Das Landgericht hatte der Versicherung noch Recht gegeben. Als gelernte Arzthelferin könne sie eine derartige Tätigkeit ausüben. Die konkrete Arbeitsmarktlage sei bei Prüfung der Berufsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen.

Folgen einer abstrakten Verweisung

Das OLG Nürnberg kam zu einer anderen Bewertung.

  • Zwar habe eine abstrakte Verweisung in den Versicherungsbedingungen zur Folge, dass der Versicherungsnehmer belegen muss, dass er nicht auf eine andere Tätigkeit, die er noch nicht ausübt, verwiesen werden darf.
  • Auch schütze die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht vor den Unwägbarkeiten des Arbeitsmarktes.

Grenzen der Mobilität

Bei der Prüfung, ob ein Arbeitsmarkt für die Verweistätigkeit überhaupt besteht, muss allerdings die Zumutbarkeit geprüft werden, insbesondere

  • die Lage der Arbeitsstelle unter dem Aspekt der Mobilität, also der Anfahrtszeit
  • der zeitliche Umfang der Tätigkeit und deren sozialversicherungsrechtliche Einordnung

Für den geographischen Aspekt gelte normalerweise die Regel:

  • ein Wohnortwechsel ist unzumutbar
  • zumutbar ist jedoch ein Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort

Kein Arbeitsmarkt im zumutbaren Umkreis

Das Gericht kam zu der Auffassung, dass der Klägerin grundsätzlich eine Fahrtstrecke von maximal 40 km ab ihrem Wohnort zumutbar sei. Nach der Beweisaufnahme habe sich aber ergeben, dass es in diesem Umkreis kein Arbeitsmarkt für eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte bei Krankenkassen, Krankenhäusern und Kliniken in Form einer geringfügigen Beschäftigung gebe.

Die Frau hat deshalb Anspruch auf die im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistungen. Sie erhält eine vierteljährliche Berufsunfähigkeitsrente von 1.589 Euro.

(OLG Nürnberg, Urteil v. 26.02.2015, 8 U 266/13).

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