Bis zu 10 % jährliche Abschreibung: AfA-Turbo für Wohnimmobilien

Die steuerlichen Abschreibungen gelten insbesondere im Bereich der Immobilien seit langem als etabliertes steuerpolitisches Konjunktur-Instrument. Mit der (befristeten) Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude und der überarbeiteten Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau schafft der Gesetzgeber neue Investitionsanreize.

Angelegt sind die Änderungen in einem der steuerlich prominentesten Gesetzgebungsverfahren der letzten Monate: dem Wachstumschancengesetz. Betrachtet man die wesentlichen Änderungen genauer, so wird deutlich, dass das geänderte AfA-Regelwerk gezielte Steuervorteile für Immobilieninvestoren bereithält; insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich einzelne Bausteine miteinander kombinieren lassen. Im Einzelnen:

Reguläre Abschreibung (linear/degressiv)

Bereits durch das Jahressteuergesetz 2022 gab es eine vorteilhafte Rechtsänderung. Die pauschale respektive lineare Abschreibung beträgt nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für ab dem 1.1.2023 fertiggestellte Wohnimmobilien 3 % p.a. (anstatt 2 % p.a.).

Alternativ besteht für Wohngebäude, mit deren Herstellung nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 begonnen wird (angezeigter Baubeginn, nicht Bauantrag), eine geometrisch-degressive Abschreibungsmöglichkeit in fallenden Jahresbeträgen (§ 7 Abs. 5a EStG). Das Wahlrecht gilt grundsätzlich analog für nicht selbst hergestellte Gebäude, insofern der Kaufvertrag nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 rechtswirksam geschlossen wurde. Mithin beträgt die jährliche AfA 5 % vom jeweiligen Buchwert (= Restwert) des Gebäudes. Ein Wechsel zur linearen AfA ist jederzeit zulässig.

Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau

Die Sonderabschreibung nach § 7b EStG wurde bereits infolge des Gesetzes zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus vom 4.8.2019 eingeführt. Nach § 7b Abs. 2 Nr. 1 EStG endete der Förderzeitraum Ende 2021, sodass im Jahr 2022 keine neuen Projekte gefördert wurden. Mit dem Jahressteuergesetz 2022 kam es ab dem 1.1.2023 zu einer Neuauflage unter geänderten Rahmenbedingungen. Die Leitplanken wurden durch das Wachstumschancengesetz nochmals verändert.

Demnach besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme für neugeschaffene Mieteinheiten, welche aufgrund eines vor dem 1.10.2029 gestellten Bauantrags bzw. Bauanzeige hergestellt wurden. Zudem wurde den gestiegenen Baukosten Rechnung getragen und die Obergrenze auf 5.200 EUR je Quadratmeter Wohnfläche erhöht. Die Bemessungsgrundlage wurde auf 4.000 EUR je Quadratmeter Wohnfläche begrenzt.

Zu beachten sind jedoch zwingend die Nachhaltigkeitsvoraussetzungen: Das Gebäude muss Effizienzhausstandard 40 (EH40) plus Nachhaltigkeitssiegel QNG erreichen. Zudem darf der Wohnraum nicht nur zur vorübergehenden Beherbergung von Personen genutzt werden.

Die Sonderabschreibung in Höhe von 5 % der Bemessungsgrundlage kann über einen Gesamtzeitraum von vier Jahren in Anspruch genommen werden.

In Kraft treten beide Rechtsnormen mit Wirkung vom 1.1.2023 und sind damit rückwirkend für das Jahr 2023 anwendbar.

Kombination der Abschreibungsmodelle

Infolge gesetzlicher Verweise sind die vorstehend erläuterten Abschreibungsmodelle kombinierbar. Der aggregierte Vorteil aus Inanspruchnahme der Sonderabschreibung und der degressiven AfA lässt sich zahlentechnisch in den ersten vier Jahren bei exemplarischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (= Bemessungsgrundlage) in Höhe von 400.000 EUR wie folgt darstellen:

Degressive AfA

Sonder-AfA

Gesamt-AfA-Satz

Jahr 1

20.000 EUR

20.000 EUR

10,00 %

Jahr 2

19.000 EUR

20.000 EUR

9,75 %

Jahr 3

18.050 EUR

20.000 EUR

9,51 %

Jahr 4

17.148 EUR

20.000 EUR

9,29 %

Jahr 5

12.290 EUR

-

3,07 %

Das "Add-on" Sonderabschreibung sorgt insbesondere in den ersten vier Jahren für einen deutlichen Liquiditätsvorteil. Insgesamt können in diesem Zeitraum etwa 39 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes verrechnet werden.

Hinweis: Bei vollständiger Inanspruchnahme der Sonderabschreibung nach § 7b EStG und geometrisch-degressiver Abschreibung beträgt der Restwert – mithin die Bemessungsgrundlage für die AfA im Jahr 5 gemäß § 7a Abs. 9 EStG – (400.000 EUR ./. 154.198 EUR =) 245.802 EUR. Technisch folgt die Berechnung damit der Logik des BMF-Schreibens v. 7.7.2020, BStBl I 2020 S. 623, Rn. 71. Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass diesbezüglich in der Praxis eine gewisse Rechtsunsicherheit besteht. Für Klarheit könnte ein entsprechendes BMF-Anwendungsschreiben sorgen.

Entscheidet man sich für die lineare AfA anstatt der neu eingeführten Degressiv-Variante beträgt das AfA-Volumen immerhin 32 % (4 x 5 % Sonderabschreibung zzgl. 4 x 3 % lineare Abschreibung). Der nach Ablauf des vierjährigen Begünstigungszeitraums verbleibende Restbuchwert (= 68 %) wäre dann gleichmäßig auf die Restnutzungsdauer von 29 Jahren (= 33 Jahre Nutzungsdauer abzgl. 4 Jahre Begünstigungszeitraum) zu verteilen (§ 7a Abs. 9 EStG). Die jährliche Abschreibung ab Jahr 5 beträgt damit 2,3 % (= 68 % / 29 Jahre).

Neben dem positiven Effekt aus der Aufwandsvorverlagerung führt die zeitige Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen Immobilie nach Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist zu einem Bemessungsgrundlageneffekt aus der Steuerfreiheit des Veräußerungserlöses.

Inwieweit das Regelwerk tatsächlich – wie von der Bundesregierung gelabelt – einen Investitionsbooster darstellt, werden die zukünftigen Daten zum Wohnungsneubau zeigen.

Gleichwohl bedarf es aus Gesetzgebersicht einer gewissen Paragraphenpflege. Insbesondere die strengen Nachhaltigkeitsauflagen sowie die Baukosten-Höchstgrenzen sollten überwacht werden, um bei der subventionellen Steuervergünstigung entsprechend proaktiv gegensteuern zu können. Zudem ist die Schaffung neuen Wohnraums in Bestandsgebäuden vom Anwendungsbereich der Regelung nicht umfasst. Insofern ist es wünschenswert, dass der Gesetzgeber zukünftiges Optimierungspotenzial rechtzeitig erkennt und einem zügigen Gesetzgebungsverfahren umsetzt.