Trotz des Vorliegens der Unternehmereigenschaft kann eine Umsatzsteuerpflicht dennoch entfallen. Das ist dann der Fall, wenn die Galerie, der Kunsthändler oder der Kunstschaffende als Kleinunternehmer anzusehen ist.

Relevante Umsatzgrenzen: Nach § 19 Abs. 1 UStG ist Kleinunternehmer, wer im vorausgegangenen Kalenderjahr einen Umsatz von weniger als 22.000 EUR erzielt hat und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich einen Umsatz von weniger als 50.000 EUR erzielen wird. Die Eigenschaft als Kleinunternehmer wird danach für jedes Kalenderjahr neu ermittelt.

Besondere Bedeutung erfährt hierbei insbesondere die 22.000 EUR-Grenze. Das hat diverse Gründe: Nicht nur ist diese Umsatzgrenze anhand konkreter Zahlen ermittelbar, wohingegen die 50.000 EUR-Grenze auf einer Schätzung zum Jahresbeginn beruht.[15] Wer im laufenden Kalenderjahr sein Unternehmen gründet (es also überhaupt kein vorausgegangenes Kalenderjahr gibt), der darf für das laufende Jahr nicht die 50.000 EUR-Grenze, sondern die 22.000 EUR-Grenze nicht überschreiten.[16] In der Praxis kann damit von der Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung ausgegangen werden, wenn diese Umsatzgrenze eingehalten wird und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass sich das im laufenden Jahr ändern wird. Ändert sich doch etwas (bspw. durch Überschreitung der 50.000 EUR-Grenze im Laufe des Jahres), hat das für die Kleinunternehmerregelung zumindest im laufenden Kalenderjahr keine Bedeutung.[17]

"Umsatz" im Sinne der Kleinunternehmerregelung ist die Summe der tatsächlich zugeflossenen Brutto-Einnahmen für Leistungen des Unternehmers.[18] Das gilt auch für Galeristen und Kunsthändler, welche in den Anwendungsbereich der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG fallen.[19]

 

Beispiel 1:

G eröffnet in der Auguststraße in Berlin-Mitte nach seinem Kunstgeschichte-Studium im Juni 2023 eine Galerie, in der er Kunstwerke zeitgenössischer Bildhauer ausstellen und für Rechnung der Künstlerinnen und Künstler verkaufen möchte. Weil er am Anfang nur die Kunstwerke von befreundeten, unbekannten Künstlerinnen und Künstlern ausstellt, erwartet er für das laufende Kalenderjahr Einnahmen von weniger als 22.000 EUR. Im Oktober 2023 stellt er indes ein Werk aus, das er im November 2023 wider Erwarten für 60.000 EUR verkaufen kann. Der Kaufpreis wird im Dezember 2023 in Gänze an G überwiesen.

G ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, weil seine Tätigkeit (Verkauf von Kunstgegenständen im eigenen Namen für fremde Rechnung) eine typische unternehmerische Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG darstellt. Er ist allerdings im Jahr 2023 Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG, da er im Jahr ihrer Gründung unterhalb der 22.000 EUR-bleibt. Die Vereinnahmung der 60.000 EUR im Dezember 2023 lassen dies unberührt, führen aber dazu, dass G sich im Jahr 2024 nicht mehr auf die Kleinunternehmerregelung berufen kann, weil er dann die 22.000 EUR-Grenze, die ab dann auf das Vorjahr anzuwenden ist, überschreitet.

Abwandlung:

G hat das Werk Ende Januar 2024 verkauft.

Auch hier war G im Jahr 2023 Kleinunternehmer, da ihm in dem Jahr sogar gar keine Einnahmen zugeflossen sind. Er ist allerdings auch im Jahr 2024 weiterhin Kleinunternehmer. Zwar hat er das Kunstwerk Ende Januar 2024 für 60.000 EUR verkauft und damit die 50.000 EUR-Grenze überschritten. Maßgeblich ist aber eine Prognose zum Jahresbeginn, also zum 1.1.2024. Zu dem Zeitpunkt war es in Ermangelung jeglicher Verkäufe im Vorjahr gar nicht absehbar, dass es im Jahr 2024 tatsächlich zum Verkauf kommen würde.

 

Beispiel 2:

K ist freischaffende Kunstfotografin in Berlin. Sie verkauft ihre Fotografien bisher überwiegend selbst. Im Jahr 2023 hatte sie nur wenige Verkäufe zu verzeichnen und erzielte hieraus Einnahmen i.H.v. insg. 2.000 EUR. Daneben hat sie Bürgergeld i.H.v. 12.000 EUR bezogen. Für das Jahr 2024 erwartet sie aber wegen der Aufnahme in eine renommierte Galerie für Fotokunst Einnahmen von über 40.000 EUR.

K ist sowohl im Jahr 2023 als auch im Jahr 2024 Kleinunternehmerin. Im Jahr 2023 beträgt ihr Umsatz insgesamt 2.000 EUR und liegt damit deutlich unter der 22.000 EUR-Grenze. Im Jahr 2024 überschreitet sie auch nicht die zweite Umsatzgrenze von 50.000 EUR. Das Bürgergeld i.H.v. 12.000 EUR wird gar nicht erst als Umsatz i.S.d. § 19 UStG einbezogen,[20] weil dieses unabhängig von der Tätigkeit der K gewährt wird.[21]

Abwandlung:

K bezieht kein Bürgergeld und arbeitet stattdessen im Jahr 2023 gelegentlich als Artistin in Burlesque-Shows auf Werkvertragsbasis. Sie erzielt hieraus im Jahr 2023, neben ihren Einnahmen aus der Fotografie von 2.000 EUR, Einnahmen i.H.v. 21.000 EUR.

K ist keine Kleinunternehmerin i.S.d. § 19 Abs. 1 UStG, da sie im Jahr 2023 die Umsatzgrenze von 22.000 EUR überschreitet. Die gelegentlich ausgeübte Tätigkeit als Artistin ist wegen ihrer unternehmerischen Haupttätigkeit ebenfalls Teil ihres Unternehmens nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG, so dass die hieraus angefallenen Umsätze bei der Ermittlung der Umsatzgrenzen Berücksichtigung finden. Anders wäre es ...

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