Das große Tauziehen: Wer prüft den Nachhaltigkeitsbericht?

Die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts ist ein Geschäft, für das sich sowohl die Wirtschaftsprüfungsbranche als auch Zertifizierungsgesellschaften interessieren. Wer am besten zur Prüfung des Berichts geeignet ist, wie sich das finanziell gestalten könnte und wer überhaupt zugelassen wird, ist aber noch lange nicht geklärt.

Offensichtlich wollen in Zukunft viele dieses Geschäft übernehmen: Die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts. Das zeigt ein Blick auf die Anzahl derjenigen, die sich die Bewerbung dieses Themas schon jetzt Google-Adwords kosten lassen, obwohl die erste verpflichtende Veröffentlichung für den Großteil der Unternehmen erst in knapp zwei Jahren ansteht. Die Kosten für die Prüfung sind nicht transparent – weder bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften noch bei den unabhängigen Prüfinstituten. Daher ist es auch schwierig, das Gesamtmarktvolumen zu beziffern, das sich aus der Prüfung von zusätzlichen 15.000 Wirtschafts- und etwas mehr Unternehmen der öffentlichen Hand ergeben wird.

Wer darf das alles überhaupt prüfen? In dieser Frage hat sich die Europäische Union in ihrer Richtlinie aus dem Dezember 2022 (CSRD) nicht auf nur einen bestimmten Kreis festgelegt. Vielmehr könne neben dem Wirtschaftsprüfer, der bereits die Prüfung des Finanzberichts durchführt, ein anderer Wirtschaftsprüfer oder „unabhängiger Erbringer von Bestätigungsleistungen“, ein sogenannter IASP, mit der Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts betraut werden, heißt es darin. Im folgenden Prozess der Umsetzung in nationales Recht hatte das Bundesjustizministerium allerdings signalisiert, dass es den Kreis der zugelassenen Prüfenden auf die Wirtschaftsprüfer beschränken möchte.

Wirtschaftsverbände gegen Prüfungsmonopol der Wirtschaftsprüfung

Im Herbst des vergangenen Jahres hatten sich nicht nur die unabhängigen Prüfinstitute, sondern auch etliche Wirtschaftsverbände klar gegen diese Verengung des Kreises von Prüfungberechtigten ausgesprochen: Gemeinsam adressierten der TÜV-Verband als Vertreter der Prüforganisationen sowie die Wirtschaftsverbände der Textilindustrie (Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie), der Chemischen Industrie (VCI), des Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA), der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) und die WirtschaftsVereinigung Metalle den Bundesjustizminister.

In der Argumentation der Wirtschaftsvertretungen stand im Vordergrund, dass es darum gehe, Kapazitätsengpässe zu vermeiden, den Prüfungsmarkt zu öffnen und die Marktkonzentration zu verhindern. Außerdem solle der Binnenmarkt gestärkt, Wettbewerbsnachteilen entgegengewirkt sowie vorhandene Kompetenzen und Kapazitäten genutzt werden. Als bevorzugtes Mittel sei die Akkreditierung zum Nachweis der fachlichen Kompetenz anzuwenden. Dass auch die Kosten eine Rolle spielen, ließ sich den Ausführungen ebenfalls entnehmen, wenn man folgerte, dass es aus Sicht der Wirtschaftsverbände weder ökonomisch noch fachlich sinnvoll sei, hoch qualifizierte Prüfdienstleister von der Nachhaltigkeitsberichterstattung auszuschließen. 

Bundesjustizministerium legt neuen Entwurf vor

Wer sich bei den unabhängigen Prüfungsinstituten informiert, erhielt zumindest bis Ende März 2024 keinen Hinweis darauf, dass eine Prüfung durch diese Institute möglicherweise gar nicht ausreichen könnte, sondern konnte eher den gegenteiligen Eindruck gewinnen: „Wie Sie vermutlich bereits erfahren haben, tritt ab 2024 die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Kraft. Dadurch wird eine jährliche externe Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung für Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung sukzessive zur Pflicht. Mit der DQS steht Ihnen jetzt schon ein anerkannter Prüfer zur Seite. Hier lohnt sich eine frühzeitige Abstimmung, um die Belastbarkeit der Datenerhebung sicherzustellen", heißt es zum Beispiel in einer E-Mail der DQS CFS GmbH zu einem Whitepaper. 

