I. Zuständigkeit

 

Rz. 69

[Autor/Stand] Nach § 396 Abs. 2 AO obliegt die Entscheidung im Ermittlungsverfahren der StA; führt die FinB das Ermittlungsverfahren selbständig durch (§ 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO), so kann sie diese Entscheidung treffen. Dem FA bzw. der BuStra als Hilfsorgan der StA (§ 402 Abs. 1 AO) steht zu keiner Zeit das Recht zu, über eine Aussetzung zu entscheiden (§ 396 Abs. 2 AO). Allenfalls kann sie die Aussetzung anregen und die Akten an die StA abgeben (§ 386 Abs. 4 Satz 1 AO). In der Regel wird die BuStra die Aussetzungsmöglichkeit vor einer Abgabe mit der StA erörtern und für den Fall, dass die StA aussetzen will, die Akte an diese abgegeben. Unabhängig davon kann die StA das Verfahren stets an sich ziehen – um es z.B. auszusetzen (§ 386 Abs. 4 Satz 2 AO).

Nach Erhebung der Anklage geht die Aussetzungsbefugnis auf das Gericht über. Die Entscheidung, die auch noch im Rechtsmittelverfahren möglich ist, trifft das in dem jeweiligen Verfahrensstadium mit der Sache befasste Gericht.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.03.2024

II. Antragsrecht des Beschuldigten

 

Rz. 70

[Autor/Stand] Ein Antragserfordernis besteht nicht. Die Strafverfolgungsorgane sind gehalten, die Aussetzungsfrage i.S.d. § 396 AO auch ohne Antrag eines Prozessbeteiligten von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen[2].

Der Beschuldigte hat jedoch in jeder Lage des Verfahrens das Recht, im Hinblick auf die in dem anhängigen Besteuerungsverfahren anstehende Klärung der steuerlichen Vorfrage die Aussetzung zu beantragen und so eine förmliche Entscheidung zu erzwingen[3]. Dieses Vorgehen ist insbesondere angezeigt, wenn eine Überprüfung der Weigerung der Verfahrensaussetzung im Rechtsmittelverfahren erfolgen soll (s. Rz. 79 f.). Die Ermittlungsbehörde bzw. das Gericht hat im Fall eines entsprechenden Antrags bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 396 Abs. 1 AO entsprechend den in Rz. 55 ff. dargestellten Grundsätzen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.03.2024
[2] BVerfG v. 15.4.1985 – 2 BvR 405/85, NJW 1985, 1950 = wistra 1985, 147; BVerfG v. 4.4.1985 – 2 BvR 107/85, NStZ 1985, 366; BGH v. 28.1.1987 – 3 StR 373/86, wistra 1987, 139; Tormöhlen in HHSp., § 396 AO Rz. 66.
[3] Schuhmann, wistra 1992, 172 (175); Jäger in JJR9, § 396 AO Rz. 43.

III. Entscheidung über die Aussetzung

1. Form der Entscheidung

 

Rz. 71

[Autor/Stand] Die Ermittlungsbehörde entscheidet durch Verfügung (§§ 167, 171 StPO), das Gericht durch Beschluss, der entweder in der mündlichen Verhandlung verkündet wird oder schriftlich mitzuteilen ist (§ 35 StPO). Der Beschluss ist der FinB und dem Angeklagten förmlich zuzustellen.

Während für die Entscheidung im Ermittlungsverfahren eine Begründung nicht vorgeschrieben, aber zweckmäßig ist[2], hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen (§ 34 StPO), und zwar nicht nur dann, wenn es einen auf Aussetzung gerichteten Antrag ablehnt, sondern auch dann, wenn es einem solchen stattgibt oder von Amts wegen die Aussetzung bestimmt, da die Beteiligten diese Entscheidung entweder mit dem Rechtsmittel gegen das Urteil oder u.U. selbständig mit der Beschwerde anfechten können (s. Rz. 77 ff.).

Einer förmlichen Entscheidung des Gerichts bedarf es nicht, wenn der Angeklagte während der Hauptverhandlung keinen Antrag auf Aussetzung gestellt hat[3].

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.03.2024
[2] Tormöhlen in HHSp., § 396 AO Rz. 67.
[3] BGH v. 7.8.1987 – 3 StR 166/87, BGHR AO § 396 Abs 1 Aussetzung 2.

2. Dauer der Aussetzung und Fortsetzung des Verfahrens

 

Rz. 72

[Autor/Stand] § 396 Abs. 1 AO bestimmt, dass das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Besteuerungsverfahrens ausgesetzt werden kann. Das Besteuerungsverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen, wenn der Steuerbescheid formell bestandskräftig geworden ist, weil alle Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelfristen (§ 355 AO; §§ 47, 120 FGO) abgelaufen sind oder weil ein weiteres Rechtsmittel nicht mehr gegeben ist. Eine Aussetzung über den Zeitpunkt des rechtskräftigen Verfahrensabschlusses hinaus (etwa bis zum Abschluss anderer finanzgerichtlicher Verfahren) ist folglich nicht zulässig. Allerdings kann das Verfahren aus sachlichen Gründen von vornherein für eine kürzere Dauer ausgesetzt werden. Ebenso kann das Verfahren vor Ablauf der vorgesehenen Aussetzungsdauer fortgesetzt werden. In der Praxis wird das Strafverfahren jedoch regelmäßig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Besteuerungsverfahrens ausgesetzt werden. Dies ist in aller Regel auch sachgerecht: Erst nach Eintritt der Rechtskraft der im Besteuerungsverfahren ergehenden Entscheidung ist die betreffende Vorfrage hinreichend geklärt und es besteht Gewissheit über das Ergebnis des Besteuerungsverfahrens, die erforderlich ist, um widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Indessen wird allgemein angenommen, der Aussetzungsbeschluss sei jederzeit widerruflich[2]; dem ist zuzustimmen.

 

Rz. 73

[Autor/Stand] Dem jeweiligen Entscheidungsträger ist durch das Gesetz ein Ermessen zugestanden worden, ob er das Verfahren überhaupt aussetzen will oder nicht. Dem würde es nicht entsprechen, den Spielraum der vorhandenen Entscheidungsmöglichkeiten ...

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