Rz. 27a

Durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz[1] v. 23.6.2017 wurde im Abs. 1a das Sammelauskunftsersuchen aufgenommen. Wie die Gesetzesbegründung[2] zweifelsfrei klarstellt, sollte das bereits nach zuvor geltendem Recht auf der Grundlage des § 93 Abs. 1 S. 3 AO zulässige Sammelauskunftsersuchen nach Maßgabe der zuvor ergangenen Rechtsprechung[3] gesetzlich verankert werden. Eine gesonderte Regelung wäre dementsprechend nicht erforderlich gewesen. Entgegen Abs. 1 S. 3 ist es bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Abs. 1a nicht zu beanstanden, wenn der Stpfl. (noch) unbekannt ist und erst durch die Auskunft bekannt wird oder werden soll. Aus Sicht der Finanzverwaltung soll sich dieses Instrument besonders in solchen Fällen zur Sachverhaltsaufklärung eignen, in denen der Stpfl. nicht unmittelbar selbst am Wirtschaftsleben teilnimmt, sondern Waren und Dienstleistungen durch Vermittler anbieten lässt. So werden im Besonderen Betreiber von Internethandelsplattformen zur Übermittlung der Kundenlisten nebst vermittelten Umsätzen angehalten.[4] Dass die Auskunftspflicht nur unter Missachtung von zivilrechtlich mit den Nutzern der Plattform vereinbarten Geheimhaltungspflichten erfüllt werden kann, steht der Zumutbarkeit der Auskunftserteilung nicht entgegen. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition von Privatpersonen. Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten. Diese gesetzlichen Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen erweitert werden.[5]

 

Rz. 27b

Zulässig ist das Sammelauskunftsersuchen nur dann, wenn ein hinreichender Anlass für die Ermittlung besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. In Abgrenzung zu unzulässigen Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnlichen Ermittlungsmaßnahmen[6] ist es für ein Sammelauskunftsersuchen ausreichend, dass die Finanzbehörde im Rahmen einer Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auskunft voraussichtlich zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen wird.[7] Es muss daher eine über die allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, auf konkreten Anhaltspunkten fußende Vermutung bestehen, dass steuerlich erhebliche Sachverhalte durch das Sammelauskunftsersuchen aufgedeckt werden.[8]

Diesen Anforderungen entspricht es, wenn die Finanzbehörde auf einschlägige Erfahrungswerte im Rahmen von Prüfungen in der identischen Branche zurückgreifen kann.[9] Ergibt sich bei Überprüfung einer großen Zahl von Nutzern einer Internethandelsplattform und eines Internethandelshauses, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen (im Urteilsfall des Niedersächsischen FG 40 %) die Nutzer ihre über die Internethandelsplattform getätigten Umsätze nicht versteuert haben, rechtfertigt dies ein Sammelauskunftsersuchen an andere Internethandelsplattformen. Vergleichbares gilt bei einem Presseunternehmen, in dessen Druckerzeugnissen pseudonymisierte Anzeigen (sog. Chiffre-Anzeigen) geschaltet sind, sodass nicht ohne die Mitwirkung des Presseunternehmens die Zuordnung zu dem jeweiligen Stpfl. möglich ist oder wäre.[10]

 

Rz. 27c

Die Auskunftspflicht des Ersuchten kann nicht weiter gehen, als ihm Daten, die zur Auskunftserteilung benötigt werden, zur Verfügung stehen, bzw. er auf diese zugreifen kann.[11] Dass sich ein Unternehmen zur Geheimhaltung der in Rede stehenden Daten zivilrechtlich gegenüber seinen Nutzern verpflichtet, mag ein Indiz dafür sein, dass dieses Unternehmen tatsächlich auf diese Daten zugreifen kann, anderenfalls hätte es keiner entsprechenden Abrede bedurft. Im Zusammenhang mit der Frage der Verfügbarkeit ist ohne Bedeutung, ob dem Unternehmen wegen rechtlicher, technischer oder zeitlicher Beschränkungen bei der (automatisierten) Abfrage ein ggf. erheblicher Aufwand bei der Erfüllung des Sammelauskunftsersuchens entstehen würde. Ein solcher Aufwand wäre allenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten.[12]

 

Rz. 27d

Die höchstrichterliche Rechtsprechung[13], die der Gesetzgeber in Abs. 1a verankerte, beschäftigt sich mit den besonders strengen Maßstäben, der eine in die Zukunft gerichtete Verpflichtung zur laufenden Erteilung periodisch wiederkehrender Auskünfte genügen muss. Da die periodisch wiederkehrende Auskunft einen besonders hohen Arbeitsaufwand bindet, muss dieser in einem angemessenen Verhältnis zum "Aufklärungsertrag" stehen. Wird ein Auskunftsersuchen ohne jede Einschränkung in Bezug auf Zeit und Umfan...

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