Rz. 40

Nach Abs. 2 S. 6, 1. Halbs. ist von der Festsetzung eines Mitwirkungsverzögerungsgeldes abzusehen, wenn der Stpfl. glaubhaft macht, dass die Mitwirkungsverzögerung entschuldbar ist. Ebenso wie die Festsetzung nach Abs. 2 S. 1 stellt auch das Absehen von der Festsetzung nach Abs. 2 S. 6, 1. Halbs. eine gesetzlich gebundene Entscheidung dar, die der zuständigen Behörde keinen Ermessensspielraum belässt.[1] Die Vorschrift betrifft sowohl den Fall, dass der Stpfl. dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen endgültig nicht oder nicht hinreichend nachgekommen ist, als auch den Fall, dass dies erst nach Ablauf der Frist nach Abs. 1 S. 4 geschehen ist. In beiden Fällen ist ihre Anwendung davon abhängig, dass den Stpfl. keinerlei Verschulden an der Mitwirkungsverzögerung trifft. Schon leichte Fahrlässigkeit steht dem Absehen von der Festsetzung entgegen.[2] Der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab entspricht damit dem, der für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt.[3]

Die Mitwirkungsverzögerung ist daher nur dann entschuldbar, wenn es dem Stpfl. trotz Aufbietung aller ihm zumutbaren Anstrengungen nicht möglich war, das qualifizierte Mitwirkungsverlangen (rechtzeitig) zu erfüllen. Dabei kommt es ebenso wie im Rahmen des § 152 Abs. 1 S. 2 AO auf die persönlichen Verhältnisse des Stpfl. an.[4] Entschuldigungsgründe können sich sowohl aus den persönlichen Umständen des Stpfl.[5] als auch aus besonderen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Informationen und Unterlagen ergeben. Zu denken ist insbesondere an Fälle, in denen lange zurückliegende Vorgänge betroffen sind oder die Mitwirkung anderer Personen wie z. B. ausländischer Geschäftspartner erforderlich ist.[6] Bei der Bewertung der in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme ist zu berücksichtigen, dass ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen und dessen Inhalt nicht absehbar ist und sich der Stpfl. anders als im Fall regelmäßig zu erfüllender Steuererklärungspflichten nicht langfristig darauf einstellen kann.[7]

 

Rz. 41

Die Anwendung des Abs. 2 S. 6 ist nicht von einem ausdrücklichen Antrag des Stpfl. abhängig. Allerdings hat dieser glaubhaft zu machen, dass die Mitwirkungsverzögerung entschuldbar ist. Diese Formulierung ist insoweit unpräzise, als die Entschuldbarkeit das Ergebnis einer aufgrund bestimmter Tatsachen vorzunehmenden rechtlichen Bewertung ist, die als solche nicht Gegenstand einer Beweisführung sein kann. Die Glaubhaftmachung kann sich daher immer nur auf die Tatsachen beziehen, aus denen sich das Werturteil der Entschuldbarkeit ergibt.[8]

Glaubhaftmachung erfordert keinen Vollbeweis der entscheidungserheblichen Tatsachen. Es reicht aus, dass sich bei der von der Finanzbehörde vorzunehmenden Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass den Stpfl. kein Verschulden am Eintritt der Mitwirkungsverzögerung trifft. Eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich.[9] Als Mittel der Glaubhaftmachung kommen nach § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung des Stpfl. in Betracht. Im Einzelfall kann auch die detaillierte Darlegung der maßgeblichen Tatsachen ausreichen, wenn diese nach der Lebenserfahrung und unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände glaubhaft erscheint. Nach § 294 Abs. 2 ZPO kommen als Mittel der Glaubhaftmachung allerdings nur sog. "präsente", d. h. nach ihrer Vorlage bei der Finanzbehörde sofort auswertbare Beweismittel in Betracht.

 

Rz. 42

Die Umstände, aus denen die Mitwirkungsverzögerung entschuldbar ist, können entweder von vornherein, d. h. bei Erlass des qualifizierten Mitwirkungsverlangens, vorgelegen haben oder nachträglich eingetreten sein. Im ersten Fall hätten sie in aller Regel schon Anlass zu einer Anfechtung des qualifizierten Mitwirkungsverlangens oder zumindest zu einer Fristverlängerung nach Abs. 1 S. 4, 2. Halbs. geben können. Der Umstand, dass der Stpfl. die Anfechtung des Mitwirkungsverlangens oder die Stellung eines Fristverlängerungsantrags versäumt hat, steht der nachträglichen Berücksichtigung der Entschuldigungsgründe im Rahmen des Abs. 2 S. 6 nicht entgegen. Gleiches gilt auch dann, wenn ein darauf gestützter Rechtsbehelf gegen das qualifizierte Mitwirkungsverlangen oder ein darauf gestützter Fristverlängerungsantrag endgültig erfolglos geblieben sind. Allerdings dürfte in diesem Fall kaum damit zu rechnen sein, dass die Prüfung im Rahmen des Abs. 2 S. 6 zu einer für den Stpfl. günstigeren Entscheidung führen wird.

Über die Frage, ob die Mitwirkungsverzögerung entschuldbar ist, ist im Rahmen des Verfahrens zur Festsetzung des Mitwirkungsverzögerungsgeldes zu entscheiden. Die Entschuldigungsgründe sind daher von dem Stpfl. ggf. durch Anfechtung des Festsetzungsbescheids geltend zu machen. Vorläufiger Rechtsschutz kann nach § 361 AO bzw. § 69 FGO gewährt werden.

 

Rz. 43

Nach Abs. 2 S. 6, 2. Halbs. ist das Verschulden eines Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen dem Stpfl. zuzurechnen. Diese Regelung stimmt wörtlich mit der nach § 152 A...

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