Schätzungsbescheide finden naturgemäß selten die Zustimmung des Steuerpflichtigen und sind daher häufig Gegenstand von außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. Um hier keine verfahrensrechtlichen Fehler zu begehen, sollten insbesondere folgende Punkte beachtet werden:

  • Selbst grobe Schätzungsfehler führen nicht zur Nichtigkeit des Schätzungsbescheids, sondern nur zu seiner Rechtswidrigkeit. Nichtigkeit liegt nur dann vor, wenn das Finanzamt bewusst und willkürlich zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätzt.[1] Hieraus folgt, dass ein Schätzungsbescheid im Zweifel immer im Einspruchswege angefochten werden sollte. Ist die Rechtsbehelfsfrist verstrichen, wird der Steuerpflichtige nur noch in absoluten Ausnahmefällen mit einem Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit (§ 125 Abs. 5 AO) Erfolg haben.
  • Kommt der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nach, ist das Finanzamt grundsätzlich verpflichtet, den Schätzungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) ergehen zu lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige nach Erlass des Bescheids die Steuererklärung nachreicht.[2] Wer hier die Einspruchsfrist versäumt, kann jederzeit die Änderung des in vollem Umfang offenen Schätzungsbescheids beantragen (§ 164 Abs. 2 AO). Allerdings kommt nur bei einem rechtzeitig eingelegten Einspruch eine Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) in Betracht, nicht jedoch bei einem Änderungsantrag.
  • Gibt der Steuerpflichtige auch für das Folgejahr keine Steuererklärung ab, wird das Finanzamt den Schätzungsbescheid vorbehaltlos erlassen und dann auch den Vorbehalt der Nachprüfung des Schätzungsbescheids des Vorjahrs aufheben. Spätestens hier muss der Steuerpflichtige, der eine Bestandskraft der Schätzungsbescheide verhindern will, reagieren und sowohl gegen den vorbehaltlosen Schätzungsbescheid als auch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung des Vorjahresbescheids Einspruch einlegen.
  • Im gerichtlichen Verfahren hat das FG eine eigene, selbstständige Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Dabei ist das Gericht bei der Überprüfung des finanzamtlichen Schätzungsergebnisses in keiner Weise eingeschränkt, denn die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ist keine Ermessensentscheidung. Das Finanzgericht darf sich dazu auch anderer als vom Finanzamt angewendeter Schätzungsmethoden bedienen. Im Revisionsverfahren darf der BFH dagegen nur überprüfen, ob die Schätzung zulässig war, d. h. ob die Schätzung gegen Denkgesetze verstößt, ob allgemeine Erfahrungssätze und anerkannte Schätzungsmethoden beachtet worden sind, ob das FG seiner Sachaufklärungspflicht nachgekommen ist oder ob sonstige Verfahrensfehler vorliegen.[3]
  • Eine weitere verfahrensrechtliche Besonderheit ergibt sich aus § 364b AO. Legt der Steuerpflichtige gegen einen Schätzungsbescheid Einspruch ein, kann das Finanzamt ihn mit Setzung einer Ausschlussfrist zur Abgabe seiner Steuer­erklärung auffordern (§ 364b AO). Lässt er diese Frist verstreichen, bleiben nach Fristablauf eingereichte Steuererklärungen unberücksichtigt, d. h. das Finanzamt wird den Einspruch als unbegründet zurückweisen.

    Gleichwohl lohnt in diesen Fällen die Erhebung einer Klage, da das FG auch erst nach Fristablauf vorgebrachte Erklärungen und Beweismittel unter den Voraussetzungen des § 79b Abs. 3 FGO zulassen kann. Entsprechendes gilt, wenn das FG dem Steuerpflichtigen eine Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 1 FGO zur Vorlage seiner Steuererklärung setzt und er die Erklärung erst nach Fristablauf einreicht. Insoweit ist die Ausschlussfristsetzung des § 364b AO eher ein "stumpfes Schwert" der Finanzverwaltung.

  • Wer seine Steuererklärung erst nach Klageerhebung im finanzgerichtlichen Verfahren abgibt, trägt regelmäßig auch bei Obsiegen die Kosten des Verfahrens, da er die Steuererklärung, die zur Verfahrenserledigung führt, auch bereits im Verlauf des Rechtsbehelfsverfahrens hätte abgeben können (§ 137 FGO).

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