Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersgruppen. Altersstruktur. Kündigung. Leistungsträger. Sicherung. Sozialauswahl. Betriebsbedingte Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Jedoch muss die bisherige Verteilung der Beschäftigten auf die Altersgruppen ihre prozentuale Entsprechung in der Anzahl der in der jeweiligen Altersgruppe zu Kündigenden finden, wodurch die Erhaltung der bisherigen prozentualen Anteile der Altersgruppen an der Gesamtbelegschaft erreicht wird. Es ist die altersmäßige Personalstruktur zu erhalten, d.h. der status quo zu bewahren. Ein Senkung des Altersdurchschnitts ist nicht gestattet. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG sieht eine „Sicherung” der Altersstruktur, nicht jedoch eine Verbesserung des Altersdurchschnitts vor. Insofern unterscheidet sich § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG deutlich von § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO, der auch die „Schaffung” einer ausgewogenen Personalstruktur kündigungsrechtlich privilegiert und damit dem insolvenzbedingten Anliegen einer Sanierung des Betriebs Rechnung trägt.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 26.08.2009; Aktenzeichen 10 Ca 1099/09)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 26.08.2009, Az.: 10 Ca 1099/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der Kläger (geb. am 08.07.1957, verheiratet) war seit dem 01.04.1993 im Garten- und Landschaftsbaubetrieb der Schuldnerin zu einem Bruttomonatsentgelt von durchschnittlich EUR 2.417,12 beschäftigt. Über das Vermögen der Schuldnerin ist am 01.04.2009 (AG Mainz, Az.:) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Kläger wurde sowohl als Maschinist, Maschinenführer und Lkw-Fahrer als auch als Gartenbauhelfer eingesetzt. Die Schuldnerin beschäftigte mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes.

Mit Schreiben vom 29.04.2009, dem Kläger am 30.04.2009 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2009. Gleichzeitig stellte er den Kläger ab 01.05.2009 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung mit seiner am 12.05.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Der Beklagte hat von insgesamt acht Gartenbauhelfern dem Kläger und dem Arbeitnehmer X. gekündigt. Bei der Sozialauswahl verglich er alle Gartenbauhelfer. Er vergab Sozialpunkte und zwar für jedes Lebensjahr und für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit jeweils einen Punkt, für Unterhaltspflichten zwei Punkte und für eine Schwerbehinderung fünf Punkte. Die acht Gartenbauhelfer waren zwischen 40 und 59 Jahre alt. Der Beklagte bildete eine Altergruppe für die 40 bis 49-jährigen und eine für die 50-59-jährigen. Jeder Altergruppe gehörten vier Arbeitnehmer an. Im Einzelnen:

Name

Geburtsdatum

Eintrittsdatum

Unterhaltspflichten Schwerbehinderung

Sozialpunkte

40-49 Jhr.

W.

22.02.1960

01.09.1989

ledig

68

U.

17.03.1960

11.03.1996

verh., 1 Kind

62

T.

05.01.1966

23.02.2000

ledig

51

S.

31.10.1968

02.04.1990

ledig, 1 Kind

60

50-59 Jhr.

X.

21.01.1953

24.09.1990

geschieden

75

gekündigt

R.

01.04.1953

03.04.2000

schwerbehindert

72

Q.

05.04.1954

04.03.1996

verh., 3 Kinder

73

Kläger

08.07.1957

01.04.1993

verh.

68 (70)

gekündigt

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 29.04.2009, zugegangen am 30.04.2009, nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts vom 26.08.2009 (dort Seite 2 – 6 = Bl. 43-47 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung u.a. ausgeführt, die durchgeführte Sozialauswahl sei fehlerhaft. Der Beklagte habe acht Gartenbauhelfer miteinander verglichen und zwei Altersgruppen gebildet. Aus der Gruppe der 50 bis 59-jährigen habe er dem Kläger und Herrn X. gekündigt. Aus der Gruppe der 40 bis 49-jährigen habe er keinem Helfer gekündigt. Zumindest gegenüber den Helfern U. und T. sei der Kläger sozial schutzwürdiger. Diese Mitarbeiter seien nicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus der Sozialauswahl herauszunehmen, weil deren Weiterbeschäftigung zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse des Beklagten läge. Der Beklagte habe in keiner Weise vorgetragen, welche konkreten Nachteile sich ergeben würden, wenn er die zu kündigenden Arbeitnehmer allein nach dem Maßstab des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausgewählt hätte. Darüber hinaus habe der Beklagte auch erkennbar nur aus der Altersgruppe der 50 bis 59-jährigen zwei Mitarbeitern gekündigt, was den Regelun...

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