Rz. 60

Nach Ergehen des Einstellungsbeschlusses (Rz. 48) kann die Unwirksamkeit der Rücknahme wegen § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde geltend gemacht werden, vielmehr hat der Kläger bei dem mit der Sache befassten Gericht – das den Einstellungsbeschluss erlassen hat – unter Bezugnahme auf die Unwirksamkeit der Rücknahme einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu stellen.[1] Bei diesem Fortsetzungsantrag, der im Rahmen des bisherigen Verfahrens erhoben wird, handelt es sich nicht um einen Feststellungsantrag, sondern um einen Antrag zur Fortsetzung des bisherigen Verfahrens.[2] Das Klageverfahren wird durch diese Prozesshandlung – ähnlich der originären Klageerhebung – wieder anhängig i. S. d. § 66 FGO.

Das FG hat in dem fortzusetzenden Verfahren durch Urteil entweder – sofern es die Klagerücknahme als unwirksam ansieht – eine Entscheidung in der Sache zu treffen oder aber – falls es die Klagerücknahme als wirksam ansieht – ebenfalls durch Urteil auszusprechen, dass die Klage wirksam zurückgenommen ist.[3] Im Falle der Unwirksamkeit der Rücknahme hat der FG im Tenor den bereits ergangenen Einstellungsbeschluss i. S. d. § 72 Abs. 2 S. 2 FGO aufzuheben.[4]

Das FG ist auch dann verpflichtet, das Verfahren fortzusetzen, wenn beide Beteiligten davon ausgehen, dass das Verfahren beendet ist und der Streit nur noch darum geht, ob die Verfahrensbeendigung durch Klagerücknahme oder durch übereinstimmende Erledigungserklärungen bewirkt wurde.[5]

Rz. 61 einstweilen frei

 

Rz. 62

Die Geltendmachung der Unwirksamkeit ist gem. § 72 Abs. 2 S. 3 FGO entsprechend § 56 Abs. 3 FGO allerdings nach einem Jahr ausgeschlossen, es sei denn der Fortsetzungsantrag konnte vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt nicht gestellt werden.

Die Jahresfrist beginnt aus Gründen der Rechtssicherheit erst mit der Bekanntgabe des Einstellungsbeschlusses an den Kläger bzw. an den Prozessbevollmächtigten zu laufen.[6] Der Stpfl. der erst nach Ablauf der Jahresfrist die Unwirksamkeit der Rücknahme geltend macht, hat schlüssig darzulegen, warum die Jahresfrist nicht angelaufen oder warum das rechtzeitige Geltendmachen infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen sei.[7] Die nachträgliche Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Rücknahme ist allerdings ausgeschlossen, wenn bereits Streit um die Wirksamkeit der Rücknahme bestanden hat und das Gericht über die Wirksamkeit entschieden hat.[8]

 

Rz. 63

Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches Ereignis, das nicht vorhergesehen und daher auch bei Anwendung der äußersten, billigerweise zu erwartenden Sorgfalt des Beteiligten nicht verhütet werden konnte.[9] Höhere Gewalt kann darüber hinaus auch vorliegen, wenn ein Verfahrensbeteiligter durch das Verhalten der Finanzbehörde oder des Gerichts von einer fristgebundenen Prozesshandlung abgehalten wird.[10] Allerdings entschuldigt mangelnde Rechtskenntnis des Beteiligten eine Fristversäumnis i. d. R. nicht. Den Beteiligten trifft vielmehr die Pflicht, sich sachkundig zu machen und ggf. juristischen Rat einzuholen. Das Vertrauen des Beteiligten auf die richtige Sachbehandlung durch die Behörde und der darauf beruhende Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs rechtfertigen die Annahme von höherer Gewalt daher regelmäßig nicht.[11]

 

Rz. 64

Lehnt das FG eine Fortsetzung des Verfahrens gem. § 72 Abs. 2 S. 3 FGO durch Beschluss ab, ist hiergegen die Beschwerde gegeben.[12]

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