Im Gesetzesentwurf, den das Bundesjustizministerium am 22. März 2024 veröffentlicht hat, ist davon zunächst einmal nichts zu finden. Dafür ist eine ganze Reihe von Änderungen der Wirtschaftsprüferordnung enthalten. Unter anderem sieht diese vor, dass neben dem Wirtschaftsprüferexamen, das die Voraussetzung für die Bestellung als Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüferin ist, eine gesonderte Prüfung eine Voraussetzung für die Zulassung als Prüfer für Nachhaltigkeitsberichte wird. 

Wer darf nun rechtssicher die künftigen verpflichtenden Berichte prüfen? Auf diese Nachfrage antwortete das Bundesjustizministerium wie folgt: „Der Referentenentwurf zur Umsetzung der CSRD macht von dem Spielraum Gebrauch, der den Mitgliedsstaaten eingeräumt ist. Er sieht vor, dass nicht nur Abschlussprüfer, sondern auch andere Wirtschaftsprüfer mit der Prüfung des Nachhaltigkeitsbericht beauftragt werden können. Erwogen wird darüber hinaus eine weitere Öffnung. Im Rahmen der laufenden Verbändebeteiligung sind die Verbände ausdrücklich aufgefordert, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob es eine Öffnung auch für Umweltgutachter geben soll, die nach dem Umweltauditgesetz zugelassen sind. Das Bundesministerium der Justiz wird entsprechende Stellungnahmen sorgfältig auswerten und auf dieser Grundlage über das weitere Vorgehen entscheiden.“

Ist eine doppelte Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts erforderlich?

Ob dies am Ende alles ökonomisch und fachlich sinnvoll für die betroffenen Unternehmen sein wird, wird sich erst noch zeigen. Jedenfalls liefert die Argumentation der Wirtschaftsprüfungsbranche in eigener Sache schon jetzt einen Hinweis auf das Thema Kosten. So argumentiert etwa die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young auf ihrer Homepage: „Da die Nachhaltigkeitsberichterstattung stark mit den Informationen im Jahresabschluss und im Lagebericht verwoben ist, bietet es sich an, dass der Abschlussprüfer Ihres Finanzberichts zugleich auch der Prüfer der Nachhaltigkeitsberichterstattung wird. Zudem müsste der Abschlussprüfer die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der Abschlussprüfung gleichfalls kritisch würdigen – das wäre doppelte Arbeit und erfordert einen hohen Koordinationsaufwand. Wir empfehlen daher, die Prüfung der finanziellen und der nichtfinanziellen Berichterstattung in einer Hand zu lassen."

Unklar bleibt dabei zumindest, woher sich die Pflicht zur „doppelten Arbeit" genau ableitet. Das Institut der Wirtschaftsprüfer schreibt jedenfalls zur Frage nach dem Verhältnis der Prüfung des Lageberichts zur Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung: 

„Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist künftig in den Lagebericht zu integrieren. Allerdings müssen die Nachhaltigkeitsangaben mittels eines dafür vorgesehenen Abschnitts klar erkennbar sein. Hinsichtlich der Prüfung regelt die CSRD durch eine Anpassung von Art. 34 (1) Bilanz-RL: ‚Der/die Abschlussprüfer beziehungsweise die Prüfungsgesellschaft(en) hat/haben ferner a) ein Urteil darüber abzugeben, […] ii) ob der Lagebericht nach den geltenden rechtlichen Anforderungen, ausgenommen der Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Artikel 19 a dieser Richtlinie, aufgestellt wurde […]'. Die Prüfung des Lageberichts wird künftig in zwei Teilen erfolgen. Die finanzielle Berichterstattung im Lagebericht bleibt Prüfungsgegenstand der Abschlussprüfung. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht wird Gegenstand einer gesonderten Prüfung."

Bieten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften einen Vorteil?

