Leitsatz

1. Die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass der bereits zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung eine Steuerstraftat des Schuldners zugrunde liegt, können gemäß § 177 Abs. 1 InsO nachträglich angemeldet werden.

2. Das FA darf durch Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO feststellen, dass ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist, wenn der Schuldner diesem Umstand isoliert widersprochen hat ­(Bestätigung von Senatsurteil vom 07.08.2018 – ­VII R 24, 25/17, BFHE 262, 208, BStBl II 2019, 19, Rz. 16).

 

Normenkette

§ 177, § 174, § 175, § 184, § 302 InsO, § 251 Abs. 3, § 370 AO

 

Sachverhalt

Über das Vermögen des Klägers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Dem lag ein Eigenantrag zugrunde, der mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung verbunden war. Der Prüfungstermin wurde auf den xx.10.2015 anberaumt.

Vor dem Prüfungstermin meldete das FA Abgabenforderungen i.H.v. 116.642,65 EUR an, ohne auf einen Zusammenhang mit einer Steuerstraftat hinzuweisen. Dem lagen u.a. ESt- und USt-Bescheide für die Jahre 2007 und 2009 bis 2011 zugrunde. Letztlich wurden die Forderungen, ohne dass der Kläger als Schuldner widersprochen hatte, am 5.11.2015 im Wesentlichen wie angemeldet zur Insolvenztabelle festgestellt.

Mit Strafbefehl vom 6.4.2016 wurde der Kläger rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe verurteilt. Dabei ging es um einen Betrag i.H.v. insgesamt 65.178 EUR aus ESt 2007 und 2009 bis 2011 und USt 2009 bis 2011. Im Anschluss beantragte das FA, die Insolvenztabelle dahin gehend zu ergänzen, dass es sich bei den Abgabenforderungen i.H. eines Teilbetrags von 68.472,95 EUR um Forderungen aus einer Steuerstraftat nach § 370 AO handele, für die gemäß § 302 Nr. 1 InsO die Restschuldbefreiung ausgeschlossen sei (Attribut). Der Kläger legte Widerspruch gegen die Anmeldung des Attributs ein, der im Prüfungstermin im schriftlichen Verfahren in die Tabelle eingetragen wurde.

Daraufhin erließ das FA den streitgegenständlichen Feststellungsbescheid. Darin heißt es u.a., der Kläger habe gegen den Rechtsgrund im Einzelnen aufgeführter Abgabenforderungen im Prüfungstermin Widerspruch erhoben, und gemäß § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 Abs. 1 InsO würden hiermit die Forderungen in der im Einzelnen spezifizierten Höhe "als von der Restschuldbefreiung ausgenommene Insolvenzforderungen festgestellt". In den Gründen führte das FA aus, der Kläger sei mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 6.4.2016 wegen Hinterziehung der ESt 2007 und 2009 bis 2011 und der USt 2009 bis 2011 verurteilt worden. Im Klageverfahren änderte das FA am 27.6.2019 den Feststellungsbescheid und formulierte nunmehr: "Gemäß § 251 Abs. 3 AO in Verbindung mit § 179 Abs. 1 InsO werden hiermit die Forderungen aus einem Steuerschuldverhältnis, wegen dem Sie gem. § 370 AO wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden sind, in nachstehender Höhe als Insolvenzforderungen festgestellt: ...". Der Höhe nach ergaben sich keine Änderungen.

Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.7.2021, 16 K 11072/19, Haufe-Index 14783135, EFG 2021, 1871).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

Der Streitfall bot dem BFH Gelegenheit, in Fortführung seiner Entscheidung vom 7.8.2018 (BFH, Urteil vom 7.8.2018, VII R 24/17, BFH/NV 2019, 60, Haufe-Index 12192421) weitere Fragen zu klären, die sich im Zusammenhang mit einem Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO und dem Ausschluss von der Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 Alternative 3 InsO) stellen. Die Finanzbehörde, die einen Steueranspruch als Insolvenzforderung geltend macht, kann nach § 251 Abs. 3 AO"erforderlichenfalls" die Insolvenzforderung durch Verwaltungsakt feststellen.

1. Das FA macht eine Insolvenzforderung geltend, indem es diese nach § 174 Abs. 1 InsO zur Tabelle anmeldet. Dabei sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des FA ergibt, dass der Forderung eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO zugrunde liegt. Der BFH weist darauf hin, dass nicht die Tatsache der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Steuerstraftat anzumelden ist. Es soll nämlich bei der Anmeldung zur Tabelle unbeachtlich sein, wann die Verurteilung tatsächlich erfolgt (BT-Drucks. 17/11268, 32). Im Streitfall erfolgte die Verurteilung zeitlich nach der Anmeldung.

Deshalb musste die Frage, ob eine reine Verdachtsanmeldung ausreichend ist oder ob zumindest die Eröffnung eines Steuerstrafverfahrens gefordert werden muss (vgl. Pape, ZinsO 2016, 2005, 2008), nicht beantwortet werden. Dabei ist insbesondere der Schutz des Schuldners (und die Unschuldsvermutung) problematisch. Denn nach § 175 Abs. 2 InsO hat das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO (...

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