rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflichtiger mit Multiple Sklerose – kein Abzug als außergewöhnliche Belastung für Nahrungsergänzungsmittel
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 EStG.
- Ähnlich den Kosten, die durch eine Diätverpflegung entstehen, können auch Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel nicht als agB abgezogen werden.
Normenkette
EStG § 33
Streitjahr(e)
2005, 2006
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt außergewöhnlicher Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Klägerin, die mit ihrem Ehemann dem Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, ist an Multiple Sklerose erkrankt. In ihren gemeinsamen Einkommensteuererklärungen der streitigen Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 machten die Kläger im Zusammenhang mit der Erkrankung der Klägerin u. a. Aufwendungen für diverse nicht verschreibungspflichtige Tabletten, Kapseln und Tropfen als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) geltend, die das beklagte Finanzamt…in den für die Streitjahre ergangenen Einkommensteuerbescheiden mit der Begründung unberücksichtigt ließ, dass die durch die Behinderung entstandenen Aufwendungen durch die Gewährung des Behindertenpauschbetrages abgegolten seien.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren erhobenen Klage. Nach ihrer Ansicht handele es sich bei den streitbefangenen Aufwendungen um Krankheitskosten der Klägerin, die unter dem Gesichtspunkt außergewöhnlicher Belastungen gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen seien. Im Jahr 2005 habe der die Klägerin behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. med. X festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihrer eingeschränkten Nahrungsaufnahmefähigkeit und wegen ihrer eingeschränkten körperlichen Aktivität verbunden mit einem verminderten Kalorienverbrauch infolge ihrer Grunderkrankung Multiple Sklerose ihre erforderlichen Vitalstoffe über die natürliche Ernährung nicht in ausreichendem Maße aufnehmen könne. Vor diesem Hintergrund sei sodann ein Nahrungsmittel Screen vorgenommen worden. Im Anschluss hieran habe Herr Dr. X die Notwendigkeit der Nahrungsergänzung bei der Klägerin festgestellt und auch bescheinigt. Die Klägerin habe dann die unterschiedlichsten Tabletten, Kapseln und Tropfen in den Streitjahren gekauft, um ihre Krankheit zum Stillstand zu bringen bzw. sogar eine leichte Verbesserung ihrer gesundheitlichen Verfassung zu bewirken.
Da es sich bei diesen Tabletten mit den unterschiedlichsten Wirkstoffen nicht um verschreibungspflichtige Medikamente gehandelt habe, sondern diese rezeptfrei hätten besorgt werden können, seien diesbezüglich auch keine separaten Rezepte ausgestellt worden. Der Wirkungsgrad der vorerwähnten Mittel behebe zum Einen den Mangelzustand, der auf der eingeschränkten Nahrungsaufnahmefähigkeit der Klägerin beruhe und diene zum Anderen der Therapie ihrer Krankheiten insgesamt. Insbesondere habe es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen nicht um eine Diätverpflegung sondern um Arzneimittel gehandelt.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 2. Januar 2007 und 24. April 2008 sowie Aufhebung des hierzu ergangenen Einspruchsbescheides vom 19. Februar 2010 die Einkommensteuern 2005 und 2006 soweit herabzusetzen, wie sie sich mindern, wenn an außergewöhnlichen Belastungen (§ 33 EStG) „Krankheitskosten” vor Abzug der zumutbaren Belastung für 2005 insgesamt … € sowie für 2006 insgesamt … € berücksichtigt werden.
Das beklagte Finanzamt…beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die streitbefangenen Aufwendungen könnten nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Denn sie unterfielen dem Abzugsverbot des § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG. Danach könnten Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unter Diät die auf die Bedürfnisse des Patienten und der Therapie der Erkrankung abgestimmte gesamte Ernährung zu verstehen sei, fielen unter das Abzugsverbot auch die von den Klägern geltend gemachten Kosten für den Erwerb der Vitalstoffe und Vitaminpräparate.
Im Übrigen gelte das Abzugsverbot auch dann, wenn die Diät wie im Streitfall aufgrund ärztlicher Verordnung unmittelbar als Therapie eingesetzt werde und damit im medizinischen Sinne Medikamentencharakter aufweise.
Gleiches gelte, wenn die Diät nicht nur neben, sondern an die Stelle einer medikamentösen Behandlung trete. Denn für die steuerliche Behandlung könne es keinen Unterschied machen, ob zusätzlich noch Aufwendungen für Medikamente anfielen oder nicht.
In der vom behandelnden Arzt der Klägerin im Streitjahr 2005 in Auftrag gegebenen Untersuchung „Screen Nahrungsmittelunverträglichkeiten” heißt es u. a.:
„Im Serum von Frau … fanden sich leicht erhöhte IgE Antikörperkörperspiegel gegen besonders häufige Nahrungsmittelallergene (Kuhmilch, Ei, Soja, Erdnuss, Weizen). Auch al...