Leitsatz

1. Die gemäß § 21 Abs. 3 FVG erfolgende Anordnung der Teilnahme des Gemeindeprüfers an einer die Gewerbesteuer betreffenden Außenprüfung des FA ist nicht aufgrund des Bestehens von Vertragsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Gemeinde rechtswidrig.

2. Die berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen in Bezug auf die Nichtoffenlegung von für die Vertragsbeziehungen relevanten Unterlagen und/oder Daten sind dadurch zu schützen, dass der Außenprüfer des FA während der jeweiligen Außenprüfung darüber entscheidet, welche Informationen er an den Gemeindeprüfer weitergibt.

3. Der Steuerpflichtige hat dem Außenprüfer im Rahmen seiner Informations- und Mitwirkungspflicht während der Außenprüfung Gegenstand und Umfang der Vertragsbeziehungen zur Gemeinde zu erläutern und die Unterlagen und/oder Daten im Einzelnen zu bezeichnen, die von der Offenbarung gegenüber dem Gemeindebediensteten ausgenommen werden sollen.

4. Entscheidet sich das FA trotz des Geheimhaltungsbegehrens des Steuerpflichtigen für eine Offenlegung, muss es dies in Form eines im Einzelnen begründeten Verwaltungsakts tun. Hiergegen kann sich der Steuerpflichtige im Wege des – auch einstweiligen – Rechtsschutzes wehren.

 

Normenkette

§ 21 Abs. 2 und 3 FVG, § 3 Abs. 2, § 30 Abs. 4 Nr. 1, § 200 Abs. 1 Satz 2 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, bei der vom FA eine steuerliche Außenprüfung für 2013 bis 2015 u.a. für KSt, USt und GewSt angeordnet wurde. Nach einem Teilnahmeersuchen der Gemeinde, auf deren Gebiet die Klägerin ansässig ist, erging am 29.11.2017 eine geänderte Anordnung, in der es heißt: "In Ergänzung zur Prüfungsanordnung … teile ich Ihnen mit, dass Herr ... als Bediensteter der Stadt ... für die Gewerbesteuer an der Prüfung teilnimmt."

Im Laufe des nachfolgenden Klageverfahrens wurde die Außenprüfung ohne Teilnahme des Gemeindebediensteten beendet. Die Klägerin stellte ihr Klagebegehren daher wegen konkreter Wiederholungsgefahr auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage um. Weil sie auch in den Jahren ab 2016 Leistungen gegenüber der Stadt und deren Tochtergesellschaften erbracht habe, bestehe weiterhin die Besorgnis der Verletzung des Steuergeheimnisses.

Das FG gab der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 23.6.2021, 7 K 656/18 AO, Haufe-Index 14809032, EFG 2021, 1964).

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte zur Abweisung der Klage durch den BFH.

 

Hinweis

1. Die Außenprüfung war im Streitfall bereits beendet, bevor über die Teilnahmebefugnis des Gemeindebediensteten entschieden wurde; die Sache hatte sich also erledigt. Wegen der Ankündigung des FA, bei Folgeprüfungen die Teilnahme des Gemeindebediensteten erneut anzuordnen, bestand aber Wiederholungsgefahr. Daher blieb die Klage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.

2. Gemeinden können gemäß § 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FVG hinsichtlich der Realsteuern (§ 3 Abs. 2 AO, Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG) durch Gemeindebedienstete an Außenprüfungen teilnehmen. Für die Anordnung, die das Beteiligungsrecht der Gemeinde im Sinne einer Duldungspflicht regelt, ist das FA formell zuständig.

3. Vertragsbeziehungen zwischen Steuerpflichtigem und Gemeinde bewirken nicht, dass das Steuergeheimnis (§ 30 AO) das Teilnahmerecht der ­Gemeinde gemäß § 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FVG ausschließt.

Die sich aus § 21 Abs. 3 FVG ergebende Mitteilungspflicht des FA gegenüber der Gemeinde hat Schranken: Das FA muss dafür Sorge tragen, dass der Gemeinde nur Informationen mitgeteilt werden, die für den Gewerbeertrag Bedeutung haben. Insoweit kann (und muss) das FA jedoch erst während der Außenprüfung im Einzelnen prüfen, ob die Offenbarung bestimmter Informationen der Durchführung des Verfahrens "dient" (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO).

4. Die Offenbarung muss den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips genügen. Hierzu hat der Steuerpflichtige während der jeweiligen Prüfung die Unterlagen und Daten im Einzelnen zu bezeichnen, die seiner Ansicht nach schützenswert sind und von der Offenbarung gegenüber dem Gemeindebediensteten ausgenommen werden sollen. Zudem muss der Steuerpflichtige dem Außenprüfer des FA auch Gegenstand und Umfang der Vertragsbeziehungen zur Gemeinde erläutern, um dem FA eine Beurteilung zu ermöglichen, ob und ggf. in welchem Umfang die betreffenden Unterlagen gegenüber dem Gemeindebediensteten offenzulegen oder schutzwürdig sind. Den Steuerpflichtigen trifft also insoweit eine Informations- und Mitwirkungspflicht (§ 200 Abs. 1 Satz 2 AO).

5. Entscheidet sich das FA trotz des Geheimhaltungsbegehrens für eine Offenlegung, muss es dies in Form eines im Einzelnen begründeten Verwaltungsakts tun. Hiergegen kann sich der Steuerpflichtige dann im Wege des – auch einstweiligen – Rechtsschutzes wehren.

6. Die die Prüfungsanordnung ergänzende Teilnahmeregelung muss keine Maßnahmen bezeichnen, die abstrakt Konflikte über die Offenlegung vermeiden. Ob der Gefahr der Verwertung von Prüfungserkenntnissen für eigene wirtschaftliche Interessen der Gemeinde mit Vorgaben zur institutio...

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