BFH hält Zinsschranke für verfassungswidrig

Der BFH legt dem BVerfG die Frage vor, ob die sog. Zinsschranke wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig ist.

Hintergrund

Die K-GmbH, die sich im Immobilienbereich betätigt, ist ein verbundenes Unternehmen in der A-Gruppe. In den KSt-Bescheiden für die Streitjahre 2008/2009 ließ das FA - unter Anwendung der Zinsschranke - Zinsaufwendungen nur beschränkt zum Abzug zu und stellte den verbleibenden Zinsvortrag jeweils für die Folgejahre gesondert fest (§ 8a KStG i.V.m. § 4h EStG).

Dagegen erhob die GmbH Klage, mit der sie die Verfassungswidrigkeit der Zinsschrankenregelung geltend machte. Die Klage blieb erfolglos. Das FG führte im Wesentlichen aus, das objektive Nettoprinzip sei nicht verletzt, da der Betriebsausgabenabzug wegen der Vortragsmöglichkeit lediglich zeitlich verschoben werde.

Entscheidung

Der BFH widerspricht dem FG. Der Besteuerung des Nettoeinkommens wird nicht bereits dadurch genügt, dass nicht abziehbarer Zinsaufwand als Zinsvortrag in späteren Veranlagungszeiträumen einkommenswirksam werden kann. Für eine veranlagungszeitraumübergreifende Betrachtung und damit die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips müssen vielmehr besondere sachliche Gründe vorliegen. Die dazu von der Verwaltung, einigen FG und Teilen des Schrifttums angeführten Argumente weist der BFH allerdings zurück:

  • Die in der Gesetzesbegründung angeführten Lenkungszwecke der Stärkung der Eigenkapitalbasis oder der Anreize für Auslandsinvestitionen werden verfehlt.
  • Der Zweck der Sicherung des deutschen Steuersubstrats kann den Besteuerungszugriff in einem "reinen Inlandsfall" nicht rechtfertigen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Zinsschranke zur Vermeidung unkalkulierbarer Steuerausfälle geboten wäre.
  • Auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Missbrauchstypisierung ist nicht genügt. Die Typisierungsgrenzen sind bereits deshalb überschritten, weil die Zinsschranke nicht auf grenzüberschreitende Situationen beschränkt ist. Die Ausweitung auf Inlandsfälle erscheint nicht erforderlich. Außerdem sind die Typisierungsgrenzen auch wegen nicht zielgerichteter Ausgestaltung i.S. einer Missbrauchsabwehr überschritten.
  • Die Regelung ist, da sie in ihrer Tatbestandsbreite darüber hinausgeht, auch nicht im Hinblick auf vergleichbare ausländische Vorschriften geboten.

Da der BFH somit von der Verfassungswidrigkeit ausgeht, musste er das anhängige Revisionsverfahren aussetzen und die Frage der Verfassungsmäßigkeit nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem BVerfG vorlegen.

Hinweis

Der BFH hatte bereits in einem AdV-Verfahren - d.h. im Rahmen einer lediglich summarischen Prüfung - auf ernstliche Zweifel an der Verfassungskonformität der Zinsschranke hingewiesen (Beschluss v. 18.12.2013, I B 85/13, BStBl II 2014, 947). Im Hinblick darauf war die jetzt erfolgte BVerfG-Vorlage erwartet worden. Das BMF hatte auf den AdV-Beschluss v. 18.12.2013 mit einem Nichtanwendungserlass reagiert (BMF v. 13.11.2014, BStBl I 2014, 1516). Das BMF begründete dies insbesondere mit den "Gefahren für die öffentlichen Haushalte". Dieser Grund für die Rechtfertigung einer Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips wird vom BFH deutlich zurückgewiesen. Es darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass auch innerhalb des BFH unterschiedliche Meinungen vertreten werden (für Verfassungswidrigkeit z.B. Gosch, DStR 2007, S. 1553, 1559; a.A. Heuermann DStR 2013, S. 1,2).

Der BFH ergänzt, dass die verfassungsrechtliche Bewertung nicht dadurch beeinflusst wird, dass die allgemeine Möglichkeit besteht, im Einzelfall im Billigkeitswege eine Steuerfestsetzung in der Höhe zu erreichen, wie sie einer Nichtanwendung der Zinsschranke entspricht. Im Übrigen verstößt die Regelung nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Auch der Grundsatz der Normenklarheit ist nach Auffassung des BFH nicht verletzt.

BFH, Beschluss v. 14.10.2015, I R 20/15, veröffentlicht am 10.2.2016