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC argumentiert indes nicht mit organisatorischen Faktoren, sondern bleibt näher an der Sache beziehungsweise zielt auf die spezifischen Stärken der Wirtschaftsprüfung: „Wesentliche Bestandteile der Prüfung der Berichterstattung sind eine qualifizierte Risikoeinschätzung sowie das Verständnis von Prozessen und Systemen. Für die Prüfung selbst kombinieren wir unser Erfahrungswissen mit fortschrittlichsten Technologien. Dazu zählen etwa Datenanalysen sowie der Einsatz künstlicher Intelligenz. Dabei haben wir stets maximale Effizienz und höchste Qualität im Blick.“

Wie Letzteres konkret funktioniert und nach welchem Standard derzeit schon geprüft wird, erläutert PwC-Partnerin Theres Schäfer auf Anfrage: „Für die Prüfung unter Anwendung von KI werden nur uns bekannte Datenquellen verwendet. Die Technologien betreffen automatisierte Datenanalysen, beispielsweise im Hinblick auf Vollständigkeit, korrekte Kalkulationen, Identifikation von Auffälligkeiten wie Datenausreißer, Inkonsistenzen oder hohe Abweichungen zum Vorjahr." 

Geprüft wird derzeit entweder nach den bestehenden internationalen Standards ISAE 3000 (Revised) und der entsprechenden PwC-Methodik oder nach lokal entwickelten Standards, die in einer bestimmten Rechtsordnung gelten. „Künftig wird ISSA 5000 für alle Prüfungsauftrage gelten, die sich mit Nachhaltigkeitsthemen wie etwa Umwelt, Soziales, Wirtschaft und Kultur sowie Aspekten dieser Themen, Risiken und Chancen, Governance, Prozesse, Strategie, Szenarioanalyse, KPIs befassen", sagt Schäfer. Im Gegensatz zu ISAE 3000 (Revised) sei der neue Standard speziell auf Nachhaltigkeitsthemen ausgerichtet. 

Aktuelle Prüfungspraxis: Freiwillig und eingeschränkt

In Hinsicht auf die unternehmerische Praxis sagt sie: „Insbesondere bei kapitalmarktorientierten Unternehmen beobachten wir es als good practice, die nichtfinanzielle Berichterstattung freiwillig extern prüfen zu lassen und so die Verlässlichkeit der Berichterstattung zu erhöhen. Zudem stellen wir fest, dass immer mehr Unternehmen, unabhängig von der Kapitalmarktorientierung, einzelne nichtfinanzielle KPIs für konkrete Zwecke und zur Information bestimmter Stakeholder prüfen lassen – zum Beispiel, weil diese Bestandteile eines Kreditvertrages sind und die Höhe der Kapitalkosten bestimmen." 

Dabei dominiere aber gerade eine Prüfung einer sogenannten limited assurance, also mit begrenzter Prüfungssicherheit. Nur sehr vereinzelt würden Prüfungen von Nachhaltigkeitsberichten beziehungsweise nichtfinanziellen Berichten mit einer „reasonable assurance“, also hinreichender Prüfungssicherheit, beauftragt. 

Wirtschaftsprüferkammer will erhebliche Veränderungen

Die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) spricht sich in der derzeitigen Gemengelage dafür aus, die Nachhaltigkeitsprüfung in das Wirtschaftsprüferexamen zu integrieren und wendet sich gegen die im letzten Entwurf (22.3.2024) vorgesehene Unterscheidung zwischen Wirtschaftsprüfern, die sich durch die Ablegung einer zusätzlichen Prüfung für die Zulassung zur Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten qualifizieren, und Berufsangehörigen ohne diese Zusatzqualifikation. Dies sei nicht zielführend, da der Berufsstand dadurch unnötig gespalten würde, so die Kammer.

Die im Entwurf vorgeschlagene Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung sollte nach Überzeugung der WPK nicht Voraussetzung für die Eintragung als Prüfer der Nachhaltigkeitsberichte sein. Stattdessen sollte es sich bei der Fortbildung um eine solche handeln, bei der die Kenntnisse im Rahmen der allgemeinen Fortbildungsverpflichtung erworben werden.

Noch erheblicher will die Berufsvertretung bei der Wahlfreiheit der Unternehmen eingreifen: Der Entwurf sehe vor, dass der Abschlussprüfer auch der Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts sein könne, so die berufsständische Organisation. Nach ihrer Einschätzung könne davon ausgegangen werden, dass die meisten Unternehmen den Abschlussprüfer zugleich als Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts wählen würden. Daher empfehle man, das Gesetz dahingehend zu ergänzen, dass der ordnungsgemäß gewählte Abschlussprüfer zugleich als Prüfer des Nachhaltigkeitsberichts gewählt gilt, sofern kein abweichender Beschluss gefasst wird. Wie die Unternehmensverbände nun Stellung nehmen werden, bleibt abzuwarten.