Rz. 31a
Die Bestimmungen des Abs. 3 und 4 wurden durch Art. 17 des ›Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst‹ vom 24.04.2015 (BGBl. I S. 642) mit Wirkung vom 01.05.2015 eingeführt. Danach sind Genossenschaften, die der Mitbestimmung unterliegen, verpflichtet, für den Frauenanteil im Vorstand sowie in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen festzulegen und zugleich Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzusetzen. Gleiches gilt für den Frauenanteil im Aufsichtsrat. Ziel des Gesetzes ist es, den Frauenanteil in Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft und Verwaltung signifikant zu erhöhen und hierdurch den in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gründenden verfassungsrechtlichen Auftrag zur gleichberechtigten Teilnahme von Frauen und Männern an Führungspositionen zu erfüllen (BT- Drucks. 18/3784 S. 2). Die Regelung erfasst alle Genossenschaften, die der Mitbestimmung nach dem DrittelbG oder dem MitbestG unterliegen.
Rz. 31b
Die Festlegung der Zielgrößen hinsichtlich der dem Vorstand nachgeordneten Führungsebenen setzt voraus, dass der Vorstand zunächst die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands definiert. Dabei sind die Führungsebenen nicht nach betriebswirtschaftlichen Methoden zu definieren, sondern erfassen nur die tatsächlich im konkreten Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Vorstands. Unter einer Hierarchieebene sind die organisatorischen Einheiten zu verstehen, die zueinander gleichberechtigt, aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind. Handelt es sich um eine ausgeprägte Hierarchie, sind nur die beiden Ebenen gemeint, die unmittelbar dem Vorstand unterstehen. Besteht – wie bei der Mehrzahl der (Wohnungs-)Genossenschaften – eine flache Hierarchie dergestalt, dass nur eine Leitungsebene unterhalb des Vorstands besteht, bezieht sich die Verpflichtung auch nur auf diese (BT-Drucks. 18/3784 S. 119).
Rz. 31c
Die Pflicht zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil beinhaltet den Auftrag an den Vorstand, den Frauenanteil in der jeweiligen Führungsebene festzustellen und zur Ausgangsgröße für die Festlegung der Zielgröße zu machen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgröße unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht unterschreiten (Verschlechterungsverbot). Liegt der Frauenanteil bei 30 Prozent oder mehr, so darf die festgelegte Zielgröße den erreichten Wert wieder unterschreiten. Fällt der tatsächliche Frauenanteil dann jedoch unter 30 Prozent ab, gilt nunmehr das Verschlechterungsverbot, sodass die nächst festzulegenden Zielgrößen nicht mehr hinter diesen Status zurückfallen dürfen (BT-Drucks. 18/3784 S. 119). Eine Mindestzielgröße gibt das Gesetz nicht vor, vielmehr können die Unternehmen die Zielgröße autonom festsetzen und sich dabei an ihren Unternehmensstrukturen ausrichten (BT-Drucks. 18/3784 S. 119). Es liegt somit im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands, in Ausübung seiner Leitungsfunktion zu bestimmen, in welcher Weise und mit welchen zeitlichen Vorgaben der Frauenanteil in Führungspositionen erhöht werden soll. Über die Festsetzung der Zielgrößen entscheidet der Vorstand durch Beschluss.
Rz. 31d
Verfügt die Genossenschaft über einen Aufsichtsrat, so obliegt diesem gem. Abs. 4 die Festlegung der Frauenquote in Vorstand und Aufsichtsrat. Zwar können gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 GenG Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern durch die Satzung auf einen Aufsichtsrat verzichten, doch müssen diese entsprechend § 6 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 5 DrittelbG einen Aufsichtsrat bestellen, wenn sie in den Anwendungsbereich des DrittelbG oder des MitbestG fallen und in der Regel mehr als 2.000 bzw. 500 Arbeitnehmer beschäftigen (zutreffend: Bauer § 9 RN 29). Soweit es die Zielgröße hinsichtlich des Frauenanteils im Vorstand betrifft, erscheint die gesetzliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats nicht in allen Fällen folgerichtig, da gem. § 24 Abs. 2 Satz 1 GenG der Vorstand durch die Generalversammlung zu bestellen ist, wenn auch in der Praxis entsprechend § 24 Abs. 2 Satz 2 GenG die Bestellung des Vorstands meist in die Hände des Aufsichtsrats gelegt wird (so ausdrücklich: Bauer § 9 RN 30). Dessen ungeachtet bestehen keine Zweifel an der Wirksamkeit der Regelung.
Rz. 31e
Liegt der Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Allerdings kommt die zwingende Festlegung einer Zielgröße für den Vorstand seitens des Aufsichtsrats wohl erst dort in Betracht, wo der Vorstand aus vier oder mehr Personen besteht, da das Gesetz erkennbar von einer Orientierungsgröße von 30 Prozent ausgeht und eine paritätische Besetzung oder eine Drittelbeteiligung von Frauen im Vorstand nicht vorsieht (so auch: Bauer § 9 RN 31). Dennoch steht es dem Aufsichtsrat frei, unter Berücksichtigung der normativen Zielprojektion des Gesetzes auch für die in de...