Erlass von Nachzahlungszinsen
Sachverhalt:
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb hatten. Die getrennte Veranlagung führte beim Ehemann zunächst zu einer Steuerfestsetzung von Null. Ab März 2011 wurde eine Betriebsprüfung bei einer Gesellschaft durchgeführt, an der eine Beteiligung des Klägers bestand. Auf der Grundlage der Feststellungen der Betriebsprüfung kam es zu einer geänderten Gewinnzuweisung und nunmehr einer Steuerfestsetzung i. H. v. 328.000 EUR sowie der Festsetzung von Nachzahlungszinsen i. H. v. 80.000 EUR ab April 2008 gem. § 233a AO. Nunmehr wurde Zusammenveranlagung beantragt, wodurch sich die Einkommensteuer auf 151.000 EUR reduzierte. Die Festsetzung der Zinsen blieb unverändert. Der Kläger beantragte nunmehr den Teilerlass i. H. v. 40.000 EUR bei den Nachzahlungszinsen. Er verwies auf die nunmehrige Zusammenveranlagung. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Der Kläger erhob daraufhin Klage. Er begründete dies vor allem damit, dass nur die endgültig festgesetzte Steuer von 151.000 EUR verzinst werden dürfe.
Entscheidung:
Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg, da die Ablehnung des Teilerlasses der Zinsen ermessenfehlerhaft und damit rechtswidrig sei. Zwar entspräche es der Gesetzeslage, dass auf den Einkommensteuerbetrag vor Berechnung unter Anwendung einer Zusammenveranlagung Zinsen berechnet worden seien. Bei einem Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung – und um ein solches handele es sich bei der Beantragung der Zusammenveranlagung – sei der Zinslauf zwar abweichend zu berechnen. Nach dem Gesetz ergebe sich hieraus aber keine Änderung für die bereits festgesetzten Zinsen. Diese Gesetzeslage sei jedoch im Einzelfall unbillig. Zwar könne das Gericht selber nicht abschließend über den Erlass entscheiden, doch müsse das Finanzamt neu über den Antrag bescheiden. Hierbei sei insbesondere zu beachten, dass nicht ersichtlich sei, welchen Liquiditätsvorteil der Kläger gehabt habe. Auch habe sich das Finanzamt bislang nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Ausübung eines gesetzlichen Wahlrechts eine Zinsfestsetzung erst ab der Kenntnis von einer belastenden Feststellung auslöst.
Praxishinweis:
§ 233a AO, der die sog. Vollverzinsung regelt, gehört wohl zu den in der Rechtsanwendung schwierigsten Bestimmungen der gesamten AO. Ist der Ausgangsfall der Verzinsung 15 Monate nach dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2AO), noch als relativ einfach anzusehen, bereitet es erhebliche Probleme den richtigen Zinsbetrag zu ermitteln, wenn die Steuerfestsetzung später geändert wird. Es sind dann Teilunterschiedsbeträge zu verzinsen (s. Schwarz, AO, § 233a AO, Rz. 21b). Hier lag das Hauptproblem darin, dass der erstmalige Antrag auf Zusammenveranlagung als ein Ereignis mit Rückwirkung anzusehen war (BFH, Urteil v. 3.3.2005, III R 22/02, BStBl 2005 II S. 690). Ein solches Ereignis hat aber nach der gesetzlichen Regelung des § 233a Abs. 7 Satz 2 AO keine Auswirkungen auf die Zinsen. Der Sinn und Zweck der Bestimmung des § 233a AO ist indes, in typisierter Form eingetretene Zinsvorteile bei einem Steuerpflichtigen abzuschöpfen bzw. Zinsnachteile zu beseitigen. Die Regelung hat damit keinen Strafcharakter, auch wenn dies von Steuerpflichtigen oftmals anders empfunden wird. Allerdings hatte hier der Kläger gar keinen Zinsvorteil erlangt, sodass die Festsetzung der Zinsen zumindest in der Höhe vor Beantragung der Zusammenveranlagung der Wertung des Gesetzes zuwider lief. Die Entscheidung des FG erscheint damit zutreffend, auch wenn das Gericht selber keinen Erlass aussprechen konnte, sondern nur die Entscheidung des Finanzamts aufheben konnte. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
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