Leitsatz

1. Die beim Leasing-Restwertmodell von einem Kraftfahrzeug-Händler an einen Automobilproduzenten zur Übernahme des Restwertrisikos (Restwertabsicherung) zu leistenden "Beteiligungsbeträge" sind im Zeitpunkt der Zusage der Restwertabsicherung nicht als Verbindlichkeit zu passivieren.

2. Der Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung in Höhe der beim Fahrzeugrückerwerb zu leistenden "Beteiligungsbeträge" steht der Grundsatz der (Nicht‐)­Bilanzierung schwebender Geschäfte entgegen.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 238ff., § 247 Abs. 1, § 249 Abs. 1 Satz 1, § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4a Satz 1, Abs. 4b Satz 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 90 Abs. 2, § 107, § 121 Satz 1, § 126 Abs. 2, § 135 Abs. 2 und 4 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist u.a. im Handel mit Kfz sowie der Vermittlung von Leasingverträgen tätig.

Im Jahr 2009 hatte der Automobilproduzent A ein sog. Leasing-Restwertmodell eingeführt. Der Kfz-Händler vermittelt dem Kunden einen Leasingvertrag und veräußert das Kfz an die Leasinggesellschaft (B). Der Kfz-Händler verpflichtet sich, das Kfz am Ende der Laufzeit zu einem bereits zu Beginn des Leasingvertrags mit B vereinbarten Kaufpreis zurückzunehmen.

Gegen die Zusage, einen Beteiligungsbetrag an A zu leisten, kann der Kfz-Händler zugleich am Leasingvertragsende eine Ausgleichszahlung von A erhalten, wenn der zu Beginn des Leasings zwischen dem Kfz-Händler und B vereinbarte Restwert höher ist als der tatsächliche Wert des Kfz am Ende der Leasinglaufzeit (sog. Restwert-Absicherung). Der Beteiligungsbetrag des Kfz-Händlers wird ebenfalls erst am Leasingvertragsende fällig. Die Höhe des Beteiligungsbetrags legt A zu Beginn der Leasinglaufzeit durch ein Info-Schreiben fest.

Die Klägerin nahm an diesem Modell teil. Sie sicherte das Restwert-Risiko bei A zu 100 % ab. Den im Info-Schreiben genannten Beteiligungsbetrag stellte sie zu Beginn der jeweiligen Leasinglaufzeit gewinnmindernd als Verbindlichkeit ein. Nach Ablauf des Leasingvertrags (und Erhalt einer Endrechnung) löste sie die Verbindlichkeit auf.

Das FA vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, die Verbindlichkeit "Restwertabsicherung" zum 31.12.2013 sei gewinnerhöhend aufzulösen. Eine Verbindlichkeit seitens der Klägerin entstehe erst im Zeitpunkt des Erhalts der Endrechnung nach Ablauf des Leasingvertrags. Der Beteiligungsbetrag werde für das zurückerworbene Kfz gezahlt und gehöre zu dessen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 HGB). Die Bildung einer Rückstellung sei nach § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG ausgeschlossen.

Die Vorinstanz (Thüringer FG, Urteil vom 17.6.2020, 4 K 460/17, Haufe-Index 15017414, EFG 2022, 333) wies die Klage ab. Der zu zahlende Beteiligungsbetrag gehöre zu den Anschaffungskosten des von der Leasinggesellschaft zurückerworbenen Kfz und sei gemäß § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG nicht rückstellungsfähig.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision bereits aus bilanzrechtlichen Gründen zurück. Er bejahte ein schwebendes Geschäft, bei dem kein Erfüllungsrückstand besteht. Die Bildung einer Rückstellung sah er bereits dadurch als ausgeschlossen an. Die Bilanzierung von Verbindlichkeiten zum Bilanzstichtag hielt der BFH für ausgeschlossen, weil die jeweilige Verbindlichkeit ungewiss war. Die Pflicht zur Entrichtung des Beteiligungsbetrags war vom Rückerwerb des Kfz abhängig.

Daneben berichtigte der BFH das Rubrum des Urteils des FG gemäß § 107 FGO.

 

Hinweis

1. Nach § 247 Abs. 1 HGB sind in der Handelsbilanz Schulden zu passivieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und die am zu beurteilenden Bilanzstichtag eine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung darstellt; dies gilt u.a. gemäß § 5 Abs. 1 EStG, § 8 Abs. 1 KStG für die Steuerbilanz.

2. Außerdem dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden (vgl. z.B. BFH, Beschluss des Großen Senats vom 23.6.1997, GrS 2/93, BFH/NV 1997, 476, BStBl II 1997, 735, unter B.I.3.; BFH, Urteil vom 11.10.2007, IV R 52/04, BFH/NV 2007, 1332, BStBl II 2009, 705, unter II.D.2.d; BFH, Urteil vom 7.12.2017, IV R 23/14, BFH/NV 2018, 505, BStBl II 2018, 444, Rz. 22; BFH, Urteil vom 25.7.2019, IV R 49/16, BFH/NV 2020, 15, Rz. 20; BFH, Urteil vom 14.4.2022, IV R 32/19, BFH/NV 2022, 1085, BStBl II 2022, 832, Rz. 27). Während des Schwebezustands besteht die widerlegbare Vermutung, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Beschluss des Großen Senats vom 23.6.1997, GrS 2/93, BFH/NV 1997, 476, BStBl II 1997, 735, unter B.I.3.; BFH, Urteil vom 11.10.2007, IV R 52/04, BFH/NV 2007, 1332, BStBl II 2009, 705, unter II.C.2.d; BFH, Urteil vom 7.12.2017, IV R 23/14, BFH/NV 2018, 505, BStBl II 2018, 444, Rz. 22; BFH, Urteil vom 25.7.2019, IV R 49/16, BFH/NV 2020, 15, Rz. 20; BFH, Urteil vom 14.4.2022, IV R...

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