Leitsatz

Im Regelfall wird das Kindergeld an die Eltern gezahlt. Das Kind kann jedoch eine Auszahlung an sich selbst beantragen, wenn die Eltern ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommen. Hat derselbe Berechtigte Anspruch sowohl auf Sozialleistungen als auch auf Kindergelds, kann das Sozialamt seine Leistungen um den Betrag des Kindergels kürzen oder eine (spätere) Auszahlung des Kindergelds an sich (regelmäßig in der Form einer Verrechnung) verlangen (§ 74 Abs. 1 und 2 EStG). Diese Regelung greift nicht, wenn die Sozialleistungen dem Kind, das Kindergeld dagegen den Eltern zustehen.

 

Sachverhalt

Die zu 100 % behinderte Tochter eines Rentners lebte seit 1997 in einer eigenen Wohnung. Ihren Antrag, das Kindergeld an sie zu zahlen, sog. Abzweigung, wies die Familienkasse ab. Nach einem Rechtsstreit setzte die Familienkasse im Januar 2001 rückwirkend ab April 1998 Kindergeld für den Vater fest. Gleichzeitig stellte es jedoch durch gesonderten Verwaltungsakt (Abrechnungsbescheid) fest, das Kindergeld stehe dem Sozialamt zu, weil es der Tochter Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt habe. Während die Klage abgewiesen wurde, entschied der BFH zugunsten des Vaters.

Das Kindergeld kann nur dann dem Sozialamt zugesprochen werden, wenn dieselbe Person zugleich Anspruch sowohl auf das Kindergeld als auch auf Sozialhilfe hat. Dabei könne offen bleiben, ob der Tochter ein Anspruch auf Zuweisung des Kindergelds zustand. Ein erneuter Antrag würde keinen Anspruch des Sozialamts begründen, weil sozialhilferechtlich nur gegenwärtiges Einkommen (nicht aber Nachzahlungen) zu berücksichtigen seien. Die Tochter sei rechtlich nicht verpflichtet, im Interesse des Sozialamts eine Übertragung des Kindergelds zu beantragen (BSG, Urteil v. 8.2.2007, B 9b SO 6/06 R).

 

Hinweis

Die Entscheidung des BFH wird es einigen Familien ermöglichen, das Kindergeld zusätzlich zu der ungekürzten Sozialhilfe zu beantragen. Erforderlich ist, dass diese beiden Ansprüche verschiedenen Personen zustehen:

  • Steht wie im Urteilsfall dem Kind die Sozialhilfe zu, darf es keinen Antrag auf "Abzweigung" des Kindergelds stellen.
  • Steht der Anspruch auf Sozialhilfe den Eltern zu, wird eine Verrechnung mit dem Kindergeld vermieden, wenn das Kind diesen Anspruch auf sich übertragen lässt, weil die Eltern ihrer Unterhalspflicht nicht nachkommen können.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 17.4.2008, III R 33/05.

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