Rz. 20

§ 14b Abs. 1 AO unterscheidet in seinen beiden Sätzen danach, ob die ausländische Körperschaft mit Blick auf ihre "Rechtsfähigkeit" auch "nach inländischem Gesellschaftsrecht (…) als juristische Person zu behandeln ist". Die Vorschrift knüpft damit an die gesellschaftsrechtlichen Folgen einer Verlegung des Verwaltungssitzes an.

 

Rz. 21

In Deutschland wurde in der Vergangenheit in diesen Fällen die sog. "Sitztheorie" vertreten, nach der sich das auf die Gesellschaft anwendbare Recht allein nach dem Recht des Staates richtet, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen (Verwaltungs-)Sitz hat.

 

Rz. 22

Nach einem zunächst vorherrschenden traditionellen Verständnis dieser Sitztheorie wurde die ausländische Gesellschaft in Ermangelung einer Neugründung auf Grundlage der inländischen Bestimmungen als rechtlich inexistent betrachtet. Ihr wurde im Inland die Rechtsfähigkeit abgesprochen, um ihr dadurch die Teilnahme am Rechtsverkehr unmöglich zu machen.[1] Später modifizierte der BGH[2] jedoch diese Sichtweise. Er blieb danach zwar dabei, dass die ausländische Körperschaft infolge einer Verlegung seiner Geschäftsleitung in das Inland mangels vorhandener Eintragung in das Handelsregister ihre Rechtspersönlichkeit, also ihre Anerkennung als juristische Person verlor und nach den danach bestehenden Vorschriften als solche neu gegründet werden musste. Bis dahin war sie in Deutschland jedoch als rechtsfähige Personengesellschaft, also als GbR oder oHG, bzw. im Falle nur eines Gesellschafters als Einzelunternehmen zu behandeln.

 

Rz. 23

Nach Auffassung des EuGH[3] verstieß es jedoch gegen die Niederlassungsfreiheit der Art. 49 und 54 AEUV, wenn eine im EU-und EWR-Ausland rechtswirksam gegründete Körperschaft im Inland lediglich infolge der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes nicht mehr als rechtsfähige juristische Person anerkannt wird.

 

Rz. 24

In der Folge ist für EU-/EWR-Gesellschaften daher – entsprechend der in angelsächsischen Ländern vorherrschenden "Gründungstheorie" – für die Bestimmung ihrer Rechtspersönlichkeit und ihrer Rechtsfähigkeit auf das Recht des Staates abzustellen, in dem die Gesellschaft gegründet wurde. Die einmal in diesem anderen EU-/EWR-Staat erlangte Rechtspersönlichkeit geht danach nicht dadurch verloren, dass die ausländische Körperschaft ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt.

 

Rz. 25

Für Körperschaften, die dagegen in Staaten außerhalb des EU-/EWR-Gebiets gegründet wurden, führt die Verlegung ihres Verwaltungssitz in das Inland jedoch auf Grundlage der (modifizierten) Sitztheorie weiterhin dazu, dass sie bis zu einer Neugründung nicht mehr als juristische Personen qualifiziert werden können, bis dahin aber als rechtsfähige Personengesellschaf bzw. Einzelunternehmen zu behandeln sind.[4] Diese Körperschaften sind durch die Regelung des § 14b Abs. 1 Satz 2 AO erfasst ("Körperschaften im Sinne des Absatzes 1 Satz 2"), auch wenn die Vorschrift – m. E. missverständlich – darauf abstellt, dass die ausländische Körperschaft nach inländischem Gesellschaftsrecht „mangels Rechtsfähigkeit“ nicht als juristische Person zu behandeln ist. Denn durch die Sitzverlegung verlieren sie zwar ihre Rechtspersönlichkeit, also ihre Eigenschaft als juristische Person, nicht aber ihre Rechtsfähigkeit (s. bereits Rz. 7). Praktisch bedeutsam ist der Zuzug aus dem Nicht- EU-/EWR-Ausland insbesondere nach dem sog. Brexit im Fall der britischen Limited[5] und LLP.[6]

Rz. 26-29 einstweilen frei

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