Rechnungsabgrenzung erhaltener Zahlungen

Eine Schätzung der "bestimmten Zeit" als Tatbestandsvoraussetzung für eine passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Einnahmen ist zulässig, wenn sie auf "allgemeingültigen Maßstäben" beruht. Daran fehlt es, wenn die angewendeten Maßstäbe auf einer Gestaltungsentscheidung des Steuerpflichtigen beruhen, die geändert werden könnte.

Eine Passivierung erhaltener Zahlungen für eine noch ausstehende zeitraumbezogene Leistung ist nicht als erhaltene Anzahlung, sondern nur unter den Voraussetzungen der passiven Rechnungsabgrenzung möglich.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung für die Bildung von passiven Rechnungsabgrenzungsposten

Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG – gleichlautend in § 250 Abs. 2 HGB – sind als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite der Bilanz Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.

Sachverhalt: Fortlaufender ratierlicher Zufluss von Honoraren bei einer Projektentwicklungsgesellschaft

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin im Streitjahr 2008 erhaltene Projektentwicklungshonorare durch

  • Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens (RAP),
  • hilfsweise durch Passivierung einer Anzahlung oder
  •  durch eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands, neutralisieren konnte.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Sie gehört zu der in der Immobilienbranche tätigen A-Unternehmensgruppe. Innerhalb dieser Gruppe übernimmt sie die für die erfolgreiche Umsetzung geplanter Bauvorhaben erforderlichen Projektentwicklungsmaßnahmen und schließt dazu mit Projektgesellschaften der A-Gruppe Projektentwicklungs- und -durchführungsverträge ab. Für ihre Leistungen erhält sie als Regiekosten beziehungsweise Regieerlöse bezeichnete Honorare, die Teil der für das jeweilige Objekt kalkulierten Gesamtinvestitionskosten oder Verkaufspreise sind. Die Regiekosten sind verteilt auf die voraussichtliche Laufzeit des jeweiligen Projekts in regelmäßigen Raten zu zahlen.

Im Streitjahr war die Klägerin an der Entwicklung von zwölf großen Bauprojekten beteiligt. Die Vergütung der Klägerin für die mit Abschluss dieses Vertrags übertragenen Tätigkeiten (Leistungen der Klägerin für Projektentwicklung, technische und wirtschaftliche Projektbetreuung) bestand nach den Projektverträgen in einem pauschalen Tätigkeitshonorar. Das pauschale Tätigkeitshonorar wurde in monatlichen Raten fällig. Die Auszahlung der Monatsraten erfolgt jeweils am Ende eines Quartals für die Monatsraten des jeweiligen Quartals. Die Höhe der monatlichen Raten ergab sich aus einem Zahlungsplan.

Die Klägerin nahm in ihrer Gewinnermittlung für das Streitjahr eine passive Rechnungsabgrenzung von 5.028.080,21 EUR vor, der eine Aufteilung der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen in fünf Phasen zugrunde lag, während derer ein in einem Prozentsatz darzustellender Anteil der Gesamtleistung zu erbringen war. In einer unter anderem für das Streitjahr durchgeführten Außenprüfung beanstandete der Prüfer den gebildeten passiven RAP. Es fehle der erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den in den Projektverträgen zugrunde gelegten Zahlungsplänen und den durch die Klägerin zu erbringenden Leistungen. Die Leistungsermittlungen beruhten nur auf Schätzungen der Klägerin, deren Grundlagen nicht bekannt seien. Es sei allerdings von einem Erfüllungsrückstand der Klägerin zum 31.12.2008 auszugehen, der auf 2,5 Mio. EUR geschätzt werde; insoweit sei eine Rückstellung zu bilden.

Einspruch und Klage waren erfolglos

Das FA folgte dem Bericht des Prüfers und erließ einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2008. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht Düsseldorf wies die daraufhin erhobene Klage als unbegründet ab.

