Rz. 23e

Der Entwurf des neuen Verbandssanktionengesetzes erfasst gem. § 1 VerSanG-E Verbände, "deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist". Folglich sind erfasst juristische Personen des Zivil- und des öffentlichen Rechts, auch nicht rechtsfähige Vereine oder rechtsfähige Personengesellschaften, nicht hingegen Verbände mit einem gemeinnützigen Zweck. Letztere unterliegen weiterhin (nur) den Regelungen des OWiG.

Wird ein Verband vom VerSanG erfasst, so schließt der Anwendungsbereich – im Gegensatz zum OWiG – auch Verbände mit einem Sitz im Inland im Hinblick auf im Ausland begangene Verbandsdelikte ein, die nicht den deutschen Strafgesetzen unterfallen. Dieser Regelung kommt jedoch im Steuerstrafrecht lediglich geringe Bedeutung zu, da es sich bei den durch § 370 AO geschützten Steuern trotz der Erweiterung in § 370 Abs. 6 AO fast ausschließlich um solche nach Bundesrecht oder dem Recht der EU handelt.

 

Rz. 23f

Ausgangspunkt der Anwendbarkeit des VerSanG ist die Verbandstat i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E, also eine Straftat, durch die Pflichten des Verbands verletzt wurden oder durch die der Verband bereichert wurde bzw. werden sollte. Diese Straftat muss durch eine Leitungsperson des Verbands oder einer Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens eines Verbands verantwortlich handelt, begangen worden sein, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E. Sofern nicht eine dieser Personen die Straftat begangen hat, kann gegen den Verband trotzdem gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E eine Verbandssanktion verhängt werden, wenn die Tat von anderen Personen in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbands begangen wurde, sofern Leitungspersonen des Verbands die Straftat durch angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten – insb. Organisation, Auswahl, Anleitung und Aufsicht – hätten verhindern oder wesentlich erschweren können.

Daraus ergibt sich, dass Verbandstaten nicht auf bestimmte Deliktgruppen, wie z. B. Vermögens- oder Steuerdelikte, beschränkt sind. Auch z. B. bei Korruptionsdelikten und Straftaten gegen den Wettbewerb[1], Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft[2] und selbst Umweltdelikten[3] kann es sich um Taten i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E handeln. Nicht erfasst sind hingegen Straftaten, die sich nur gegen den Verband selbst richten, z. B. die Veruntreuung von Unternehmensgeldern durch eine Leitungsperson.[4]

 

Rz. 23g

Ausgehend von diesen Grundlagen sind verschiedene Neuerungen des VerSanG besonders hervorzuheben. Zunächst wird – im Gegensatz zu § 30 OWiG – im Anwendungsbereich des VerSanG voraussichtlich das Legalitätsprinzip gelten, vgl. §§ 3 Abs. 1 und 24 Abs. 1 VerSanG-E. Dadurch soll eine Gleichbehandlung sichergestellt werden.

Darüber hinaus sieht das VerSanG eine drastische Erhöhung der Sanktionen für große Unternehmen vor. Die Sanktionen für Verbände mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von bis zu 100 Mio. EUR können gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 VerSanG-E bis zu 10 Mio. EUR betragen und entsprechen somit der Regelung des § 30 OWiG. Bei einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. EUR kann die Sanktion gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 VerSanG-E bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen. Gerade wenn man von großen, international agierenden Konzernen ausgeht, wird die beträchtliche Erhöhung des Sanktionsrahmens deutlich, der auch keine betragsmäßig festgelegte Obergrenze mehr enthält. Dadurch wird sichergestellt, dass auch gegenüber umsatzstarken Verbänden eine ausreichend empfindliche Geldsanktion verhängt werden kann.[5]

 

Rz. 23h

Neben den Verbandsgeldsanktionen besteht auch die Möglichkeit einer Verbandsgeldsanktion unter Vorbehalt. Diese Geldsanktion auf Bewährung ist auch nur für Teile der Gesamtsanktion möglich und sie kann mit Auflagen und Weisungen verknüpft werden. Hat die Verbandstat zu einer großen Anzahl von Geschädigten geführt, so besteht gem. § 14 VerSanG-E auch die Möglichkeit, die Verbandssanktion zu veröffentlichen. Diese Nebenfolge dürfte jedoch im Steuerstrafrecht keine Anwendung finden, da der Geschädigte insoweit nur einer, nämlich der Fiskus ist.

Eine weitere bedeutende Neuerung ist die große Bedeutung, die der Mitwirkung des Verbands eingeräumt wird. So sollen die Schwere und das Ausmaß des Unterlassens angemessener Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten – gemeint ist ein unternehmenseigenes Compliance-Management-System – im Hinblick auf die Art und die Höhe der zu verhängenden Sanktion Berücksichtigung finden. Ferner soll die Leistung des Unternehmens bei der Aufklärung der Verbandstat – gemeint sind interne Ermittlungen – gem. den §§ 1618 VerSanG-E ebenfalls sanktionsmildernd wirken, wenn sie tatsächlich zur Aufklärung durch die Strafverfolgungsbehörden beigetragen haben.

[4] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/23568, 66.
[5] Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/23568, 74f.

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