Zeitpunkt der Verlustrealisierung nach § 17 EStG

Die zeitliche Zuordnung der Gewinn- bzw. Verlustrealisation für einen Gewinn bzw. Verlust i. S. d. § 17 EStG erfolgt zwingend auf einen bestimmten Zeitpunkt; es ist nicht denkbar, dass die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu einer Feststellung von 2 oder mehr Realisationszeitpunkten führen, von denen der Steuerpflichtige nach Belieben einen wählen kann.

Sachverhalt:
Der Kläger hielt ab 22.1.2008 eine 34,92 %ige Beteiligung an der A GmbH zu Anschaffungskosten von 8.800 EUR. Die A GmbH stellte am 19.5.2009 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Bei Abschluss des Insolvenzverfahrens wurden 1.527 EUR an die Gläubiger der GmbH ausgezahlt, was eine Insolvenzquote von 0,368 % bedeutet. Das Insolvenzverfahren wurde nach Vollziehung der Schlussverteilung in 2012 aufgehoben. In seiner ESt-Erklärung für das Streitjahr 2011 machte der Kläger einen Verlust i. S. v. § 17 EStG im Teileinkünfteverfahren aus der Auflösung der GmbH i. H. v. 8.800 EUR x 60 % = 5.280 EUR geltend. Das Finanzamt erkannte dies nicht an mit der Begründung, dass der Verlust für 2009 hätte erklärt werden müssen, da dann bereits festgestanden habe, dass der Kläger nicht mehr mit einer Auskehrung auch nur von Teilen des Stammkapitals habe rechnen können. Der Kläger ist dagegen der Auffassung, dass dies in 2009 noch nicht festgestanden habe, denn es seien später noch Zahlungen an die Gläubiger erfolgt.

Entscheidung:
Die Klage ist als nicht begründet abzuweisen. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung setzt die Realisierung eines Auflösungsverlustes nach § 17 EStG nicht nur die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft voraus, sondern auch, dass feststeht, ob und in welcher Höhe der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG beteiligte Gesellschafter mit einer Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann. Dies ist regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation möglich. Der BFH bestimmt jedoch auch, dass ausnahmsweise eine Berücksichtigung des Auflösungsverlustes bereits vor dem Abschluss eines Liquidationsverfahrens in Betracht kommt, wenn aufgrund der Konkurseröffnungsbilanz oder einer Zwischenbilanz mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft die Schulden nicht mehr decken wird. Vor diesem Hintergrund war der Verlust vorliegend nicht erst 2011 nach Vollzug der Schlussverteilung realisiert, sondern bereits 2009. Denn in diesem Jahr war dem Grunde nach sicher absehbar, dass der Kläger mit keinerlei Auskehrungen mehr rechnen konnte, und auch die Höhe des Verlustes stand fest. Es ist nicht denkbar, dass die Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu einer Feststellung von 2 oder mehr Realisationszeitpunkten führen, von denen der Steuerpflichtige nach seinem Belieben einen wählen kann.
Praxishinweis:
Das Urteil überrascht nicht, da es der BFH-Rechtsprechung entspricht (BFH, Urteil v. 3.6.1993, VIII R 81/91, BStBl 1994 II S. 162). Demnach ist für die Realisierung eines Verlusts nach § 17 EStG ausschließlich der Zeitpunkt der Entstehung des Verlustes relevant. Dies führt in der Praxis dazu, dass ein erheblicher Aufwand betrieben werden muss, um das GmbH-Vermögen zu bewerten und Prognosen über den Ausgang des Liquidationsverfahrens anzustellen, um nicht den Zeitpunkt der Verlustentstehung zu versäumen. Also sollten Sie die Verluste „Im Zweifel mehr und im Zweifel früher“ geltend machen. Korrigieren kann das Finanzamt später immer noch, sofern es anderer Meinung ist.

FG Köln, Urteil v. 26.11.2014, 7 K 1444/13, Haufe Index 7667150


Schlagworte zum Thema:  Einkommensteuer, Beteiligung, Verlust