BFH hält die Revision der GmbH & Co. KG für unbegründet

Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führt der BFH u.a. aus:

  • § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG und § 250 Abs. 2 HGB sollen gewährleisten, dass ein vom Steuerpflichtigen vorab vereinnahmtes Entgelt entsprechend dem Realisationsprinzip erst dann ‑ durch Auflösung des passiven RAP ‑ erfolgswirksam wird, wenn der Kaufmann seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat. Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es "Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag" darstellt, muss jedoch eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen. Für eine bereits vollzogene Leistung darf eine Rechnungsabgrenzung nicht erfolgen.Wegen der für eine Rechnungsabgrenzung nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG erforderlichen zeitlichen Zuordenbarkeit des Entgelts ("bestimmte Zeit") muss die noch ausstehende Gegenleistung zeitbezogen oder periodisch aufteilbar sein. Als Zeitmaßstab kann daher nur eine Größe anerkannt werden, die ‑ wie etwa ein kalendermäßig festgelegter oder berechenbarer Zeitraum ‑ nicht von vornherein Zweifel über Beginn und Ende des Zeitraums aufkommen lässt. Individuelle Schätzungen der Dauer der Gegenleistung hat die Rechtsprechung daher nicht als ausreichend angesehen, wohl aber eine Schätzung aufgrund allgemeingültiger Maßstäbe. Danach ist die Entscheidung des FG, die von der Klägerin im Streitjahr erhaltenen Honorarzahlungen stellten in dem von ihr abgegrenzten Umfang nicht Ertrag für eine "bestimmte Zeit" nach dem Bilanzstichtag dar, nicht zu beanstanden. Auch die zeitliche Zuordnung der erhaltenen Zahlungen durch die Klägerin genügt nicht den Anforderungen an die Bildung eines passiven RAP, da es sich um nicht hinreichend kontrollierbare Schätzungen der Klägerin handelt.
  • Im Ergebnis zutreffend hat das FG es auch abgelehnt, die im Streitjahr erhaltenen Honorare in dem von der Klägerin begehrten Umfang als erhaltene Anzahlungen zu passivieren. Eine Passivierung erhaltener Anzahlungen auf Bestellungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 264a Abs. 1, § 266 Abs. 3 Abschn. C Nr. 3 HGB ist dort vorzunehmen, wo Vorleistungen auf eine zu erbringende Lieferung oder Leistung erfolgen. Als Leistung kommt hierbei auch eine Dienstleistung in Betracht. Eine Vorleistung ist dann nicht mehr anzunehmen, wenn der Anspruch, auf den geleistet wird, rechtlich bereits entstanden ist.Das Ziel der Passivierung einer Anzahlung, ein vereinnahmtes Entgelt erst dann erfolgswirksam zu erfassen, wenn es durch Erbringung der dafür noch ausstehenden Gegenleistung realisiert ist, ist zwar mit dem Zweck eines passiven RAP vergleichbar. Anders als ein Entgelt, für das ein passiver RAP gebildet werden kann, ist eine nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 266 Abs. 3 Abschn. C Nr. 3 HGB zu passivierende Anzahlung jedoch weder selbst auf einen bestimmten Zeitraum bezogen, noch hängt ihre Bilanzierbarkeit von einer zeitraumbezogenen Gegenleistung ab. Handelt es sich also bei der Leistung, für die die Zahlung erfolgt, um eine zeitraumbezogene und keine zeitpunktbezogene Leistung, kann die Passivierung der Zahlung nur im Wege eines passiven RAP nach Maßgabe des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG, nicht aber als Anzahlung passiviert werden.
  • Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG schließlich auch insoweit, als das FG eine Erhöhung der vom FA bereits berücksichtigten Rückstellung für einen Erfüllungsrückstand der Klägerin abgelehnt hat. Im Streitfall hat das FG die Schätzung des FA nicht beanstandet, die Höhe des Leistungsrückstands der Klägerin gegenüber ihren Auftraggebern zum Bilanzstichtag 31.12.2008 mit nur 2,5 Mio. EUR anzunehmen. Detaillierte Angaben, in welchem Umfang die Klägerin sich zum Bilanzstichtag in einem Erfüllungsrückstand befunden habe, wurden nicht gemacht. Ohne konkrete Daten zu dem gesamten Erfüllungsaufwand der betroffenen Objekte und dem davon am Bilanzstichtag noch ausstehenden Anteil kann die Höhe des Erfüllungsrückstands und damit die Höhe der Rückstellung nicht bestimmt werden.

BFH, Urteil v. 26.7.2023, IV R 22/20; veröffentlicht am 28.9.2023

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