Die zweite Säule Pillar 2 befasst sich im Rahmen einer Mindestbesteuerung mit folgenden Fragen:
- Wie verhindert man, dass durch neue Technologien Gewinne in Länder mit niedriger oder gar keiner Besteuerung verschoben werden?
- Wie stellt man sicher, dass multinationale Unternehmen zumindest ein Minimum an Steuern bezahlen müssen?
Besteuerungsansatz
Die OECD schlägt eine als "Global Anti-Base Erosion" (GloBE) bezeichnete Mindestbesteuerung basierend auf vier Mechanismen vor, die nachfolgend kurz erläutert werden:
- "Income Inclusion Rule": Diese Regel sieht eine Besteuerung des Einkommens einer ausländischen Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft vor, wenn sie im Quellenstaat lediglich niedrig besteuert wird oder keiner Besteuerung unterliegt.
- "Undertaxed Payments Rule": Diese Regel umfasst eine Abzugsbeschränkung oder die Einführung einer Quellensteuer auf Zahlungen an ein verbundenes Unternehmen, wenn das Einkommen im Staat des verbundenen Unternehmens lediglich niedrig besteuert wird oder gar keiner Besteuerung unterliegt.
- "Subject to Tax Rule": Als Ergänzung zur "Undertaxed Payments Rule" lässt dieser Mechanismus Zahlungen in die Besteuerung zurückfallen oder versagt die Anspruchsberechtigung für weitere Abkommensvorteile aus dem Doppelbesteuerungsabkommen für bestimmte Einkommensbestandteile, wenn diese niedrig besteuert werden oder gar keiner Besteuerung unterliegen.
- "Switch-Over Rule": Diese Regel könnte in Doppelbesteuerungsabkommen übernommen werden und dem Ansässigkeitsstaat die Möglichkeit einräumen, im Falle der Niedrig- oder Nichtbesteuerung des einer Betriebsstätte oder dem unbeweglichen Vermögen zugeordneten Einkommens von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode zu wechseln.
Zur besseren Einordnung möchten wir an dieser Stelle bereits vorwegnehmen, dass es sich bei Pillar 2 gar nicht um ein Verrechnungspreis-, sondern um ein Tax-Accounting-Thema handelt (anders als Pillar 1). Man kann sich Pillar 2 so vorstellen, dass quasi eine neue, weltweit einheitliche Steuerart eingeführt wird.
Man startet mit dem handelsrechtlichen Jahresüberschuss, nimmt dann unzählige Anpassungen vor, um zu dem GloBE Income zu gelangen. Auch der lokale Steueraufwand unterliegt sehr vielen Anpassungen. Erst danach kann man diesen angepassten Steueraufwand durch das GloBE Income dividieren, um die effective tax rate (ETR) zu erhalten. Wenn dieser Steuersatz (je Land) 15 % übersteigt, dann beträgt die top up tax Null. Das heißt, es gibt keinen Pillar 2 Effekt. Wenn die ETR weniger als 15 % beträgt, dann hat die oberste Konzernmuttergesellschaft die Differenz nachzubezahlen. Im Ergebnis ist der Zweck von Pillar 2, dass ein Konzern in jedem oder für jedes Land mindestens 15 % Steuer zahlt.
Hierzu könnte man sich nun folgende Fragen stellen:
- Was passiert, wenn die oberste Muttergesellschaft die Mehrsteuern (top up tax) nicht einfordert? Viele Länder, die gerade an einem lokalen Pillar 2 Gesetz arbeiten, sehen bereits eine Regel vor, dass diese Mehrsteuern von dem Staat, in dem eine nachgelagerte Zwischenholding oder eine Tochtergesellschaft sitzt, eingefordert werden sollen.
- Warum erhält eigentlich die oberste Muttergesellschaft die Mehrsteuern und nicht das jeweilige Land, dessen effektiver Steueraufwand kleiner als 15 % ist? Genau das wird passieren. Wenn ein Niedrigsteuerland weiß, dass der Konzern die Differenz sowieso zahlen muss, warum erhöht es dann den eigenen Steuersatz nicht gleich selbst auf 15 % oder mehr? Die ersten Staaten haben bereits Erhöhungen angekündigt. Das bedeutet aus der Praktikersicht, dass das Thema Mindestbesteuerung in vermutlich 1 bis 3 Jahren keine große Rolle mehr spielen dürfte, weil kaum ein relevanter Industriestaat eine ETR von weniger als 15 % haben wird. Allerdings ist auf Basis der Erfahrungen mit Finanzverwaltungen selbst dann zu befürchten, dass dieses Pillar 2 Monster weiterleben wird, nur damit die Unternehmen den Behörden "sicherheitshalber" jährlich nachweisen, dass die ETR je Land 15 % übersteigt. Unseres Erachtens eine massive Ressourcenfehlallokation im Hinblick auf Behörden und Unternehmen. Man könnte ja eigentlich auch den Spieß umdrehen, indem die OECD und die EU von allen Regierungen einen jährlichen Bericht abverlangt, der den tatsächlichen Durchschnittssteuersatz aller Unternehmen zeigt. Die Differenz zu den 15 % könnte in einen Fond bezahlt werden, mit dem Ressourcen für Verständigungs- und Schiedsverfahren erheblich aufgestockt werden, sodass derartige bi- und multilaterale Verhandlungen in max. 12 anstatt heute durchschnittlich 36 Monaten erledigt werden.
Wesentlichkeitsgrenze für die Anwendung von Pillar 2
Die GloBE-Regeln sollen für multinationale Konzerne gelten, die den unter BEPS-Aktionspunkt 13 (Country-by-Country-Reporting – länderbezogene Berichterstattung) festgelegten Schwellenwert von 750 Mio. EUR überschreiten. Den Staaten ist freigestellt, die IIR auf multinationale Unternehmen anzuwenden, deren Hauptsitz sich auf ihrem Staatsgebiet befindet, selbst wenn...