Entscheidungsstichwort (Thema)

Häusliches Arbeitszimmer eines psychologischen Gutachters

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einem insbesondere von Strafgerichten beauftragten psychologischen Gutachter stellt das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit dar.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob das häusliche Arbeitszimmer des Klägers den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Tätigkeit bildet.

Der Kläger war im Streitjahr ledig und erzielte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit aus seiner Arbeit als psychologischer Gutachter. Er wurde vor allem in Überprüfungsverfahren der Strafvollstreckungskammern beauftragt, teils auch von Einrichtungen des Maßregelvollzugs. Die Gutachten verfasste er im häuslichen Arbeitszimmer; ein anderer Arbeitsplatz stand ihm dazu nicht zur Verfügung.

Im Rahmen der Gewinnermittlung für das Streitjahr 2020 erklärte er Betriebsausgaben für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 2.384,64 EUR. Der Beklagte erließ am 21.07.2021 einen erklärungsgemäßen Einkommensteuerbescheid 2020, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. In den Erläuterungen wurden Informationen und Unterlagen im Zusammenhang mit dem Arbeitszimmer angefordert.

Der Kläger reichte diese Unterlagen ein und erläuterte seine Tätigkeit. Er gab an, das Ausarbeiten und Schreiben der Gutachten sowie die umfangreiche Aktenauswertung fänden in seinem Arbeitszimmer statt. Diese Tätigkeiten stellten den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit dar. Außerhalb des Arbeitszimmers fänden zwar Explorationen und Untersuchungen sowie Gerichtstermine statt, dies aber zeitlich in einem untergeordneten Rahmen, für Juli 2021 zum Beispiel drei Wochenstunden extern zu 40 Stunden am Schreibtisch. Er schätze, das Verhältnis liege insgesamt zwischen 1 zu 3 und 1 zu 5.

Mit Bescheid vom 02.09.2021 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2020 und setzte die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer auf 1.250 EUR herab. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass fraglich sei, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit als psychologischer Gutachter bilde. Entscheidend sei der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit. Da die Tätigkeit des Klägers ohne die Explorationen, Untersuchungen und Gerichtstermine nicht möglich sei, sei das häusliche Arbeitszimmer nicht der Mittelpunkt der Tätigkeit.

Der Kläger legte dagegen Einspruch ein und führte aus: Neben der deutlich überwiegenden zeitlichen Komponente liege auch der Mittelpunkt der Tätigkeit dort. Die Befunderhebung und die Gespräche mit dem zu beurteilenden Patienten seien zwar Teil der Arbeit. Das geschuldete Arbeitsergebnis sei aber das Gutachten. Der wesentliche Teil der Arbeit sei die Auswertung der vorliegenden Informationen aus früheren Gutachten und Befunderhebungen. Die Exploration solle nur den aktuellen Zustand des Patienten erfassen, der aber in einen zeitlichen Kontext zur bisherigen Entwicklung zu setzen sei. Er sei kein Psychotherapeut. Er arbeite sich erst umfangreich in vorangegangene Gutachten ein, führe dann das Probandengespräch und werte dann alles in Form eines neuen Gutachtens aus. Die Erstellung des Gutachtens sei kein „Herunterschreiben”, sondern die eigentliche Tätigkeit.

Auf die Einspruchsbegründung und den weiteren Schriftverkehr zwischen den Beteiligten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.11.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der maßgebliche inhaltliche, qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers liege (auch) in der Exploration der Probanden. Für die Einschätzung der aktuellen und zukünftigen Situation des Probanden sei diese Tätigkeit unerlässlich. Es handele sich dabei nicht nur um eine vorbereitende Begleittätigkeit, die dazu führen würde, dass der Mittelpunkt der Tätigkeit im Arbeitszimmer läge. Anders als im Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.02.2003 (VI R 84/02) zugrunde gelegen habe, könne die Exploration nicht anderen Personen übertragen werden. Vielmehr komme der Gesprächsführung eine entscheidende Rolle zu. Die Tätigkeit des Klägers sei mit der Tätigkeit eines medizinischen Gutachters vergleichbar (Verweis auf BFH, Urteil vom 23.01.2003, IV R 71/00).

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter und wiederholt und vertieft seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2020 vom 02.09.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2021 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 34.363 EUR festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Die Sache ist am 23.06.2022 vor dem Berichterstatter erörtert und am 18.08.2022 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf die Sitzungsniederschriften, insbesondere auf die protokollierte Anhörung des Klägers im Erörterungstermin, ...

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