Rz. 88

[Autor/Stand] Greift für Teile eines Grundstücks eine Steuerbefreiung, beispielsweise nach §§ 3 oder 4 GrStG oder dienen Teile des Grundstücks dem Zivilschutz i.S.d. § 245 BewG, unterliegt nur der übrige (steuerpflichtige) Teil des Grundstücks der Grundsteuer. Denn bei diesen teilweise von der Grundsteuer befreiten Grundstücken bleibt der steuerbefreite Teil bei der Bewertung gem. § 219 Abs. 3 BewG unberücksichtigt[2].

 

Rz. 88.1

[Autor/Stand] An dieser Stelle gilt es zu beachten, dass die Finanzverwaltung bei der Grundsteuerbewertung von ihrer bisher bei der Einheitsbewertung vertretenen Auffassung[4] abgerückt ist und die steuerbefreiten Teile gem. A 249 Abs. 3 Satz 3 AEBewGrSt nunmehr bei der Bestimmung der Grundstücksart mit einbezieht. Dies erstaunt und erscheint zugleich widersprüchlich, da die steuerfreien Grundstücksteile bei der anschließenden Bewertung wiederum außer Ansatz bleiben (vgl. Rz. 88 sowie das Beispiel unter Rz. 89).

 

Rz. 88.2

[Autor/Stand] Zudem stellt sich die Frage, ob die geänderte Verwaltungsauffassung durch die inhaltlich nahezu unveränderte gesetzliche Regelung des § 219 Abs. 3 BewG im Vergleich zur Vorgängerregelung des § 19 Abs. 4 BewG gedeckt ist. Denn im § 219 Abs. 3 BewG heißt es, dass die Feststellungen nach § 219 Abs. 1 und 2 BewG (u.a. Wertfeststellung und Feststellung der Grundstücksart) nur erfolgen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Da steuerbefreite Teile aber nicht für die Besteuerung von Bedeutung sind (und deshalb unstrittig bei der Bewertung unberücksichtigt bleiben), liegt die Auffassung nahe, diese Teile auch bei der Bestimmung der Grundstücksart nicht einzubeziehen. Denn die Grundstücksart hat wiederum entscheidenden Einfluss auf das Bewertungsverfahren und damit auf die Bewertung und könnte somit als Teil der Bewertung angesehen werden.

 

Rz. 88.3

[Autor/Stand] Bemerkenswert ist ferner, dass sich die geänderte Verwaltungsauffassung nur schwerlich aus den koordinierten Ländererlassen vom 9.11.2021[7] herauslesen lässt und dort auch nicht durch erläuternde Beispiele klargestellt wird. In A 249 Abs. 3 Satz 1–3 AEBewGrSt heißt es lediglich:

1 Die Abgrenzung der Grundstücksarten ist vorbehaltlich § 249 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 Satz 1 BewG (siehe auch A 249.10) nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzfläche vorzunehmen. 2 Abzustellen ist auf die tatsächliche Nutzung der Haupträume im Feststellungszeitpunkt. 3 Dies gilt auch für steuerbefreite Gebäude oder Gebäudeteile. [....] ”

Üblicherweise dürfte der Leser davon ausgehen, dass sich das Wort "Dies" zu Beginn des Satzes 3 auf den vorherigen Satz 2 bezieht. Stattdessen sehen die Erlassgeber aber wohl den Bezug auf Satz 1 als gegeben an. Das lässt sich freilich erst unter Hinzunahme der Anleitung zur Anlage Grundstück zur Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts (Vordruck GW-2) zweifelsfrei erkennen. Denn erst dort wird bei den Ausführungen zu "Angaben zur Grundstücksart" klargestellt, dass bei der Festlegung der Grundstücksart stets die gesamte wirtschaftliche Einheit einschließlich steuerbefreiter und steuervergünstigter Flächen zu betrachten ist. Den aufmerksamen Steuerbürgern könnte sich der der Eindruck erwecken, dass die vorbezeichnete Anleitung auch die Aufgabe hat, die neue, aber eher unscheinbar in A 249 Abs. 3 Satz 3 AEBewGrSt aufgenommene Verwaltungsauffassung zu präzisieren.

 

Rz. 88.4

[Autor/Stand] Kritisch anzumerken ist zudem, dass die Regelung sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Lagefinanzämter mitunter zu deutlichem Mehraufwand führt, da auch für die grundsteuerbefreiten Grundstücksteile die Nutzflächen und für die steuerpflichtigen Grundstücksteile die ansonsten ggf. nicht benötigten Brutto-Grundflächen aufwendig ermittelt und überprüft werden müssen, um letztendlich die Grundstücksart bestimmen und die Bewertung durchführen zu können. Dies gilt insb., wenn das Grundstück sowohl öffentlichen Zwecken als auch Wohnzwecken dient (vgl. dazu auch das Beispiel unter Rz. 89). Sinn und Zweck dieser veränderten Verwaltungsauffassung lassen sich in Zeiten des angestrebten Bürokratieabbaus und der Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwands nicht unmittelbar erkennen.

 

Rz. 88.5

[Autor/Stand] Fraglich ist letztendlich auch, ob der Einbezug von steuerfreien Grundstücksteilen bei der Bestimmung der Grundstücksart zu einer zutreffenderen Grundstücksart und in der Folge zu einer besseren Bewertung führt als bei einem Außenvorlassen dieser Teile. Dies darf mitunter angezweifelt werden (vgl. dazu auch das nachfolgende Beispiel unter Rz. 89). In jedem Fall werden sich die Grundstücksarten der betroffenen Grundstücke bei der Einheits- und bei der Grundsteuerbewertung regelmäßig voneinander unterscheiden (vgl. auch Rz. 105).

 

Rz. 89

 

Beispiel:

Das Land NRW besitzt in Bielefeld ein Grundstück, auf dem das Finanzamt nebst Hausmeisterwohnung errichtet wurde (eine wirtschaftliche Einheit). Das Finanzamt dient öffentlichen Zwecken (1.900 m2 Nutzfläche) und die Hausmeisterwohnung den Wohnzwecken des...

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