Welche Konzepte bleiben?: Homeoffice in Steuerkanzleien

In der Presse liest man immer wieder, dass inzwischen einige Großunternehmen wie Amazon, Meta und Apple und einige Großbanken Homeoffice "verbieten" oder zumindest begrenzen. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen Amazon und Co. und Steuerkanzleien.

Es geht hierbei nicht etwa um die Größe - der entscheidende Faktor ist die Bindung an das Unternehmen. Und die ist bei den genannten Unternehmen bekanntlich eher niedrig. Laut dem Gallup-Engagement-Index 2022 haben lediglich 13 % der Mitarbeiter eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber. 69 % weisen eine geringe und 18 % gar keine emotionale Bindung auf. In Steuerkanzleien ist der Bindungsindex tendenziell deutlich höher. Bei Amazon und Co. dürfte er deutlich niedriger sein. Zudem ist Elon Musk nicht gerade als Top-Arbeitgeber bekannt.

Es gibt daher keinen Grund, der gegen Homeoffice in Steuerkanzleien spricht. Anhand einiger "W"-Fragen sollten Sie sich allerdings klarmachen: Welche Gründe sprechen dafür und wie sehen in Ihrer Kanzlei die Rahmenbedingungen für Homeoffice aus?

Die Besinnung auf die Frage: Wozu?

Von gar kein Homeoffice über "2 zu 3" oder "4 zu 1"  bis 100 % Homeoffice sind in Kanzleien aktuell alle Modelle vertreten. War das Thema zunächst Pandemie getrieben, wird es nun von Mitarbeitern getrieben. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des engen Arbeitsmarkts gibt es in den meisten Kanzleien kaum Widerstand. Stellenanzeigen mit "100 % Homeoffice" sind derzeit besonders erfolgversprechend. Also geht es gar nicht mehr anders?

Sie haben sich vermutlich selbstständig gemacht, um selbstbestimmt zu arbeiten? Viele Kanzleiinhaber haben gerade das Gefühl, dass von dieser Selbstbestimmung nicht viel übrig geblieben ist. "Andere" sitzen am längeren Hebel? Es geht immer auch anders - und vor allem es geht immer auf Ihre persönliche Weise.

Die "Wozu"-Frage hat zwei Perspektiven:

Perspektive Kanzleileitung

Perspektive Mitarbeiter

Welchem Zweck dient Homeoffice für uns?

An erster Stelle stehen hier sicher die Attraktivität als Arbeitgeber und die Zufriedenheit der bestehenden Mitarbeiter. Platzmangel oder die komplette Abschaffung der Büroräume steht meist ganz hinten auf der Liste. Weitere gute Gründe können das konzentriertere Arbeiten oder die bessere Koordination unterschiedlicher Arbeitszeiten sein (kein Desk-Sharing notwendig). Auch das ruhigere Arbeiten im Büro durch eine "dünnere" Besetzung ist ein Punkt.

Hinterfragen Sie die Gründe Ihrer Mitarbeiter, warum Homeoffice für Sie attraktiv ist. Von Kinderbetreuung bis weniger "Freizeit im Stau" gibt es eine Menge guter Gründe.

Der Hintergrund: Die Frage macht Ihren Mitarbeitern klar, welche Vorteile es ihnen bringt. Wenn sie das Homeoffice wollen, dann sind sie auch eher bereit, Ihre Rahmenbedingungen zu akzeptieren.

Die persönliche Komponente: Wer?

Jeder hat gemerkt: Die Qualität der Arbeit hängt nicht nur von der Technik und den räumlichen Rahmenbedingungen ab. Die persönliche Arbeitshaltung und -organisation spielen eine wichtige Rolle. Konzentrationsfähigkeit, Zeitmanagement, Selbstdisziplin und Technik-Kompetenz sind hier die Stichworte. Es gibt im Homeoffice diverse Ablenkungen: Familie, Briefträger, Paketboten, die piepsende Waschmaschine, Haustiere, Nachbarn…

Unterschätzen Sie aber auch die Ablenkungen im Büro nicht - so groß ist der Unterschied gar nicht. Wer "ablenkungsgefährdet" ist, wird sich ortsunabhängig auch ablenken lassen. Besprechen Sie mit den einzelnen Mitarbeitern, ob sie sich des Unterschiedes zur Arbeit im Büro bewusst sind.

Die Frage nach der Balance zwischen Homeoffice und Büro: Wie häufig?

Welches Konzept ist das Beste? Wie fast immer gibt es nicht den "einen" Weg. Als ein guter Weg zeichnet sich derzeit in Kanzleien das Verhältnis 2/3 bzw. 3/2 ab. Ein ausgeglichenes Verhältnis fördert auf der einen Seite die Unabhängigkeit und die Flexiblität Ihrer Mitarbeiter, auf der anderen Seite bleibt die persönliche Bindung erhalten. Mindestens ein Bürotag ist in den meisten Kanzleien üblich. Die 100 %-Lösung ist noch eher die Ausnahme (für einzelne Mitarbeiter mit sehr langem Weg).

Die interne Abstimmung bei den Erstellungsarbeiten ist durch moderne digitale Kommunikationstools kein Problem mehr. Die Einarbeitung neuer Kollegen oder die Unterstützung der Auszubildenden ist mit mehr persönlichem Kontakt sicher einfacher und effizienter abzubilden.

ReStart - Homeoffice reloaded

Nutzen Sie Ihre Erfahrungen (oder die anderer Kollegen) und starten Sie neu. Hier unsere Checkliste zum Restart:

1. Mit welchem Modell fühle ich mich wohl?

Überlegen Sie anhand der Wozu-Frage, welche Vorteile Sie durch das Homeoffice haben. Wenn Sie bei sich Widerstand gegen diese Arbeitsform feststellen: Hinterfragen Sie sich auch hier mit der Warum-Frage. Überlegen Sie vor diesem Hintergrund, was Sie für Ihre Sicherheit brauchen - wie soll Ihre "Kontrolle" aussehen?

2. Team-Workshop "Homeoffice reloaded - Part 1"

Hier geht es um

  • Erfahrungsaustausch zum bisherigen "System",
  • Klärung der W-Fragen (siehe oben),
  • Erwartungsabfrage bei den Mitarbeitern.

Sammeln Sie bei diesem Workshop erst einmal alle Aspekte und Wünsche. Hier gibt es noch nicht das Ergebnis.

3. Auswertung Workshop

Bewerten Sie die Ergebnisse des Workshops und gleichen Sie sie noch einmal mit Ihren Vorstellungen ab. Führen Sie Einzelgespräche, um nachzuschärfen. So nimmt Ihr Konzept Gestalt an.

4. Team-Workshop "Homeoffice Reloaded - Part 2"

Kommunizieren Sie ihre Erkenntnisse und gestalten Sie mit Ihrem Team das Konzept endgültig aus. Überlegen Sie dabei gemeinsam, welche Voraussetzungen Sie in der Kanzlei benötigen werden, damit Sie das Konzept umsetzen können.

5. Testphase

Es folgt eine Testphase von 3 Monaten, in der alle hinschauen und ihre Erfahrungen aufschreiben.

6 .Feedback-Workshop/ Umfrage "Homeoffice reloaded"

Transparenz ist das Zauberwort - beziehen Sie Ihr Team immer wieder mit ein. Nicht nach dem Motto "Wünsch Dir was", sondern in Form des gegenseitigen Austauschs.